Natur
Nationalparks wachsen zusammen

Bayerischer Wald und Šumava ist das größte Waldschutzgebiet in Mitteleuropa. Beide Parkverwaltungen arbeiten eng zusammen.

16.03.2022 | Stand 15.09.2023, 6:35 Uhr
Der Lusen ist eines der prägendsten Landschaftselemente der grenzüberschreitenden Nationalparks. Hier sieht man den 1373 Meter hohen Berg von der tschechischen Infostelle am Březník aus. −Foto: Patrick Leitner

Es wächst immer mehr zusammen, was zusammengehört. So kann man die aktuelle Kooperation der beiden Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava auf den Punkt bringen. Gerade in jüngster Vergangenheit gehen die Nachbarn in fast allen Bereichen gemeinsame Wege. Viele der bereits umgesetzten oder angestoßenen Projekte verdanken die Schutzgebiete dabei der Europäischen Union. Allein von 2017 bis 2021 gab es Förderzusagen von über 7,3 Millionen Euro aus dem Interreg-Programm, so die Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald. Doch die Zusammenarbeit geht viel tiefer, bis hin zum gemeinsamen Grundverständnis des Leitmottos „Natur Natur sein lassen“. „Gemeinsam können wir viel mehr bewegen als jeder für sich allein“, betont Nationalparkleiter Dr. Franz Leibl. „Deswegen gehören die Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava schlicht zusammen.“ „Wir haben gemeinsame Themen und gemeinsame Ziele“, sagt auch Leibls tschechischer Amtskollege Pavel Hubený. „Ein intaktes Waldökosystem benötigt nicht nur Schutz, sondern auch Größe“, unterstreicht Leibl. Nur so könne man das wertvolle Mosaik der verschiedensten Waldentwicklungsstadien erhalten – für die Wald-Biodiversität eine überlebensnotwendige Voraussetzung.

Das Wirken der Nationalparks fußt auf dem Prinzip „Natur Natur sein lassen“. So greift der Mensch auf bayerischer Seite auf circa 72 Prozent der Fläche nicht mehr in die natürliche Waldentwicklung ein. Und auch im Nationalpark Šumava ist dank der Novellierung des Naturschutzgesetzes in Tschechien dieser Anteil im Jahr 2020 auf fast 28 Prozent gestiegen. Er soll allmählich weiter ansteigen. So wurden seitdem in den naturnahen Zonen, in denen nur noch marginale menschliche Eingriffe stattfinden, weitere 5500 Hektar Wald dem Prozessschutz überlassen. Höchsten Schutzstatus genießen gerade die Hochlagen zwischen Falkenstein, Rachel und Lusen. Hier gibt es mittlerweile eine über 25.000 Hektar große gemeinsame Jagdruhezone. Grundlage für das Management der Nationalparks sind zum großen Teil wissenschaftliche Erkenntnisse über die Biodiversität beidseits der Grenze. Möglich macht das unter anderem die gute Fördersituation der Europäischen Union. Bei Gesamtkosten von knapp 8,7 Millionen Euro entspricht dies einer Förderquote von 85 Prozent. Förderungen gab es auch im Bereich der Umweltbildung, so entstand ein Kinder-Erlebnisraum und die Waldwerkstatt. Daneben beteiligen sich weitere Partner gerade am „Life for Mires“-Projekt. Dabei werden vor allem auf tschechischer Seite Moore renaturiert. Knapp 6 Millionen Euro sind dafür veranschlagt, wobei die Europäische Union 60 Prozent beisteuert.

Möglich wird all dies durch einen fest etablierten regelmäßigen bilateralen Austausch zwischen den beiden Nationalparkverwaltungen. „Für mich steht die Aufrechterhaltung dieses offenen Verhältnisses mit dem gegenseitigen Vertrauen auch in Zukunft absolut im Vordergrund“, betont Šumava-Chef Pavel Hubený. International anerkannt wird die enge Zusammenarbeit beider Parks durch das Transboundery-Zertifikat der Europarc Federation, eines von Europas wichtigsten Naturschutz-Gütesiegeln. Weil nicht nur Nationalparkbeschäftigte, sondern auch Besucher immer öfter die Grenzen überschreiten, kommt der gegenseitigen Information im Gelände eine immer höhere Bedeutung zu. Im Team präsent sind beide Nationalparkwachten auch bei Streifen, Führungen oder Tagungen. So kann zum Beispiel im Winter und Frühjahr das beidseits der Grenzen geltende Wegegebot zum Schutz der bedrohten Auerhühner effektiver kontrolliert werden. „Unser langfristiges Ziel ist es, dass sich beide Nationalparks als großes, in seiner Bedeutung unersetzliches Gebiet wilder Natur im Herzen Europas etablieren“, so die beiden Nationalparkleiter. „Nicht nur als Lebensraum seltenerer Tiere, Pflanzen und Pilze“, so Leibl, sondern, wie Hubený ergänzt, auch „als einzigartige Attraktion für Besucher und Quelle des Stolzes für Einheimische“.