Jagd
Thiergarten: Die „Sauerei“ mit den Sauen

Tote Schweine, in eine Grube geworfen, junge, alte, Köpfe: Eine Wanderin ist entsetzt über den Fund im Fürstlichen Wald.

04.03.2011 | Stand 16.09.2023, 21:08 Uhr
Heinz Klein

Sulzbach/Regensburg.Sie liebt die Natur und ganz besonders den Wald im Fürstlichen Thiergarten. Auch seine Bewohner mag die Studentin Sylvia (Nachname der Redaktion bekannt), sogar die Respekt einflößenden Wildschweine. Im Sommer fand sie einen Frischling, der in ein tiefes Loch gefallen war und dort festsaß. Natürlich holte sie Hilfe. Doch beim Schwammerlsuchen mit Freund Floh und ihrer kleinen Tochter Marie fand die 32-Jährige ein noch größeres Loch mit Wildschweinen. Denen war aber nicht mehr zu helfen. Unter- und übereinanderlagen sie da, große und kleine tote Sauen, blutverschmiert und aufgeschlitzt oder ganz und gar unversehrt, daneben abgetrennte Köpfe und blanke Kieferknochen, erzählt die Studentin Sylvia. Immer wieder ging sie seitdem zu dieser Stelle, fand immer wieder neue Kadaver und fragte sich: „Was tun die da mit den Wildschweinen?“ „Ich bin auch hingegangen, um ein bisschen Mitleid und Hoffnung für die Tiere in den Wald zu tragen“, sagt die tierliebe junge Frau. Doch dann hat sie beschlossen: „Jetzt gehe ich zur Zeitung und zur Polizei!“

Die dunkle Kehrseite der Medaille?

Am Donnerstag führte sie die MZ zur Saugrube im Thiergarten. Dort bot sich in der Tat ein grausiger Anblick. Die Zahl der in der etwa fünf Meter langen und drei Meter breiten Grube liegenden Kadaver ist schwer zu bestimmen. Aus dem Eis am Grubenboden ragen an mehreren Stellen die Buckel von Wildschweinen heraus, einige Kadaver liegen offen da, dazwischen blanke Kieferknochen. Eine inzwischen verfüllte Grube nebenan diente wohl dem gleichen Zweck, der Entsorgung von Wildschweinkadavern. Lange, blanke Kieferknochen ragen noch aus dem Sand.

Im nächsten Jahr feiert der Thiergarten des Fürstlichen Hauses Thurn und Taxis sein 200-jähriges Bestehen. Ungezählte große Jagden fanden hier statt. Glanzvolle Jagdgesellschaften frönten in diesen Wäldern der Jagdleidenschaft. Alles, was Rang und Namen hat in Europas feinsten Adelshäusern, gab sich hier schon ein Stelldichein. Ist der trostlose Anblick in der Saugrube dann die dunkle Kehrseite der glanzvollen Medaille?

Suche nach angeschossenem Wild

Jeden Herbst und Winter gibt es drei Drückjagden (Treibjagden) im „Saugatter“, einem etwa 800 Hektar großen extra eingezäunten Bereich im fast 10000 Hektar umfassenden Thiergarten, informiert Hans-Peter Fritzsche, der Betriebsleiter der Fürstlichen Forstverwaltung, auf Anfrage der MZ. Die Jagdgäste kommen auf Einladung des Fürstlichen Hauses. Das seien in der Regel erfahrene Jäger, sagt der Forstchef. Wenn jemand wirklich erstmals an solch einer Treibjagd teilnehme, bekomme er einen erfahrenen Waidmann an die Seite gestellt. Trotzdem komme es bei der Schnelligkeit der aufgescheuchten Wildschweine natürlich immer wieder zu Fehlschüssen und dazu, dass Tiere angeschossen werden und waidwund flüchten. Dann wird unmittelbar nach der Jagd eine Nachsuche mit Hunden veranstaltet, notfalls am nächsten Tag eine weitere. Verendete Sauen, die tags darauf oder auch später gefunden werden, können nicht mehr als Lebensmittel verwendet werden und werden dann in der Grube entsorgt. Ebenso alte oder kranke Wildschweine, die verendet aufgefunden werden.

Auch für die blanken Kieferknochen hat Hans-Peter Fritzsche eine Erklärung. Die hauerartigen Eckzähne der Schwarzkittel, in der Jagdsprache „Waffen“ genannt, gelten als beliebte Jagdtrophäen, die den Jagdgästen mitgegeben werden. Um sie zu gewinnen, werden die Rüssel abgeschnitten und ausgekocht. Die blanken Kieferknochen landen dann auch in der Grube.

Bei Karl Frank, dem Leiter der Unteren Jagdbehörde am Landratsamt Regensburg, wecken die Schilderungen der Studentin Interesse. „Das hab ich noch nicht erlebt so“, sagt Karl Frank, der der Sache auf jeden Fall nachgehen will. Zumindest müssten die Kadaver mit Erde abgedeckt sein. Ob bei dieser Menge von toten Tieren ein Verstoß gegen das Tierkörperbeseitigungsgesetz vorliege, sei noch zu prüfen. Immerhin werde dort in Paragraf 5 frei lebendes Wild von der Entsorgungspflicht in einer Tierkörperbeseitigungsanlage ausgenommen.