Austausch
In acht Partnern spiegelt sich die Welt

Mehr als der Austausch von Urkunden und Wimpeln: Regensburgs Städtepartnerschaften bringen Vorteile für jeden Bürger.

16.04.2015 | Stand 16.09.2023, 7:07 Uhr
Die Liste wird immer länger. Aberdeen, Brixen, Budavár, Clermont-Ferrand, Odessa, Pilsen, Qingdao, Tempe: Mit acht Partnerstädten steht Regensburg in regem Austausch.(1)/Stadt Regensburg (9) −Foto: Fotos: Archiv

Geteiltes Leid ist halbes Leid. Für gewöhnlich bringen Partnerschaften viele Vorteile: Partner in einer Kanzlei oder Praxis teilen sich das Risiko, Ehepartner zahlen zumindest weniger Steuern. Nur bei den Städtepartnerschaften ist das so eine Sache. Da liegen die Vorteile für den einzelnen Bürger nicht so offensichtlich auf der Hand. Die offiziellen Freundschaften kosten sogar noch Steuergelder. Im Haushaltsjahr 2015 stellt die Stadt für die Zusammenarbeit mit den Partnern 123 200 Euro zur Verfügung. In den vergangenen Jahren waren es rund 80 000 Euro. „Die Erhöhung hängt unter anderem damit zusammen, dass wir in diesem Jahr drei Partnerschaftsjubiläen feiern können“, sagt Bernadette Kastenmeier, Leiterin des Hauptamts Regensburg.

Eines davon steht auch gerade vor der Tür. Mit einem Festakt undeinem kostenlosen Jubiläumskonzert im Historischen Reichssaalfeiern Regensburg und Budavár am Samstag ihr Zehnjähriges. Regensburg ist dabei Gastgeberin für die Feierlichkeiten, zu denen aus Budavár, dem historischen Kern der ungarischen Hauptstadt Budapest, eine Delegation unter Leitung von Bürgermeister Dr. Gabór Tamas Nagy erwartet wird. Den Höhepunkt der Feierlichkeiten bildet dann ein Konzert des 1998 in Budavár gegründeten Ensembles „Ex Canto“, begleitet von dem in Regensburg lebenden Mediziner und Pfeifvirtuosen Prof. Dr. Tamás Hacki, am Samstag um 19 Uhr im Historischen Reichssaal bei freiem Eintritt.

Liste der Kultur-Projekte ist lang

Dank dieser Verbindung kommen einige Regensburger also schon einmal in den Genuss eines kostenlosen Konzerts. Überhaupt findet im kulturellen Bereich offenbar besonders viel Austausch zwischen Regensburg und seinen Partnern statt.Bei dem Opernprojekt „Brundibar“sangen schon Schüler der Sing- und Musikschule Regensburg sowie der Musikschule Pilsen gemeinsam auf der Bühne. Im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums mit Budávar findet jetzt erstmals eine Begegnung zwischen den Domspatzen und der Kodaly-Zoltan Chor- und Musikschule Budavár statt. Auch diese Sänger sollen dann bald gemeinsam auf der Bühne stehen. Musiker wie beispielsweise die Mogollan Band aus Tempe treten beim Regensburger Bürgerfest auf. Und immer wieder tun sich auch Künstler aus den Partnerstädten zu Ausstellungen zusammen, wie etwaGünther Kempf, der seine Werke gemeinsam mit französischen Künstlern im Zentrum Camille-Claudel in Clermont-Ferrand präsentierte.

Die Liste der kulturellen Projekte ist also lang. Die ersten Städtepartnerschaften wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aber aus einem ganz anderen Grund geschlossen. Sie hatten zunächst das Ziel, Vorbehalte und Ressentiments auf beiden Seiten abzubauen. Auf diese Weise sollte ein Beitrag dazu geleistet werden, mögliche Kriege unwahrscheinlicher zu machen. Die Schlagworte dazu lauteten „Aussöhnung“ und „Aufbau eines vereinten Europas“. Aberdeen war 1955 die erste Stadt, mit der Regensburg eine Partnerschaft einging. Mit Leben erfüllt wird sie heute beispielsweise durch die Projekte der Volkshochschule Regensburg und des Arts Development Teams in Aberdeen. Zuletzt wurde gemeinsam ein Buch veröffentlicht, in dem Senioren beider Städte von ihren Nachkriegserlebnissen berichten.

Den Blick über den Tellerrand wagen

Auch heute noch gehört die Völkerverständigung zu einem der Hauptziele bei den Städtepartnerschaften. „In Zeiten, in denen Menschen gegen Ausländer und Andersgläubige auf die Straße gehen,

sind Städtepartnerschaften besonders wichtig“, sagt Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. „Sie fördern auf vielfältige Weise Völkerverständigung, kulturellen Austausch und internationale Kontakte.“ Durch die Partnerstädte von Regensburg hätten schon unzählige Bürger die Gelegenheit erhalten, einen Blick über den Tellerrand zu wagen und auf unkompliziertem Weg Menschen aus anderen Städten, Ländern und Kulturkreisen kennenzulernen, sagt Wolbergs.

Als Schulleiter des Goethe-Gymnasiums und Vorsitzender des Freundeskreises Tempe – Regensburg ist Franz Feldmeier regelmäßig hautnah an den Austauschprogrammen dran. Ziel der internationalen Partnerschaften sei es, dass sich normale Leute aus den beteiligten Städten aufgrund von persönlichen Begegnungen besser kennenlernen und dann über Jahre hinweg Freundschaften pflegen. Vor allem für Schüler sei der Austausch eine sehr positive Erfahrung. „Sie lernen dabei fremde Menschen kennen und stellen dann fest, dass im Prinzip alle auf der Welt gleich sind“, sagt Feldmeier. „Man sieht das andere Land mit anderen Augen und viel intensiver.“ Auch für Praktikanten, Lehrer oder unterschiedlichste Berufsgruppen gibt es Austauschangebote.

Der Freundeskreis bezuschusst seit 33 Jahren die Flugkosten der Lehrer, Schüler und Praktikanten. Zwischen den Austauschpartnern gelte dann das Basisprinzip Homehosting, das gegenseitige Unterbringen. Eine sehr enge Beziehung besteht auch zwischen der Universität Regensburg und der Arizona State University in Tempe. Jedes Jahr kommt eine Gruppe von Studenten zum Deutschunterricht; deutsche Studenten wiederum schreiben sich für Kurse oder ganze Semester an der ASU ein.

Bis nach China reisen regelmäßig die Schüler von drei Regensburger Gymnasien. Sie nutzen den Aufenthalt in der Partnerstadt Qingdao, um die in Regensburg erworbenen Chinesischkenntnisse zu vertiefen. Im Bereich Altstadtsanierung bestehe mit dem chinesischen Partner ein intensiver Austausch auf Verwaltungsebene, heißt es vonseiten des Hauptamts Regensburg. Und eine Delegation derBrauerei Bischofshof besuchte auf ihrer Promotiontour im vergangenen August ein Bierfestival in Qingdao.

Aberdeen, Brixen, Budavár, Clermont-Ferrand, Odessa, Pilsen, Qingdao, Tempe: Unterdessen hat Regensburg acht Partnerstädte und liegt damit deutschlandweit im Mittelfeld. Laut einerDeutschlandkarte der „Zeit“hat die Domstadt damit sogar einen internationalen Freund mehr als München. Köln ist mit 21 Partnerstädten der Spitzenreiter und Ulm verzichtet zugunsten „echter Freundschaften“ gänzlich auf die offiziellen Partnerverträge.