Porträt
Erst der Krieg, dann die Kunst

Der Regensburger Karl Friedrich Krause verdiente Millionen in Kriegsgebieten. Nun betreibt er dagegen die Galerie ArtAffair.

19.11.2016 | Stand 12.10.2023, 10:21 Uhr
Helmut Hein
Karl-Friedrich Krause −Foto: altrofoto.de

Bagdad, grüne Zone. Karl Friedrich Krause, damals Mitte 40, steigt aus seinem alten Toyota, entfernt sich ein gutes Dutzend Schritte von dem Wagen, weil er sich davon eine bessere Verbindung erhofft und ruft seine Frau in Regensburg an. Kaum hat das Gespräch begonnen, fliegt der Toyota in die Luft. Noch Tausende Kilometer entfernt und per Handy ist der Explosionsknall so ohrenbetäubend, dass die Frau mehrere Sekunden braucht, um sich zu fassen. Dann ist ihr erster Gedanke: Mein Mann ist tot. Niemand kann so etwas überleben. Als sie dann Krauses scheinbar ungerührte Stimme hört, wird sie wütend, ja böse. Ihre ultimative Forderung: Komm zurück. Schluss mit dem Krieg!

Und wie ging es ihm dabei? Irgendwelche bleibenden Schäden? Krause schmunzelt in sich hinein, anscheinend braucht er die ironische Distanz: „Ich höre nicht mehr ganz so gut wie früher.“ Früher konnte er ohne weiteres feststellen, wie erbärmlich eine CD, also digitalisierte Musik, im Vergleich zu einer analogen Vinyl-LP klingt. Damit ist es jetzt vorbei. Ich dachte an etwas anderes: „Posttraumatische Belastungsstörungen?“ Schließlich führt sehr viele Soldaten der Weg vom Einsatz direkt zum Seelenarzt. Krause: „Nein. Nichts.“ Und als er meinen erstaunten Blick bemerkt: „Ich bin sehr vergesslich. Ich kann mir nichts merken. In diesem Fall ist das sicher ein Vorteil.“ Und sonst? „Auch oft. Viele wundern sich, dass ich so freundlich mit Menschen verkehren kann, die mir übel mitgespielt haben. Ich bin nicht nachtragend, weil ich alles sofort vergesse.“ Folgt man Nietzsche, ist es ein Zeichen extremer psychischer Gesundheit, wenn sich Wunden so rasch schließen. Nur beim Neurotiker schwärt alles ewig weiter.

Sein Unternehmen baute Container-Dörfer für Soldaten

Krieg und Geschäfte, geht das? Krause versteht die Frage nicht moralisch, sondern technisch. Soldaten sind mehr noch als andere darauf angewiesen, dass die elementaren Dinge des Lebens funktionieren. Am besten so, dass man es gar nicht bemerkt. Armeen brauchen Klos, Duschen, Wäschereien. Tag für Tag. In großer Zahl. Und Krause hat geliefert. Mit einer eigenen Firma, Toifor. Zuverlässig. Professionell. Ohne Reibungsverluste. Zuletzt von 2003 bis 2009 im Irak. „Ich hatte über tausend Mitarbeiter. Wir haben ein eigenes Dorf aufgebaut, aus lauter Containern.“ Einen Logistikdienstleister dieser Größe zu betreiben, ist selbst schon eine logistische Großtat. Krause: „Wir haben selbst eingekauft, selbst gekocht. All die banalen Dinge des Lebens.“

Und wo war das Dorf? Es war ja in diesen Jahren für Ausländer nicht ganz ungefährlich im Irak. „Wir waren in der Green Zone – also in der geschützten grünen Zone mitten in Bagdad, wo auch die US-Botschaft und die anderen wichtigen Einrichtungen der alliierten Armeen sich befinden; eine Art Hochsicherheitstrakt unter freiem Himmel – und zwar direkt am Flughafen, im sogenannten French Village.“ Wo kamen ihre Mitarbeiter her? Waren das Iraker? Krause: „Wenige. Die meisten waren Ungarn, Rumänen, Bulgaren, Mazedonier. Wir haben den Amerikanern jeden Wunsch erfüllt. Von einem Tag auf den anderen.“

Und sie haben damit viele Millionen verdient. Krause nickt: „Sehr viele.“ Und warum haben sie dann 2009 plötzlich aufgehört? „Es wurde immer gefährlicher. Ich konnte irgendwann nicht mehr verantworten, selber vor Ort zu sein.“ Und aus der Ferne lässt sich so ein Betrieb, der aus tausenden kleinster Services besteht, nicht führen? „So ist es.“ Hat er eigentlich immer nur für das Militär gearbeitet? „Nein, ich habe auch andere Großveranstaltungen betreut.“ Er muss wieder schmunzeln. „Einmal habe ich für ein Kirchenjubiläum 15000 Toilettenhäuschen nach Rom geliefert.“

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Und als er 2009 den Irak verließ, hat er seine Firma dort zurückgelassen. „Es ging gar nicht anders. Sehen Sie, so ein Container kostet tausend Dollar. Der Rücktransport hätte aber 6000 Dollar gekostet. Das lohnt sich nicht. Nicht einmal bei den Lastwagen lohnt es sich.“. Und was ist aus all den Sachen geworden? „Die haben schon Abnehmer gefunden. Die wurden restlos ausgeschlachtet.“

Jede Geschichte hat bekanntlich eine Vorgeschichte. Wie wurde Krause zu dem, der er heute ist? Geboren wurde er 1960. Ab 1981 studierte er in Regensburg. Jura. Er war so spät dran, weil er sich zwischendurch in der Welt herumgetrieben hat. 1977 verbrachte er ein Jahr als Austauschschüler in Roseburg/Oregon. „Das müssen Sie sich vorstellen wie Oberviechtach. Ein kleines, entlegenes Kaff.“ Und wie war das? „Wunderbar.“ Ich frage ihn, ob er Grizzlybären gejagt hat. „Keine Grizzlys. Aber Elche. Einmal habe ich sogar einen getroffen. Das war schlecht.“ Wieso? Hat ihm das Tier leid getan? „Nicht unbedingt. Aber wir mussten den toten Elch meilenweit schleppen.“

Schon während seines Jurastudiums hatte er Praktika bei einem amerikanischen Logistikdienstleister gemacht, dem Erfinder der Dixi-Klos. Nach dem Examen war Krause klar, dass er nicht in einem Büro sitzen wollte. „Dafür bin ich zu sehr Abenteurer. Unternehmer.“ Was denn einen Unternehmer ausmache, will ich wissen. Er überlegt nur kurz: „Alle sagen immer, das geht überhaupt nicht. Dann kommt einer, der weiß das nicht und fängt einfach an. Das ist ein Unternehmer.“

Mit Haut und Haaren in ein neues Projekt gestürzt

Mit dieser Einstellung – immer volles Risiko! Lust auf Neues! – wurde er zunächst, in den Balkankriegen, zuerst noch als Manager der amerikanischen Firma, dann mit seiner eigenen Firma Toifor (was die Abkürzung für Toilets for Ifor ist, die Stabilisierungstruppe in Bosnien), später vor allem im Irak, sehr reich und dann, mit seinem nächsten Projekt, gleich wieder fast ganz arm. Die Idee, eine große, leistungsfähige, Multifunktionsdrohne zu bauen, kam ihm schon im Irak, aus den Bedürfnissen des Alltags heraus. Die Lastwagen-Konvois gerieten oft in Hinterhalte. Da wäre es doch gut, wenn man wüsste, was zwei, drei Kilometer vor einem geschieht. Und wer könnte das herausfinden? Eine kamerabestückte Drohne: die schützt Menschenleben, ohne dafür Menschenleben in Gefahr zu bringen. Nach der Rückkehr 2009 begann er mit der Entwicklung einer solchen Drohne, mithilfe einer eigenen kleinen Firma. Der Plan war ein wenig naiv, vor allem, was den Kapitalbedarf anging. Krause rechnete mit einer halben Million. Später wurden es dann immer mehr. Die Drohne wurde von Fachleuten geschätzt, sie erhielt Preise, aber sie war eben auch drauf und dran, ihn zu ruinieren. Er musste die Reißleine ziehen. Wenn sich Krause in ein solches Projekt stürzt, dann mit Haut und Haaren, mit Herzblut. Selbst als Unternehmer ist er nicht vor allem kühler Rechner, sondern ein romantischer Abenteurer. Von diesen Jahren erzählt er mit leuchtenden Augen; wie er mit seinen jungen Entwicklern nächtelang zusammensaß und sie sich die Köpfe heißredeten, zwischen ihnen sich auftürmende Pizzaschachteln.

Mit Künstlern, die er nicht mag kann Krause nicht arbeiten

Und jetzt, als Besitzer und Leiter der haidplatznahen Galerie ArtAffair? Ist er der romantische Abenteurer geblieben. Was ihn an der Galeriearbeit reizt, ist vor allem die Suche nach Neuem und der dauernde Austausch mit Künstlern und Kunden. Mit einer wahren Leidenschaft besucht er „seine“ Maler in ihren Ateliers und mit einer großen Bereitwilligkeit bringt er den potentiellen Käufern großformatige Leinwände direkt ins Haus, damit sie „vor Ort“ prüfen können, ob alles passt. Es geht ihm nicht um Kunst um der Kunst willen, die Bilder sind für ihn gewissermaßen das Medium, andere Menschen und sich selber besser kennen zu lernen. Mit Künstlern, die er nicht mag, kann er nicht arbeiten. „Das sind im Grunde alles meine Freunde.“ Mittlerweile viele Freunde aus vielen Ländern.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

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