Brauchtum
Trachtenverein geht die Jugend verloren

Der neue Vorsitzende von Stamm Regenstauf, Tobias Lehner, ist mit 25 Jahren der Jüngste. Er kämpft jetzt um seinen Verein.

09.02.2016 | Stand 16.09.2023, 6:59 Uhr
Martina Schaeffer
Brauchtum und Heimatverbundenheit werden im Trachtenverein Stamm Regenstauf gemeinsam hochgehalten. −Foto: Archivfotos: Trachtenverein

Tobias Lehner ist neuer Vorsitzender des Trachtenvereins Stamm Regenstauf. Und der 25-Jährige, von Kindheit an mit seinem Verein verwachsen, kämpft nun um dessen Bestand. Denn: Die Jugend ist dem Traditionsverein abhanden gekommen. 130 Mitglieder zählt er, davon 15 Aktive. Und Jugendliche gibt es zur Zeit gar keine mehr. „Ich bin der Jüngste“, sagt Lehner.

Vor drei Jahren war das noch ganz anders. Da hatte Stamm Regenstauf noch seine Jugendgruppen. Es wurde gemeinsam musiziert und geplattelt, es wurde gemeinsam gebastelt und ins Zeltlager gefahren. Doch das hat sich in den letzten Jahren auseinandergelaufen, schildert Lehner, der seine Tracht, den bayerischen Dialekt – während seiner eigenen Schulzeit noch verpönt – selbst ganz bewusst und stolz pflegt.

Heute zu viel Konkurrenz

Die Gründe für den Schwund, mit denen der Trachtenverein schon länger zu kämpfen hat, weiß der 25-Jährige auch schnell zu benennen: Die Jugendlichen seien heute zum einen schulisch stark belastet, zum anderen machen die vielfältigen Freizeitmöglichkeiten dem Vereinsangebot Konkurrenz. „Das ist der gesellschaftliche Wandel“, meint Lehner.

Alle Vereine hätten inzwischen mit Nachwuchsmangel zu kämpfen. Und auch der Heimat- und Volkstrachtenverein Stamm blieb davon nicht verschont. Und nun sieht es so aus, als würde dem Verein, der seit immerhin 86 Jahren besteht – „ein ganzes Menschenleben“, sagt Lehner – die Zukunft wegbrechen. Der Nachwuchs fehlt.

Stück Tradition bricht weg

Damit allerdings bricht auch ein Stück gelebtes Brauchtum in Regenstauf ein. Denn ohne Mitglieder wird es mit den Auftritten bei Vereinsabenden oder Festen, dem Schuhplatteln, den Volkstänzen schwieriger, meint Lehner, selber Schuhplattler, begeisterter Volksmusikant und seit kurzem auch Kreisvolksmusik- beziehungsweise Kreisheimatpfleger, ein wenig bedauernd. Den Trachtenkirta Am Anger gibt es beispielsweise schon seit fünf Jahren nicht mehr. „Es fehlen die Mitglieder“, erklärt Lehner schlicht.

Das will der 25-Jährige ändern, betreibt nun gezielt Nachwuchswerbung. So soll es beispielsweise am 20. Februar, 14 Uhr, einen Jugendinformationsnachmittag im Regenstaufer Kulturhaus, Hauptstraße 34, geben. Und Lehner nennt viele Vorzüge des Trachtenvereins: „Der Trachtenverein ist ein Familienverein.“ Von Kind an bis ins höchste Alter seien Mitglieder willkommen.

Geselligkeit, gemeinsame Freizeit werde großgeschrieben. Es gibt Vereinsabende, gemeinsame Ausflüge, Veranstaltungen anderer Vereine werden besucht. Eventuell soll auch ein Volkstanzkurs angeboten werden. Oder gemeinsames Musizieren. „Umso mehr Leute es sind, umso mehr macht das ganze Spaß“, weiß der neue Vorsitzende von Stamm Regenstauf.

„Umso mehr Leute es sind, umso mehr macht das ganze Spaß.“ Tobias Lehner

Lederhose verschwand fast

Die Wurzeln der Heimat- und Volkstrachtenbewegung reichten bis ins 19. Jahrhundert, erklärt er. 1883 sei der erste Trachtenverein in Bayerisch Zell gegründet worden. Der Anlass: Die kurze Lederhose war am Verschwinden.Oberlehrer Vogl wollte das verhindern und hat mit seiner Vereinsgründung schließlich die Trachtenbewegung so richtig in Gang gesetzt.

Für Tobias Lehner ist diese Bewegung nach wie vor hochaktuell und kein bisschen altbacken:„Das Brauchtum kommt wieder mehr“, ist der Vorsitzende von Stamm Regenstauf sich sicher.

Das sei auch für die Jugend interessant, meint der 25-Jährige. Lederhose und Tracht würden wieder gerne getragen. Auch Blasmusik sei wieder im Kommen. So fülle beispielsweise die Kapelle Josef Menzl auf der Dult locker das Trachtenzelt mit Besuchern. „Das verkörpert ein Stück Heimat“, meint der 25-Jährige. Er selbst spricht Dialekt aus Überzeugung. „Des is die Visit’nkort’n, wo mer herkimmt“.

Mensch braucht Wurzeln

Und auch das betont Lehner ganz selbstbewusst: „I bin a Rengstaffer, i bin a Oberpfälzer.“ Gerade in der schnelllebigen Zeit brauche der Mensch seine Wurzeln, genau wie ein Baum tiefe Wurzeln brauche, um sich entfalten zu können.

Lehner selbst wurzelt tief in seinem Verein. Er wurde quasi hineingeboren. Seine Mutter Doris war selbst von Kindesbeinen an dabei, ihr Großvater Johann Senft, selbst 62 Jahre lang aktiv, war 26 Jahre lang Vorsitzender und ihr Vater Hans Senft junior war Vorplattler und Fähnrich und ebenfalls 65 Jahre aktiv. Den Vorsitz des Traditionsvereins hat der junge Vorsitzende nun von seinem eigenen Vater, Karl Lehner, der ihn in den letzten zehn Jahren innehatte, übernommen.

Schon als Kind dabei

Tobias Lehner ist mit seinem Verein eng verwachsen: Schon mit einem Dreiviertel Jahr war er bei Festen dabei, im Kinderwagen. Schon damals trug er Lederhose, eine ganz kleine.

Und: Der 25-Jährige kennt sich mit dem Trachtenwesen, der Kleiderordnung gut aus. Bei Stamm Regenstauf wird neben der Miersbacher Gebirgstracht vor allem die erneuerte Regenstaufer Volkstracht getragen, alten Vorbildern angepasst. Statt des ursprünglich üblichen „Gehstnoche“, einem Gehrock, der bis zu den Knien reichte, ist heute die Joppe aktuell und statt der Stiefel die Kniebundhosen. „Am wichtigsten aber ist der Hut“, sagt er und zeigt stolz auf seinen, aktuell gerade mit einer Schlangenreiher-Feder geschmückt.

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