Berufswahl
„Klischees gehören auf die Müllhalde“

37 Betriebe im Landkreis bieten Schülern zu den Aktionstagen Girls‘ Day und Boys‘ Day am 28. April 321 Plätze an.

26.04.2022 | Stand 15.09.2023, 5:46 Uhr
Ferdinand Schönberger
Teilnehmer der Gesprächsrunde: Vertreter von Betrieben, Firmen, Schulen und Verbänden mit zuständigen Mitarbeiterinnen des Landratsamts −Foto: Ferdinand Schönberger

„Es zählt, was du willst!“ steht groß auf Plakaten für die Aktionstage Girls‘ Day und Boys‘ Day, zu denen Unternehmen und Institutionen Mädchen und Jungen ab Klasse sieben am Donnerstag, 28. April, einladen. Auch im Landkreis bieten dazu 37 Betriebe insgesamt 321 Plätze an.

Im Vorfeld hatte Landrat Franz Löffler, Vorsitzender des Aktionskreises Lebens- und Wirtschaftsraum, am Montagvormittag zu einer Gesprächsrunde in den Sitzungssaal geladen.

Praktische Erfahrung machen

Er freute sich über die enorme Beteiligung an diesem Projekt. Durch den direkten Kontakt, den Austausch mit Auszubildenden und die eigene praktische Erfahrung können sich die Schülerinnen und Schüler ein Bild von Berufen machen, die noch immer vorwiegend von Frauen oder Männern ausgeübt werden. Letztlich komme es darauf an, so Löffler, dies in unserer Region optimal umzusetzen. Der Landkreis könne im Ausbildungsjahr 2020 einen Spitzenplatz bei weiblichen Azubis in Metall- und Elektroberufen vorweisen: Ihr Anteil an den Berufsschulen beträgt in den Elektroklassen 25,2 Prozent und in den Metallklassen 12,2 Prozent (bundesweit etwa 2,7 Prozent).

Zur beruflichen Bildung gaben Ingo Fröhlich für die Mittelschulen und Carola Traurig für die Realschulen Statements ab. Berufsfindung nehme einen wesentlichen Teil des Schulalltags ein. Probleme sah Fröhlich, wenn sich Schüler und Eltern wenig oder zu spät mit der Berufswahl auseinandersetzen. Traurig sprach von einem Spagat zwischen Schulbildung und Berufsorientierung.

An der Berufsschule Cham, so OStD Siegfried Zistler, werde der Aktionstag für die Bereiche Elektrotechnik/Mechatronik und Gastronomie angeboten. Anmeldungen sind über die Homepage noch möglich. Bei den Elektronikern seien 48 von 103 Schülern Mädchen, in der Gastronomie betrage der männliche Anteil 44 Prozent.

Für die Handwerkskammer gab Roland Schießl sein Angebot zum Girls‘ Day ab: Von 8 bis 16 Uhr erhalten die Teilnehmerinnen Einblicke in die Berufsfelder Bau, Elektrotechnik, Kfz-Mechatronik, Metalltechnik und Holz. Mädchen im Handwerk träfen eine sehr bewusste Berufsentscheidung mit einem festen Ziel vor Augen.

Vorurteile abbauen

Rosmarie Tragl-Kraus von der Kreishandwerkerschaft sah die Frauen in den meisten Berufen noch unterrepräsentiert. Hemmschwellen und Vorurteile müssten abgebaut werden. Für Frauen zu schwere körperliche Arbeit im Handwerk sei z. B. auch in Pflegeberufen erforderlich, andererseits durch Digitalisierung nicht mehr so entscheidend. Richard Brunner von der IHK gab die klare Botschaft aus: „Klischees gehören auf die Müllhalde!“ In den Top Ten der Berufe betrage bei den ersten fünf das Verhältnis Jungen zu Mädchen noch 10:1.

Bei den Vertretern von Betrieben (Markus Brem, Rädlinger; Thomas Wiederer, Zollner Elektronik; Josef Hauser, K+B; Jochen Geiselbrecher, BRK-Seniorenheim Waldmünchen; Alfons Weiß, Hotel Liebenstein), kam zum Ausdruck, dass manche Eltern wegen noch veralteter Berufsbilder ihr Kind nicht auf einen von ihnen gewünschten Beruf umpolen sollten. Industriebetriebe hätten sich verändert, gemischte Teams seien positiv zu sehen. Ein anschauliches Beispiel lieferte Danny Schmuderer, Azubi im Bayerwaldhof, der schilderte, wie er vom Elektroniker zu seinem Traumberuf Rezeptionist umgestiegen war.