Bildung
Geteilte Meinungen zum Deutsch-Lehrplan

Kompetenzen stehen im Mittelpunkt und auch Filme gelten als Texte: In Regensburg diskutierten Experten die Neuerungen.

03.03.2016 | Stand 16.09.2023, 6:56 Uhr
Louisa Knobloch
Was ändert sich mit dem neuen Lehrplan im Fach Deutsch? Darüber diskutierten Experten in Regensburg. −Foto: dpa

Kompetenzen – das war der Begriff, um den sich am Mittwochabend alles drehte. Bildungsexperten diskutierten im Regensburger Kolpinghaus überden neuen „LehrplanPlus“, der ab dem Schuljahr 2017/18 an den weiterführenden Schulen in Kraft tritt. Konkret ging es um die Veränderungen im Fach Deutsch am Gymnasium. Reinhard Schneider vom gastgebenden Bayerischen Philologenverband (bpv) sprach eingangs von einem „epochalen Paradigmenwechsel“. Mit dem neuen Lehrplan komme es zu einer „Verschiebung von der Input- zur Outputorientierung“. Im Lehrplan steht also nicht mehr, was die Schüler lernen sollen, sondern über welche Kompetenzen sie am Ende einer jeweiligen Jahrgangsstufe verfügen sollen.

Kraus fordert „Renaissance des Wissens“

Diese „Kompetenzpädagogik“ kritisierte Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, scharf. „Wir machen aus dem Deutschunterricht eine Art besseres Kompetenztraining“, wetterte er. Methodenkompetenz, narrative Kompetenz, Selbstkompetenz – insgesamt 299 Einzelkompetenzen enthalte der Lehrplan über die acht Gymnasialjahre. Hinter dieser Pädagogik stecke sehr viel Ökonomismus: „Es geht nicht um Persönlichkeit, sondern um Personal.“

Um Output zu erhalten, brauche es aber zunächst hochwertigen Input. Einer „weitgehend inhaltsleeren Vermittlung von Kompetenzen“ setzt Kraus daher ein „Gymnasium der Persönlichkeitsbildung und Kultur“ entgegen, eine „Renaissance des Wissens“. Dazu gehört für ihn auch ein Grundbestand an Werkkenntnis in Literatur und Musik.

Einführung der neuen Lehrpläne:

Von dramatischen Unterschieden zum aktuellen G8-Lehrplan könne man nicht sprechen, sagte Kurt Finkenzeller, der als Deutschlehrer Mitglied der Lehrplankommission war. Allerdings sei nun „überzeugender und stringenter durchformuliert, was Schüler am Ende einer Jahrgangsstufe beherrschen sollten“. Dabei orientiere sich der neue Lehrplan am Kompetenzmodell der von der Kultusministerkonferenz beschlossenen Bildungsstandards. Auch Anregungen von Lehrerkollegen seien eingeflossen. Die Kritik an der Output-Orientierung teilte Finkenzeller nicht: „Beim Fußball geht es doch auch darum, dass der Ball ins Tor kommt.“ Durch den kompetenzorientierten Unterricht würden die Schüler befähigt, ihre Aufgaben zu bewältigen – etwa später im Studium schwierige Texte zu lesen oder im Beruf eine Präsentation zu halten.

Experte: „Lehrplan ist ein Wunschprogramm“

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion wurde vor allem eine Neuerung diskutiert: Der LehrplanPlus sieht im Lernbereich Lesen vor, dass die Lektüre eines Buches durch die Analyse eines Films ergänzt oder – in höheren Jahrgangsstufen – sogar ersetzt werden kann. „Dieser neue Textbegriff macht mir Sorgen“, sagte Harald Kloiber, der als Seminarlehrer Deutsch Referendare ausbildet. Sowohl junge als auch erfahrene Kollegen müssten zum Thema „Film als Text“ fortgebildet werden.

Während Finkenzeller der Ansicht war, der neue Lehrplan Deutsch sei vom Umfang her „durchaus machbar“, sprach der Deutschdidaktiker Prof. Dr. Kaspar Spinner von einem „Wunschprogramm“: „Ich sehe nicht, wie man das unter den aktuellen Rahmenbedingungen leisten kann.“ Gerade auch angesichts der zunehmend heterogenen Schülerschaft forderte Kraus daher eine Offensive für den Deutschunterricht: „Deutsch ist das Querschnittsfach schlechthin, es muss bei der Stundenzahl aufgewertet werden.“

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