MZ-Serie
Fernsehen kann auch gut für Kinder sein

Die MZ setzt die erfolgreiche Erziehungsreihe fort. Diesmal geht es um den Fernseher als Freizeitbeschäftigung.

02.03.2015 | Stand 16.09.2023, 7:01 Uhr |
Ludwig Haas
Kinder dürfen fernsehen, aber Eltern müssen kontrollieren wann, was und wieviel. − Foto: dpa

„Ich schalt‘ die Glotze an, happiness, flutsch-flutsch, fun, fun, ich kann mich gar nicht entscheiden, ist alles so schön bunt hier! Ich glotz TV“, singt Nina Hagen in ihrem Song „TV Glotzer“. Diese Textzeilen zeigen bereits, warum das Fernsehen für Kinder so faszinierend ist. Es bietet Unterhaltung, Abwechslung, Spannung, tötet die Langeweile und Einsamkeit. Man kann von einer Sendung , sprich: einem Abenteuer ins andere springen, ohne das Zimmer verlassen, in die wirkliche Welt hinausgehen zu müssen. Alles ist so unkompliziert. Es macht glücklich und zufrieden für den Augenblick. Auch wenn es draußen regnet, scheint im Fernsehen die Sonne. Die Kinder können sich auch bei Schmuddelwetter zu Hause vergnügen, bringen keinen Dreck ins Haus. Das macht auch Eltern zufrieden.

SpongeBob und Deutschland sucht den Superstar

Der Fernsehkonsum von Kindern ist in den letzten 20 Jahren trotz der Zunahme von Programmangeboten relativ gleich geblieben, den letzten Studien der IZI (Internationales Zentralinstitut für Jugend-und Bildungsfernsehen) aus dem Jahre 2012 sogar leicht rückläufig.1995 lag die Sehdauer der 3 bis 13-Jährigen bei 95 Minuten, 2011 bei 93 Minuten, bei den 3 bis 5-Jährigen bei 75, den 6 bis 9-Jährigen bei 87 und den 10 bis 13-Jährigen bei 109 Minuten. Die Verweildauer lag in den jeweiligen Altersgruppen mit 139, 151 bzw 186 Minuten aber wesentlich höher. Jungen schauten mit 91 Minuten nur geringfügig weniger als Mädchen mit 94 Minuten. Auch an den Wochenenden lagen beide Geschlechter nach der Sehdauer betrachtet fast gleichauf, mit 118 Minuten am Samstag bzw 112 Minuten am Sonntag. Die beliebtesten Sendungen bei den 6 bis 9-Jährigen waren SpongeBob (22%) Cosma und Wanda (17%), Kim Possible (10%) Schloss Einstein und DSDS. Bei den 10 bis -12-Jährigen führten DSDS (21%), Die Simpsons (20%) GZSZ (11%), Schloss Einstein und GNTM die Liste an. Die Lieblingsfiguren der Vorschulkinder waren Bob der Baumeister (11.7%) SpongeBob (6.0%), Cars (4%), Barbie, Prinzessin Lillifee und die Sendung mit der Maus. Bei den Jungen lag SpongeBob mit 21 % klar vorn , bei den Mädchen Barbie mit 9.9 %.

Eine Art „Fenster der Welt“

Es wäre unfair, das Fernsehen nur zu verteufeln und ihm negative Einflüsse zu unterstellen, denn Kinder profitieren auch vom Fernsehen, vor allem seitdem es Kindersender gibt und wenn sich Eltern um die Sehgewohnheiten ihrer Kids kümmern. So kann einer Langzeitstudie aus den USA nach ein gut gemachtes Kinderprogramm die intellektuellen Lernprozesse fördern, das Kurzzeitgedächtnis und die Lesefähigkeit bei Drei-bis Fünfjährigen trainieren. „Sesamstraße-Gucker freuen sich z. B. mehr auf die Schule, erkennen Buchstaben leichter und zählen besser als andere Kinder“, fand die Medienpädagogin May Götz heraus. Auch leidet die Vorstellungskraft der Grundschulkinder nicht unter dem Fernsehen, sie können sich sogar ein beachtliches Faktenwissen aneignen. Es ist eine Art „Fenster zur Welt“, über das Kinder Dinge über die Welt erfahren. „Über das kontrollierte Fernsehen könne ein Kind genauso viel wie in der Schule lernen“, stellt gar der Hamburger Pädagogikprofessor Peter Struck fest. Sendungen wie „Willi will’s wissen“ oder „Die Sendung mit der Maus“ bewirken bei den Kindern, dass man Problemen auf den Grund gehen muss, wenn man etwas verstehen will. In Sendungen wie „Biene Maja“ oder „Thomas und seine Freunde“ erfahren Kinder etwas über soziale Gruppen wie Familie und Freunde und in „Bob der Baumeister“ über Berufsbilder. Auch kann das Fernsehen das Gefühl der Zusammengehörigkeit oder Gemeinschaft in der Familie fördern, wenn man mit Mama oder Papa zusammen die „Maus“ guckt. „Fernsehen kann dann ein schöner Moment im Familienleben sein“, stellt Maya Götz fest.

Informationen müssen verarbeitet werden

Kinderprogramme mit Qualitätscharakter verkörpern eine „heile Welt“ und vermitteln positive Werte wie Toleranz, Kompromissbereitschaft, Rücksichtnahme, Mitgefühl, Freundschaft oder Hilfsbereitschaft und bieten Anleitungen, wie Konflikte gewaltfrei gelöst werden können. Auch bieten „Kinderhelden“ wie „Wickie“ ermutigende Ansatzpunkte für Kinder und geben ihnen eine ermutigende Message mit: Nämlich, dass man auch etwas Tolles leisten kann, wenn man klein und unscheinbar ist. Erwachsene mögen über die „Teletubbies“ schmunzeln, aber für Vorschulkinder sind sie durchaus von Nutzen. Sie profitieren deshalb von solchen Sendungen, weil „dort Themen angesprochen werden, die ihrem Erfahrungsbereich entnommen sind, dem Entwicklungsstand der Kinder entsprechen, eine Sprache gesprochen wird, welche Kleinkinder auch verstehen. Sprache und Bild sind einfach gestaltet, die Handlungsabfolgen stark verlangsamt und sie werden mehrfach wiederholt“, wie der Schweizer Kinderarzt und Entwicklungspsychologe Remo H. Largo herausfand.

Wichtig ist, dass Informationen aus dem Fernsehen verarbeitet werden. Es dürfen nicht zu viele Informationen in zu schneller Reihenfolge vermittelt werden. Das Kind kann sie sonst nicht aufnehmen und wird verwirrt. Eltern müssen deshalb ihren Kindern bei der Verarbeitung des Gesehenen helfen. Positiv ist, wenn das Fernsehen ein angemessenes Bild von der Realität vermittelt, denn Vorschulkinder können kaum zwischen Wirklichkeit und Scheinwelt unterscheiden, können Werbung und Abenteuerfilme nicht einschätzen.

Vor allem im sozialen und emotionalen Bereich lernen Kinder auch durch das Fernsehen. Denn Filme regen die Kinder zur Nachahmung an. Lernen sie positive Vorbilder, Durchsetzungsformen oder Problemlösungen durch das Fernsehen kennen, werden diese auch beim Kind verstärkt. Dominieren Sendungen mit Aggression, Gewalt oder Angst, werden diese Formen gefördert. Dasselbe gilt für die Gefühlswelt der Kinder, denn alles, was sie im Fernsehen „miterleben“, was in Familien, mit Tieren, in der Umwelt so passiert, bewegt sie auch emotional. Das Fernsehen kann durchaus die emotionale Sensibilität in positiver Weise fördern, wenn die Kinder die Möglichkeit haben, diese Erlebnisse im Gespräch mit Erwachsenen zu verarbeiten. Ansonsten fühlt sich das Kind bei der Verarbeitung und Einordnung allein gelassen. Das Problem ist, dass viele Kinder stundenlang Sendungen ansehen, die für ihr Alter nicht geeignet sind. Dabei verstehen sie oft gar nicht, was sie anschauen. Sie können das Gesehene nicht einordnen in ihre Welt, aber die unverstandenen Szenen regen sie trotzdem emotionell auf.

Fernsehen ist durchaus positiv zu sehen, wenn Eltern darauf achten, dass ihre Kinder nicht wahllos, sondern gezielt und kontrolliert schauen. Eltern müssen wissen, was und wie lange die Kids täglich fernsehen, müssen entscheiden, was sie an Fernsehkonsum erlauben und wann abgeschaltet wird. Das erfordert auch von den Eltern eine gewisse Medienkompetenz.

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