Aktionstag
Hilfeschrei der Seniorenheime

02.09.2022 | Stand 02.09.2022, 15:01 Uhr
Sie machen auf die prekäre Situation in Seniorenheimen aufmerksam: Stellvertretender Caritasdirektor Andreas Steppberger, Katharina Tröster, Fachreferentin in der Abteilung Pflege und Wohnen, Abteilungsleiterin für Pflege und Wohnen, Hedwig Kenkel, sowie Caritasdirektor Alfred Frank (von links). −Foto: Andrea Schödl

Während die meisten Menschen inzwischen ohne Einschränkungen durch Corona-Maßnahmen leben, herrschen in Seniorenheimen nach wie vor strenge Vorgaben. Die zusätzlichen Aufgaben verschärfen die enorme Arbeitsbelastung. Am 8. September stimmt der Bundestag über diese Maßnahmen ab – vorher protestieren Caritas-Seniorenheime mit einem Aktionstag.

Unsere Zeitung hatte bereits Mitte August über die prekäre Situation in den Heimen berichtet.Am Mittwoch – einen Tag vor der Abstimmung – wollen nun mehrere Caritas-Seniorenheime im Bistum Eichstätt die Öffentlichkeit aufrütteln. Das Heim in Berching ist dabei. Der Aktionstag betrifft auch die Bewohner und ihre Angehörigen: Denn an diesem Tag sind Besuche nur vor der Tür erlaubt.

Besuche nur von 14 bis 16 Uhr

Mit den „Besuchen vor der Tür“ schließen sich die Einrichtungen dem bundesweiten Aufruf des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) an, der die Interessen von rund 1200 Mitgliedseinrichtungen vertritt.

Als symbolisches Zeichen des Protests gegen die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes, das laut einer Pressemitteilung dem Pflegepersonal weitere bürokratische Maßnahmen abverlange, sollen Mittwoch Besuche in den Seniorenheimen nur zwischen 14 und 16 Uhr draußen vor der Tür stattfinden.

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„Mit dieser Aktion suchen wir den Schulterschluss mit den Angehörigen und Besuchern. Deshalb freuen wir uns, wenn sich viele beteiligen“, erklärt Hedwig Kenkel, die zuständige Abteilungsleiterin für stationäre und ambulante Pflege im Caritasverband.

Sie weist darauf hin, dass es vor der Eingangstür durchaus ungemütlich werden könne, weil keine Tische oder Stühle bereitgestellt werden. „Wir können unser Pflegepersonal nicht dadurch noch zusätzlich belasten.“ Gleichzeitig ruft sie die Angehörigen auf, selbst für Sitzgelegenheiten oder Verpflegung zu sorgen.

Appell von vier Heimleitern aus Landkreis Neumarkt

Vier Leiter von Caritas-Seniorenheimen im Landkreis Neumarkt wenden sich mit einem Brief an die Bundestagsabgeordnete Susanne Hierl (CSU). Dies sind Sieglinde Herrler (Neumarkt), Gerhard Binder (Berching), Norbert Bittner (Deining und Freystadt), Christopher Pohl (Dietfurt). Bisher konnten die Heime mithilfe staatlicher Zuschüsse externe Dienstleister oder zusätzliche eigene Mitarbeiter für die Corona-Schutzmaßnahmen bezahlen. Doch der Pflegerettungsschirm ist in weiten Teilen ausgelaufen. Das heißt, die Pflegekräfte müssen diese Tests, Kontrollen und Dokumentationen rund um die Corona-Maßnahmen selbst übernehmen.

Die Heimleiter rufen die Abgeordnete auf, sich für Nachbesserungen des Gesetzesentwufs einzusetzen, damit die Maßnahmen staatlich finanziert werden. „Infektionsschutz ist nicht allein Aufgabe der Pflege!“, heißt es dazu.

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Während Corona in der Mitte der Gesellschaft keine Rolle mehr zu spielen scheine, sei die Pandemie in der Pflege noch lange nicht vorbei, kritisiert Hedwig Kenkel. Noch immer bestünden in den Pflegeeinrichtungen strenge Einlasskontrollen und Maskenpflicht. Pflegekräfte müssten Testergebnisse überprüfen und die Vorgänge dokumentieren.

Kontrollen und Maskenpflicht

Das wird sich mit dem neuen Infektionsschutzgesetz, über das der Bundestag am 8.September – also einen Tag nach der Aktion – abstimmt, voraussichtlich nicht ändern. Stattdessen erwarten die Pflegeeinrichtungen, dass sie weiterhin zeitintensive und in der Bevölkerung ungeliebte Maßnahmen zum Infektionsschutz wie Einlass- oder Zertifikatskontrollen sowie die Maskenpflicht umsetzen müssen.

Bis Juni konnten die Pflegeeinrichtungen die Aufwendungen, die durch die Umsetzung der Corona-Maßnahmen entstanden, über den Pflegerettungsschirm geltend machen. Das sei durch das Auslaufen des Rettungsschirms nicht mehr möglich.

Hier erfahren Sie mehr zum geplantenCorona-Infektionsschutzgesetz.

„Auf mehr Bürokratie folgt weniger Personal und damit weniger Zeit für die Versorgung von Pflegebedürftigen“, bekräftigt Caritasdirektor Alfred Frank. Deshalb fordert er „eine Entlastung der Pflege durch die dauerhafte und sichere Refinanzierung von Corona-Schutzmaßnahmen“.

Der vorliegende Gesetzesentwurf zum Infektionsschutzgesetz müsse deshalb dahingehend verbessert werden, dass diese Maßnahmen zum Infektionsschutz grundsätzlich refinanziert werden.

Aufgrund der Pandemie sei die Langzeitpflege an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gekommen, heißt es in dem Schreiben des Caritasverbands weiter. „Die Mitarbeitenden arbeiten seit über zweieinhalb Jahren über ihr Limit hinaus“, sagt Caritasdirektor Frank. „Sie haben unzählige, sich ständige ändernde Verordnungen umgesetzt und so manche Ausnahmesituation geschultert.“

Mitarbeiter in Pflegeheimen sind erschöpft

So seien durch Corona-Infektionen und Quarantäne oder Erschöpfung sowie durch die Überarbeitung die Krankenstände überdurchschnittlich gestiegen. Diese prekäre Personalsituation werde durch den Weggang von Mitarbeitenden verschärft, die der Pflege den Rücken kehren oder durch die berufsbezogene Impfpflicht aus dem Berufsfeld herausgedrängt würden. „Dieser Trend muss umgekehrt werden“, bekräftigt Abteilungsleiterin Kenkel. „Die Pflege braucht mehr Zeit, mehr Geld, mehr Anerkennung. Infektionsschutz ist nicht allein Aufgabe der Pflege, sondern es braucht eine gesamtgesellschaftliche und politisch geförderte Solidarität.“