Kunst
Farbenfrohes Doppel im Cordonhaus

Imaginäre Welten und raumfüllende Installationen: Pomona Zipser und Kolja Gollub geben Einblicke in ihre Werke in Cham.

30.03.2019 | Stand 16.09.2023, 5:41 Uhr
Elisabeth Angenvoort

Anjalie Chaubal (links), Leiterin der Städtischen Galerie im Cordonhaus, mit Pomona Zipser und Kolja Gollub Foto: cea

Vordergründig haben sich mit Pomona Zipser und Kolja Gollub zwei voneinander sehr verschiedene Künstler zusammengetan. Zipser, aus einer Künstlerfamilie stammend, kam 1970 aus ihrer rumänischen Heimat nach Deutschland. Nach dem Studium der Malerei bei Mac Zimmermann in München und der Bildhauerei bei Lothar Fischer in Berlin widmete sie sich zunächst den unterschiedlichen Gestaltungstechniken wie Fresko-Malerei, Litografie und Bronzeplastik. Sie erhielt mehrere Lehraufträge in Berlin, wo sie heute lebt und arbeitet.

Ihre Werke werden allgemein als „raumgreifende Installationen“ bezeichnet: In den Räumen des Cordonhauses Cham kommen die ausgestellten Skulpturen ausdrücklich in diesem Sinn zur Geltung; zugleich lassen sie sich nicht hierauf reduzieren.

Künstlerische Gemeinsamkeiten

Und genau an diesem Punkt kann man die Verbindung herstellen zu Zipsers jungem Kollegen Kolja Gollub. Es geht um die Entwicklung einer eigenen optischen Sprache durch die Kunst, den Bezug der künstlerischen Objekte zum Raum, oder: Wie sich die Formen im Raum finden und Dinge ein „räumliches Gefüge“ schaffen. Sowohl Zipser als auch Gollub gewähren ihren Objekten freien Raum: „Dass viel frei gelassen wird, verbindet uns“, sagt Zipser, und: Verdichtungen entstehen aus der „Ballung von dünnen Dingen“, bei Gollub als lebhaftes Setzen von Strichen in Bewegung, die sich kaum einmal überlappen.

Gollub, Jahrgang 1990, erhielt nach dem Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig 2016 sein Diplom mit Auszeichnung. Seine Bilder erinnern auf den ersten Blick an unbeschwerte Kinderzeichnungen: Flächige Formen, weich und abgerundet, tanzen mit fließenden Rändern über großformatige Leinwände und finden sich auf kleinen „Serienbildern“ wieder. Elemente daraus tauchen wiederum in einem nächsten Werk auf. Es geht Gollub hier weniger um einen einzelnen Stil, sondern vielmehr um die Möglichkeit der Veränderung. Der Prozeß des Malens wird sozusagen im Bild selbst sichtbar, indem Gollub nach dem Prinzip der „freien Variation“ seine Werke, von einer Seite aus beginnend, wachsen lässt. Es ist ein imaginärer Raum mit verschiedenen Orten, den der Künstler erschafft, konkret: Gollub bildet eine Art Zweitwelt ab, von realen Gegebenheiten und Situationen inspiriert.

So finden sich zwischen tief-leuchtenden Formen einer freundlichen Landschaft die dunklen Umrisse einer offenbar achtlos weggeworfenen leeren Flasche („Müll“). In dieser imaginären Welt existiert sogar eine eigene Währung, die auch real benutzt werden kann, wie Gollub erklärt. Das bedeutet, man kann gemäß einer Währungseinheit, wie sie auf den Bildern jeweils angezeigt wird, Dinge gegen andere Dinge tauschen - die Idee eines Gesellschaftsmodells, fernab vom Konsumdenken unserer Zeit.

Was die Dinge zusammenhält

Gollubs Bilder vermitteln aber noch viel mehr, und damit stehen sie wiederum im Dialog mit Zipsers Skulpturen. Beide Künstler versuchen, die Energie auszubalancieren und das Wirken von verschiedenen Kräften im Raum zu erspüren. Sind es bei Gollub die geometrischen Formen und dunklen Elemente, die an die Schwerkraft erinnern, so experimentiert Zisper mit der Positionierung ihrer Plastiken in den Ausstellungsräumen des Cordonhauses. Die Figuren sind so aufgestellt, dass sie den Boden nicht berühren; und wenn doch, dann kontaktieren sie ihn nur durch eine Stütze, die sich sozusagen gegen den Untergrund lehnt. Eine der Skulpturen ragt aus der Wand, eine andere schwebt von der Decke, ohne dabei viel Volumen zu beanspruchen. Dieser luftige Effekt findet sich auch in Gollubs Bildern wieder, als Konfiguration von Licht und Schatten.

Allerdings setzt Zisper bewusst eine Gegenposition, indem sie gesondert eine massivere Figur zwischen Boden und Decke „klemmt“: Die Raumhöhe der Städtischen Galerie erwies sich als optimal für eine sichere Justierung. Dass der räumliche Abstand zu Gollubs Bildern großzügig bleibt, ist der Überlegung geschuldet, wie nahe deren Farblichkeit an die Skulpturen herangelassen werden kann. Eine ganz eigene Welt voller positiver Gesten.