Klar gezogene Linien
Neue Ausstellung im Cordonhaus würdigt Facetten zeitgenössischer Zeichnung

15.05.2023 | Stand 15.09.2023, 0:01 Uhr
Claudia Böckel
Die Kuratorinnen Anjalie Chaubal (links) und Simone Seifert präsentieren Susanne Neumanns Werk „Wald OBPF". Die Ausstellung „Zeichnung aktuell!“ läuft bis 18. Juni. Das Repertoire reicht von klassischen Techniken in Tusche, Kohle, Graphit und Pastell über Aquarell und Tempera bis hin zu Filzstift, Flammenruß, Cut-outs und bewegtem Licht. −Foto: Claudia Böckel

Schwarz ist der Oberpfälzer Wald. Und Neongrün. Jedenfalls aus Sicht der Künstlerin Susanne Neumann aus Waldsassen. Ihr neunteiliges Tableau ist ausgestellt zusammen mit Arbeiten von insgesamt 16 Künstlern und Künstlerinnen im Cordonhaus Cham.



Sie zeichnet nicht nur den Wald, sie zeichnet ihn mit Holzkohle, mit Fundstücken aus eben jenem Oberpfälzer Wald. Fragil sind ihre Zeichnungen auch, die schwarze Kohle bröselt ein wenig. Aber das ist intendiert. Der Wald verändert sich ja auch, ist anfällig für Störenfriede.

Wie unterschiedlich die Position Zeichnung sein kann, das zeigt die interessante Ausstellung, die am Wochenende im Cordonhaus Cham eröffnet wurde. Verbindendes Element fast aller Arbeiten ist die klar gezogene Linie. Linie als Spur, als Kontur, als zartes und extrem verdichtetes Geflecht, als spontane Geste oder sensible Pinselführung, als konzeptuelle Schreibzeichnung, als kinetisch erzeugte Lichtzeichnung und sogar als mittels Schnittkanten entwickeltem Bildrelief.

Extrempositionen erkennbar

Im Eingangsraum sind schon mal die Extrempositionen erkennbar. Claire Angelini, französische Künstlerin und Filmemacherin, zeichnet kleinteilig Karten einer Industrie-Landschaft, einer Mine, in der Menschen ausgebeutet wurden. Ihre Farben rouge et noir, Rot und Schwarz, setzt sie mit großer Präzision. Martin Spengler baut aus übereinander geklebten Wellpappe-Platten Architekturwelten. Seine Linien sind die Schnittkanten, mit denen er implodierende Hochhäuser herausarbeitet.

Ein Chamer Lokalmatador ist Daniel Stieglitz, international preisgekrönter Karikaturist. Er legt mit seiner dynamischen Zeichnung die „Chamer DNA“ bloß, zeigt markante Orte und Begebenheiten aus seinem und dem Leben der Chamer in einer Doppelhelix. Doppellinien sieht man bei Andreas Stetka aus Eggenfelden, in sich verschlungene Knäuel, sehr exakt gezeichnet. Streicher werden an die doppelten Ebenholzeinlagen ihres Instruments erinnert sein.

Zeichnung als Hauptmedium

Strenger im Konzept arbeitet der junge Julius Heinemann, studierter Grafiker und Buchkünstler. Ein Künstlerbuch von ihm heißt „Cronos und Kairos“, auf 504 Seiten gibt es Strichzeichnungen zum Durchblättern, dazu noch ein Video mit überarbeiteten Zeitungsseiten. Christoph Lammers macht diaphane Linienzeichnungen vorne und hinten auf Seidenpapier, choreographic drawings mit dem Titel „growing“ und meint damit: „Wenn ich zeichne, betrete ich einen Raum.“ Viele der ausgestellten Künstler und Künstlerinnen haben die Zeichnung als Hauptmedium, aber die Grenzen zu Malerei, Architektur, Fotografie oder Installation sind fließend. Auf Stetkas Doppellinien antworten bildlich die Lichtzeichnungen von Hans Schork, weiße Linien, mal scharf, mal unscharf auf schwarzem Grund.

Ana Frydman macht nahezu figurative farbige Aquarelle, Georg Tassev Voluminös-Figuratives in Zeichenkohle mit sprechenden Titeln.

Künstler auch Tschechien und der Slowakei

Werner Mally aus Tschechien arbeitet mit cut outs in Schwarz und Weiß, räumlich konzipiert, 18 Arbeiten in drei Blöcken präsentiert. Irmi Wahl aus München und Monika Pascoe Mikysková aus der Slowakei arbeiten farbig, die eine mit zarten Bleistiftzeichnungen von floralen Motiven, die andere kräftiger farbig und abstrakt, aber auch an der Natur orientiert. Sabine Effinger stellt Natur dar, verrottende Pilze auf schwarzen Tafeln, eingeschnitten ins Holz.

Und Salamander aus der Zoologischen Staatssammlung München, die sie zeichnerisch, aber mit den Mitteln des Holzstichs, also mit feinsten Farbpunkten, auf das Papier bringt. Sehr intensive Arbeiten sind das. Auch die konzeptuelle Schrift-Arbeit von Erika Wakayama besticht: auf acht Seiten steht in der sich leicht verändernden Schrift das Wort „Linksaneignung“.

Wie Installationen sind die Werke von rasso rottenfusser präsentiert: Zarte, weiß gehöhte Architekturzeichnungen der Pieve di Bono finden sich in Holzrahmen, die ihrerseits wieder Schatten werfen auf die Zeichnungen. Dazu kombiniert sind Freiflächen in Weiß und Braun, die den vierteiligen Arbeiten das nötige Gewicht verleihen.