Kunst im Leeren Beutel
Neue Ausstellung in Regensburg mit schrägen Bildern und skurrilen Ideen

05.03.2023 | Stand 15.09.2023, 1:20 Uhr
Michael Scheiner
Wird gern fotografiert: „An der Bushalte“, 2020, Serie aus 21 Einzelbildern, Acryl auf MDF . −Foto: Michael Scheiner

Insekten, Tiere, die zu mehrfacher Größe mutiert sind. Menschen, die ausschauen, als seien sie von Seuchen oder anderem Unbill entstellt worden. Gestalten mit Taucherhelmen, nackten hulk-artigen Körpern und Blähbäuchen. Es sind weder dystopische Science-Fiction-Filme, noch Horrorgeschichten denen derartige Szenarien entsprungen sind.

Es ist ein Kabinett aus schrägen Bildern, grotesken Perspektiven und höchst skurrilen Ideen, welches im ersten Stock der Städtischen Galerie im Leeren Beutel sein Lager aufgeschlagen hat. In der Reihe „Position R“ präsentiert Galerieleiter Reiner Meyer Arbeiten des in Roding geborenen Johannes Steubl.

Zur Begrüßung haben die Kuratorinnen gleich hinterm Eingang Steubls „Séance“ mit sieben reichlich exzentrischen Typen einberufen. Auf hochformatigen Tafeln sitzen sie den Betrachtenden konfrontativ im Halbrund gegenüber, die Finger auf einer Computertastatur. Die Blickrichtung geht zur großen Glastür. Aber diese Nerds mit Augen verdeckenden Stachelhelmen und Lampenschirmen sehen ihr Gegenüber nicht. In einem kurzen Text nimmt Steubl Bezug zu den spiritistischen Sitzungen, die Ende vorletzten Jahrhunderts schwer in Mode waren.

Heute beschwören moderne User über Suchmaschinen und Netzwerke die ,Stimmen’, man könnte auch sagen die ,Geister’ des Internets und saugen sich an vermeintlichen Botschaften fest. Es ist keineswegs die einzige Versammlung sonderlicher Typen und Charaktere, die Steubl mit Pinsel und Stiften zum Leben auf Papier und MDF-Platten erweckt hat.

Feine Striche

„Fickle Heroes“, etwa „Schillernde Helden“, nennt er eine Serie kleinerer Zeichnungen mit Menschen, die sich nach Vorbildern aus Mangas und Comics aufwändig verkleiden. Mit feinen Strichen, die mal dicht gepackt sind, mal weiße Flächen lassen, arbeitet Steubl die fantastischen Kostümierungen mit all ihrer Komik und Ernsthaftigkeit präzise heraus, ohne dabei die Protagonisten zu denunzieren.

Dieses Prinzip der Achtung vor seinen Geschöpfen zieht sich durch sämtliche Arbeiten und Sujets. Vom „Frosch (theatralisch)“ aus der Serie „Armes Tier“ bis zu den Physiognomien der verschrobenen „Inhabitants of Llareggub“. Diese Gesichter, die in ihrer kraftvoll düsteren Fleischlichkeit an Lovis Corinth erinnern, entwickelte der Künstler aus dem Werk „Under Milk Wood“ des walisischen Dichters Dylan Thomas. Nach ihm hat sich wahrscheinlich der amerikanische Singer-Songwriter Bob Dylan benannt.

Einen literarischen Bezug hat auch die Bilderfolge „Der Schlag ans Hoftor“ nach Franz Kafkas gleichnamiger Parabel. Steubl hat sie in Form einer klassischen Graphic Novel auf Karton gemalt. Sie windet sich um und in den kastenartigen Einbau, der den historischen Raum nicht ganz logisch gliedert. Bezüge zu und Inspirationen aus Comics, japanischen Mangas und anderen Bildergeschichten tauchen immer wieder im vielfältigen Werk Steubls auf. Ihren vergnüglichen Höhepunkt erreicht diese Form des bildnerischen Erzählens in drei Friesen. Es ist sicher kaum zu weit hergeholt, wenn man im köstlichen „Fronleichnamsfries“ eine lustvolle Kritik an Erscheinungen herausliest, welche die Menschen entindividualisiert.

Großes Spektrum an Formen

„An der Bushalte“, Beobachtungen düster-komischer Momentaufnahmen menschlichen Treibens, und die expressiv-dramatische Serie „Dreich“ mit Zeichnungen einer Schottlandreise unterstreichen das große Spektrum an Formen und Mitteln, auf die Steubl für seine figürlichen Darstellungen zugreift. Gerade in den grotesken Momenten und Ideen, düsteren Farbenwelten und sarkastischen Obsessionen ist es alles andere als leichte Kost, die der Rodinger offeriert. Manchmal drängt sich auch ein Tick arg viel Manga- und Comicperformance in den Vordergrund. Wer aber sehen will, wie ein Regiment im Stechschritt mit einer Schuhplattler-Performance kollidiert, dem sei diese prachtvolle Ausstellung bis 7. Mai ans Herz gelegt.