Würdigung
Revolution auf der Leinwand

Am 21. Februar 2022 hätte Helmut Sturm seinen 90. Geburtstag gefeiert. 1958 war er Gründungsmitglied der Künstlergruppe SPUR.

21.02.2022 | Stand 15.09.2023, 6:59 Uhr
Helmut Sturm in seinem Atelier −Foto: Veronika Sturm

Eine Betrachtung der allgemeinen Kunstentwicklung ohne Berücksichtigung der politischen und kulturellen Situation der 1950er Jahre in Deutschland würde dem Verständnis moderner Malerei und dem darauf aufbauenden Werk von Helmut Sturm (geboren 1932 Furth im Wald/gestorben 2008 München) kaum gerecht werden. Sturms Kunstschaffen verband sich sehr früh mit politischem Engagement, um sich vom Stillstand der Nachkriegszeit zu befreien. Wissbegierig interessierte er sich für die Malerei der klassischen Moderne, die er, aus Mangel an Möglichkeiten, nur aus Büchern studieren konnte. 1952 schaffte er die Aufnahme an die Akademie der Bildenden Künste in München und wechselte 1953 in die Klasse von Erich Glette, der auch seine späteren Münchner Professorenkollegen Gerd Dengler und Rudi Tröger aufnahm.

Sturm probierte sich in unterschiedlichsten Stilen, interessierte sich vor allem für internationale Strömungen und suchte den Austausch mit Künstlerkollegen. 1958 war er Gründungsmitglied der Künstlergruppe SPUR, der er mit Heimrad Prem (1934-1978), Lothar Fischer (1933-2004) und HP Zimmer (1936-1992) bis zu deren Auflösung 1965 angehörte.

Gemeinsam versuchten sie, über Ausstellungen, Aktionen und Manifeste innerhalb der Malerei eine neue Bildsprache zu etablieren. Das Ringen um die Transformation des Gegenstands wurde ohne Rücksicht auf Konventionen vorangetrieben, um sowohl die Abstraktion als auch die informelle Malerei zu überwinden. Damit waren sie ihrer Zeit voraus und legten einen Grundstein für die neue Figuration in Deutschland.

Helmut Sturms Malerei war experimentierfreudig und vielschichtig. Sein malerischer Ansatz war geprägt von intensiven Studien. Wenn Katharina Sturm, jüngst in einem Interview, das Atelier ihres Vaters als begehbare Skulptur bezeichnet, beschreibt sie sehr anschaulich die Arbeitsweise und auch den Menschen Helmut Sturm. Begeistert und leidenschaftlich lebte er mit der Kunst und für die Kunst und reiste von seinem Lebensmittelpunkt in München und Italien auch immer wieder gerne in seine Heimat im Bayerischen Wald.

In Stadt und Landkreis Cham war das Werk von Helmut Sturm bis heute in zahlreichen Ausstellungen im Museum SPUR, in Ausstellungen der Städtischen Galerie Cordonhaus Cham und an anderen Orten zu sehen. Sturms Bild „Ländlicher Konflikt (Ländliches Scharmützel)“ aus dem Jahr 1962 war neben anderen Werken des Malers zur Eröffnung des Museums SPUR 1992 zu sehen. 1998 konnte Sturms Frühwerk in der Ausstellung „Arbeiten von Helmut Sturm aus der Zeit 1958-1963“ ausgestellt werden. Zur Eröffnung sprach Dr. Pia Dornacher, Kunsthistorikerin aus München. Daneben wurden Werke von Prem, Zimmer und Fischer gezeigt.

Für großes überregionales Aufsehen sorgte die Ausstellung „Helmut Sturm. Arbeiten von 1957 bis 1999“, die vom 27. November 1999 bis 30. Januar 2000 in der Städtischen Galerie im Cordonhaus Cham, im Museum SPUR Cham und im Langhaussaal Cham gezeigt werden konnte. Die umfassende Ausstellung mit rund 70 Arbeiten wurde begleitet von der gleichnamigen Publikation, herausgegeben von Pia Dornacher und Bärbel Kleindorfer-Marx, und einer Führung mit Helmut Sturm und dem Publizisten Ottmar Bergmann.

Ab Februar 2012 veranstaltete das Museum SPUR mit fünf weiteren Orten im Landkreis Cham anlässlich des 80. Geburtstages von Helmut Sturm eine gemeinsame Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe. Daran beteiligt waren die Stadt Cham, die Stadt Furth im Wald mit dem Verein FREIRAUM, die Galerie im Woferlhof in Wettzell und der Kunstpavillon Stachesried.

Das Chamer Museum SPUR zeigte 2015 unter dem Titel „Helmut Sturm 1964/65 – Arbeiten auf Leinwand und Papier“ Werke des Künstlers aus dem letzten Jahr der Gruppe SPUR. Neben weiteren Präsentationen im Rahmen von Gruppenausstellungen, waren im Museum SPUR 2019 „Helmut Sturm – Paris 1958“ und 2020 „Lothar Fischer und Helmut Sturm – Frühe Arbeiten auf Papier“ zu betrachten. Die Galerie im Woferlhof in Wettzell widmete Helmut Sturm zahlreiche Ausstellungen.

Veröffentlichungen zu Helmut Sturm sind erhältlich im Cordonhaus und im Museum SPUR Cham: Pia Dornacher, Bärbel Kleindorfer-Marx (Hg.): Helmut Sturm. Arbeiten von 1957 bis 1999. Köln 1999; Helmut Sturm. Spielfelder der Wirklichkeit; Katalog der Ausstellungen 2020/2021 in der Kunsthalle Emden, im Museum Lothar Fischer, Neumarkt i.d. OPf. und im Kunstmuseum Ravensburg

Zu seinem 90. Geburtstag präsentiert die Galerie im Woferlhof in Wettzell eine umfangreiche Gedächtnisausstellung, die rund 60 Werke aus den Jahren 1989 bis 2006 zeigt. Die Galerie war eng mit dem Künstler verbunden. Viele Werke – so auch für die letzte Ausstellung 2006, die er noch mitkonzipierte – hat Helmut Sturm extra für die Ausstellung in Wettzell gemalt. Die Aussstelung von 5. März bis 2. Oktober wird am 5. März von Anjalie Chaubal eröffnet.

Der Verein Freiraum Furth im Wald wird zum Themenjahr einen Realisierungsversuch Helmut-Sturm-Raum im ehemaligen Amtsgericht wagen sowie in vier Schaufenstern am Bayplatz 6 (Ehemals Modehaus Sturm) und in der Raiffeisenbank Furth im Wald.

Vorträge, Film-Screening „Gruppe SPUR – Die Maler der Zukunft!“ (2019, Regie Sabine Zimmer), Kulturausflüge zu Ausstellungen Sturms in der Region und in München sind geplant. Ganzjährig zugänglich ist die Dauerausstellung im Kunstpavillon Stachesried. Neben den Werken von Sturm sind dort Werke von Annegret Hoch, Peter Wayne Lewis, Stuart Diamond, Michael Rittstein, Pavel Roucka zu sehen, ermöglicht durch den Kulturförderkreis Eschlkam.