Entwicklungshilfe
Trotz Terror: Kirchmann-Stiftung aus Abensberg gibt nicht auf

17.12.2022 | Stand 15.09.2023, 2:27 Uhr |
Die Schüler in Sina Gali freuen sich über ihre Schulbücher − Foto: Kirchmann

Das Umfeld, in dem die Kirchmann-Stiftung aus Abensberg (Landkreis Kelheim) in Afrika aktiv ist, wird immer schwieriger. Terror in Burkina Faso macht die Arbeit nicht einfacher. Aber die Erfolge spornen an.

Krieg in Europa, Energiekrise in Deutschland - Afrika rückt hierzulande derzeit etwas aus dem Fokus. Manche Länder sind oft nur dann eine Randnotiz wert, wenn es einen Staatsstreich oder Terror gibt. Nicht so bei der Kirchmann-Stiftung aus Abensberg, die sich seit mehr als zehn Jahren in Burkina Faso, in Nigeria und in Mauretanien engagiert - mit viel Unterstützung aus Abensberg. Im Interview mit der Mittelbayerischen erklären die Stiftungsvorstände Felicitas und Hanns-Peter Kirchmann, warum das Engagement dort wichtig ist.

Warum engagiert sich die Kirchmann-Stiftung ausgerechnet in Afrika?

Hanns-Peter Kirchmann:Weil in Afrika die Zukunft Europas liegt. Mehr als im fernen Asien oder Amerika.

Sie kommen gerade aus Burkina Faso zurück. Das einst friedliche Land rückt immer wieder in die Schlagzeilen mit Staatsstreichen und Terror. Worum geht es?

Hanns-Peter Kirchmann:Rund 40 Prozent des Staatsgebietes sind in der Hand von Islamisten und deren Randgruppen. Um Religion geht es dabei kaum, sondern darum, die Wege für den Menschenhandel und den Weg von Rauschgift durch das Land in Richtung Elfenbeinküste an die Häfen des Atlantiks freizumachen.

Wie wirkt sich das auf die Arbeit der Kirchmann-Stiftung aus?

Hanns-Peter Kirchmann:Es gibt kaum mehr Weiße in Burkina Faso und die Botschaften tun ihren Teil dazu, dass auch keiner mehr kommen will, so eindringlich warnen sie vor Reisen dorthin. Wir selbst hatten die Projektreise heuer zwei Mal verschoben. Selbst große Hilfsorganisationen ziehen sich zurück oder verlieren ihre Geldgeber. Eigentlich genau das, was die Terroristen wollen. Umso leichter können sie so junge verzweifelte Menschen für sich gewinnen.

Wie geht es mit der Stiftung vor Ort weiter?

Hanns-Peter Kirchmann:Wir geben nicht auf und das zahlt sich aus, wie wir jetzt vor Ort gesehen haben. Das Hygiene- und Müllentsorgungsprojekt in Serekeni macht Fortschritte. Das einst so schmutzige Dorf präsentiert sich sauber, es gibt Müllbehälter, Komposthaufen für über 260 Haushalte, eine Deponie mit Mülltrennungseinheiten und eine stolze Müll-Brigade

Felicitas Kirchmann:Die Frauen berichten, dass es im Dorf viel weniger Mücken gibt. Der Leiter der örtlichen Gesundheitsstation berichtet, dass die Anzahl von Typhus- und schweren Durchfallerkrankungen zurückgegangen sei. Das Projekt soll Ende März 2023 endgültig abgeschlossen sein. Aber neue Baustellen haben sich aufgetan, in drei von fünf Schulen gibt es kein Wasser und keine Latrinen, auch für die Mülldeponie muss noch ein Brunnen gebohrt werden. Alles auf einmal geht eben nicht.

Blicken wir nach Koudougou, 500 Kilometer östlich von Serekeni. Dort haben viele Abensberger Patenkinder. Wie ist die Situation dort?

Felicitas Kirchmann:Den Kindern geht es sehr gut, die beiden ältesten Mädchen haben nicht nur ein gutes Abitur gemacht, sondern auch Studienplätze in Bobo Dioulasso und Ouagadougou bekommen, wo sie Landwirtschaft und Zahnchirurgie studieren.

Die Stiftung engagiert sich hier auch für sehbehinderte Kinder.

Felicitas Kirchmann:Unsere nächste Aufgabe wird es sein, Gasteltern für sehbehinderte Kinder zu finden, 13 an der Zahl, die eine entsprechende Einrichtung in Koudougou besuchen. Die Gasteltern sollten in der unmittelbaren Nähe der Schule leben. Denn auf dem Schulweg aus den Dörfern zur Schule sind in diesem Jahr bereits zwei Kinder verunglückt.

Hanns-Peter Kirchmann:Am Krankenhaus des Bistums - vielleicht erinnern sich einige, dass Bischof Ouedraogo vor Jahren auch in Abensberg zu Besuch war - wird im Moment eine Station für Augenheilkunde nach dem Konzept und Plänen der Stiftung errichtet, finanziert von Missio München. Und im kommenden Jahr will die Stiftung auf Bitten der Caritas eine Tagesstätte für behinderte Kinder errichten.

Warum eine Tagesstätte?

Hanns-Peter Kirchmann:Ein schwerbehindertes Kind ist in Afrika nach wie vor in jedem Fall ein Last, wird oft als eine Strafe angesehen.

Felicitas Kirchmann:Meistens verlassen die Väter dann die Familien, weil sie das Gefühl haben, die Mütter sind nur noch für dieses Kind da und stürzen somit die ganze Familie noch mehr ins Elend. Wenn das Kind aber stundenweise untergebracht ist, können die Eltern einer Arbeit nachgehen. Oft kann man bei den Kindern bestimmte Fähigkeiten fördern und so viel Aufbauhilfe für die Zukunft leisten.

Was gibt es Neues aus Sina Gali, dem Projekt der Stiftung im Norden Nigerias?

Felicitas Kirchman:Auch hier gibt es gute Nachrichten. Endlich sind die Schulbücher angekommen. Bisher hatten in der Schule höchstens der Lehrer und eventuell zwei Kinder ein Schulbuch. Dank einer großzügigen Spende konnten nun Bücher für all 700 Kinder bestellt werden, die Stiftung besorgte noch Computer für die Lehrer, Schreibmaterial, Hefte und andere Lehrmittel. Jetzt muss die Schule erweitert werden. Dazu kommen noch Toiletten.

Hanns-Peter Kirchmann:Aber die Leute vor Ort sind verbittert. Eigentlich wäre das Staatsaufgabe, aber die Hauptstadt ist weit und der Weg in den Norden lang und unsicher.

Blicken wir nach Mauretanien: In Atar, einer Stadt mitten in der Wüste, hat die Stiftung in jahrelanger Arbeit eine Förderschule entwickelt.

Felicitas Kirchmann:Dort geht alles seinen Gang. Gerne wollen wir die berufliche Bildung mehr ausbauen, aber Atar ist auch für die einheimischen Fachkräfte offenbar nicht attraktiv.

Hanns-Peter Kirchmann:Es ist sehr schwer, gutes Personal zu finden, oft es es unerträglich heiß, die Hauptstadt fast 450 Kilometer entfernt. Mit Hilfe des Pfarrers vor Ort will die Stiftung trotzdem im nächsten Jahr versuchen, die Berufsförderung für Schneider und Schneiderinnen und Hauswirtschafter auf die Beine zu stellen.

Die Arbeit geht Ihnen offenbar auch in Zukunft nicht aus.

Hanns-Peter Kirchmann:Das Gegenteil ist der Fall. In unseren Partnerländern ist heuer Vieles noch komplizierter geworden. Wer hätte gedacht, dass zu allen Corona-Widrigkeiten nun tatsächlich auch noch ein Krieg auf europäischen Boden kommen würde. Mangels kontinuierlicher Spenden sind viele Projekte gestoppt, wegen großer Sicherheitsbedenken viele Mitarbeiter der gemeinnützigen Organisationen abgezogen worden. Mit einem Wort: Die Not ist keinesfalls kleiner geworden. Im Gegenteil.

Aktuell läuft wieder die Weihnachtsspendenaktion der Stiftung:

Zum dritten Mal hat die Kirchmann-Stiftung ihre Weihnachtsaktion aufgelegt und bittet um Spenden für die Menschen in Burkina Faso, in Nigeria und Mauretanien. Dabei geht es nicht, wie an Weihnachten bei uns, um Geschenke sondern um eine kleine Unterstützung, um die Herausforderungen des Alltags zu meisten.

Comfort Tari beispielsweise aus Sina Gali in Nordnigeria wünscht sich eine gebrauchte Nähmaschine, mit der sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen will. Sarifatou Kabré aus Koudougou (Burkina Faso) studiert und braucht einen Computer. Familie Rama aus Atar (Mauretanien) wünscht sich Decken und vor allem Lebensmittel

Auf ihrer Internet-Seite stellt die Stiftung 24 Schicksale aus ihren Projektgebieten vor. Wer helfen will findet nähere Angaben zur Weihnachtsaktion auf der Internet-Seite der Stiftung:www.stiftung-kirchmann.deFelicitas und Hanns-Peter Kirchmann versichern, dass die Spenden ohne jeden Abzug ankommen. Die Stiftung kauft das „Geschenk“ vor Ort und übergibt es im Namen der Spender.

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