Porträt
Er ist der Coach für Führungskräfte

Karl Rimbach-Zorzi wuchs auf einem Bauernhof auf. Dort hat er gelernt, zu arbeiten und was Gleichheit bedeutet.

11.08.2018 | Stand 12.10.2023, 10:21 Uhr
Helmut Hein

Heute ist Karl Rimbach-Zorzi Führungskräfte-Coach. In diesem Beruf findet er vieles aus seiner Kindheit wieder. Foto: altrofoto.de

Unter bestimmten Umständen hört der Wille zum Wissen, wie Michel Foucault das nannte, niemals auf. Andere nennen das lebenslanges Lernen. Wenn sich Karl Rimbach-Zorzi, Führungskräfte-Coach, Tag für Tag in seinen Dienstwagen setzt und zum BMW-Werk nach München fährt, dann hat er seine Routinen. Meist hört er eine halbe Stunde lang Deutschlandfunk: politische, kulturelle, wissenschaftliche Sendungen; und dann Hörbücher: den Kanon der Literatur; aber auch Sachbücher wie Christopher Clarkes „Die Schlafwandler“ über den Ersten Weltkrieg und wie er zustande kam. Woher kommt dieser Hunger?

Natürlich aus dem, was fehlt. Oder genauer: einst, von Anfang an fehlte. Karl Rimbach ist im Dezember 1957 in Blankenbach zur Welt gekommen. Das lag nah an der Grenze zur damaligen DDR, in dem zwischendeutschen Niemandsland, von dem Wim Wenders knapp zwanzig Jahre später in seinem Film „Im Lauf der Zeit“ erzählte. Eisenach war kaum zehn Kilometer entfernt, aber eben unerreichbar, Teil einer anderen, fremden Welt.

Sechs Kühe, ein paar Felder – reich waren sie nicht

Karl Rimbachs Eltern bewirtschafteten einen kleinen Bauernhof. Klein vor allem aus heutiger Sicht. Mit sechs Kühen braucht keiner anzufangen, selbst sechzig sind zu wenig. Damals kam man mit sechs Kühen – und ein paar Säuen und ein paar Feldern – über die Runden. Man wurde nicht reich. Aber man musste sich von keinem etwas sagen lassen. Man war ein stolzer Bauer.

Wobei: Mit dem Stolz ist das so eine Sache. Jeder Mensch kann gebrochen werden. Der Krieg eignet sich dafür besonders gut. Karl Rimbachs Vater kam aus dem Krieg zurück. Fast stumm. Was er erlebt hatte, wollte er niemandem mitteilen, auch nicht der Frau und dem Kind. Seine Frau musste lange ohne ihn zurechtkommen. Das machte sie selbstbewusst. Manche würden sagen: Sie führte das Regiment. Aber das trifft es nicht. Mann und Frau lebten und wirtschafteten auf Augenhöhe. Das hat den kleinen Karl geprägt. Das Unglück aber ließ den Vater nicht los. Einmal schleiften ihn die wildgewordenen Pferde quer durchs Dorf.

Karl Rimbach-Zorzi, wie er heute heißt, erinnert sich, dass er aufs Gymnasium ging. Was alles andere als selbstverständlich war. Vielleicht profitierte er von den Thesen Georg Pichts, der Mitte der 1960er Jahre den Bildungsnotstand ausrief. Das wurde heftig und kontrovers diskutiert: dass man die Bildungsreserven im „Volk“, bei den Arbeitern und Bauern heben müsse. Viele Eltern wurden hellhörig und trafen für ihre Kinder neue Entscheidungen.

Karl ging aufs Gymnasium. Aber er musste auch auf dem Hof mitarbeiten. Die „Leute“, wie es so schön heißt, verstanden es nicht, wenn der Bub nichts tat. Denn Lernen war ja Nichtstun. Dass er auf dem Hof mitarbeiten musste, während er doch lernen wollte, stachelte seinen Hunger an. Dieser Hunger ist nicht die schlechteste Voraussetzung für eine spätere Karriere.

Das Kriegsheimkehrerkind nahe der Zonengrenze war keiner, der den Wehrdienst verweigerte, wie das damals so viele taten. Von 1976 bis 1978 ließ er sich zum Reserveoffizier ausbilden. Das war mehr, als sein musste. Danach kam er zum Studium nach Regensburg. Das heißt: Er „kam“ nicht, er wurde verschickt; von der Zentralen Vergabestelle, dieser Monsterbürokratie, die aber manchmal zusammenfügt, was zusammengehört. Eigentlich wollte Karl Rimbach Psychologie studieren. Aber dafür reichte in diesem Jahr der Notenschnitt nicht. Vielleicht war das sein Glück. Wie es schon bei Plato heißt: Poros, die Not, der Mangel, ist der große Motor im menschlichen Leben. Karl Rimbach studierte also wohl oder übel Volkswirtschaftslehre und auch ein wenig Philosophie, wurde Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung und dann Diplomvolkswirt und startete – „weil so etwas von sowas kommt“ – durch: bei BMW. Davon wird noch die Rede sein.

Denn Psychologe wurde er dann doch noch, gewissermaßen partizipierend und teilnehmend. Denn er ist seit fast vierzig Jahren mit Heidi Zorzi verheiratet, einst Assistentin des auch in den Medien sehr präsenten Professors Lukesch, seit Langem selbstständig als Kinder-, Jugend- und Traumatherapeutin mit eigener Praxis in Regensburg. Karl Rimbach beziehungsweise Karl Rimbach-Zorzi und Heidi Zorzi haben zusammen vier Kinder und sind, soweit man das beurteilen kann, ein „Dreamteam“. Karl Rimbach-Zorzi: „Die Familie stand und steht immer an erster Stelle bei mir.“ Und er ist voll emanzipiert. Was vor allem heißt: kein Macho. Wäre es damals möglich gewesen, würde er heute Karl Zorzi heißen und nicht Karl Rimbach-Zorzi.

Die familiäre „égalité“ hat er von seinen Eltern gelernt. Wie man ja überhaupt sagen muss, dass in vielen Arbeiter- und Bauern-Familien die Gleichberechtigung ganz selbstverständliche, unaufgeregte, unthematische Praxis war. Die Dominanz des Mannes war vor allem eine Sache des Bürgertums; und sie kam daher, dass die bürgerlichen Frauen lange Zeit nicht arbeiteten.

Und wie war das nun mit seiner Karriere bei BMW, erst in Regensburg, dann in München, und zwar als Führungskraft und dann wieder als Coach, der anderen Führungskräften hilft, sie gewissermaßen anleitet? Das Problem bei solchen Geschichten ist, dass man das meiste (und beste!) nicht erzählen darf. Weil Verträge Diskretion erzwingen. Aber es bleibt genug, was interessant ist. Zunächst: Karl Rimbach-Zorzi, der Familienmensch, ist von BMW auch nach so vielen Jahren, auch Jahren des Einblicks, der Nähe zur Führungsetage, immer noch fast so begeistert wie von seiner Heidi. Das spricht für die „Kultur“ des Unternehmens, die er als Coach und Referent ja mit- und weiterentwickelte. Karl Rimbach-Zorzi: „BMW geht davon aus, dass nur ein zufriedener Arbeiter, einer, der Wertschätzung erfährt, ein guter Arbeiter ist.“ Deshalb werden Arbeiter und Angestellte seit einiger Zeit gleich entlohnt. Und es soll ein System von Befehl und Gehorsam, um es drastisch zu formulieren, durch Selbstverantwortung ersetzt werden.

Jeden Tag europäische Integration in der Familie

Was sind eigentlich seine Stärken als Führungskräfte-Coach und Referent: „Ich will und kann gut mit Menschen arbeiten.“ Und dann erzählt er von der „Werte-Kultur“ des Unternehmens. BMW definiert sich über zwölf Grundüberzeugungen. Dazu gehören Vertrauen, Wertschätzung, Offenheit, Transparenz, Verantwortung. Dazu gehört aber auch, dass es Gesetze und Regeln gibt, die eingehalten werden müssen.

Man muss sich Karl Rimbach-Zorzi als glücklichen Mann vorstellen. Das hat mit seiner Firma und seiner Familie zu tun. Wenn er zum Beispiel sagt: „Wir leben europäische Integration jeden Tag.“, dann weiß man zunächst nicht, meint er BMW oder seine Familie. Der Nachsatz macht es klar: „Zwei unserer vier Kinder leben im Ausland.“ Genauer: in London und in Bozen. Karl Rimbach-Zorzi, der sich seit ein paar Monaten in der Freizeitphase der Altersteilzeit befindet, ist viel unterwegs, ein reisender Vater und Opa, der, sportlich gestählt, gar nicht so aussieht.

Wenn er an seine eigene Herkunft und seinen Weg denkt, dann sagt er:: „Ich habe diesem Land viel zu verdanken. Aus ganz kleinen Verhältnissen habe ich aus meiner Sicht viel erreicht.“ Und dann präzisiert er noch: „Die ‚Willy-Brandt-Zeit‘ hat mir den Weg zur Bildung ermöglicht.“

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Sie in unserem Aboshop.