Ensemble
Vier Künstler auf Karrieresprung

Die Neuen am Theater stehen noch fast am Anfang – und sind schon verblüffend erfolgreich. Wir stellen die jungen Talente vor.

30.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:45 Uhr
Vier neue Talente fürs Theater: Louisa Poletti, Angelo Pollak, Sebastian M. Winkler und Verena Maria Bauer (von links) −Foto: Julia Zitzelsperger

Theater ist ein Kommen und Gehen. Engagements sind normalerweise eine Sache auf Zeit und der Wechsel das Beständigste in einem Ensemble. Am Theater Regensburg sind zu Saisonauftakt vier junge Talente zum Team gestoßen: Tänzerin Louisa Poletti, Sänger Angelo Pollak und die beiden Schauspieler Verena Maria Bauer und Sebastian M. Winkler. Alle Vier sind noch ziemlich jung, sehr frisch und schon verblüffend erfolgreich. Und alle Vier sind sich einig: Regensburg ist wunderbar.

Winkler ist sozusagen ein „alter Neuer“. Er hat jetzt ein festes Engagement in Regensburg, wirklich neu ist er dem hiesigen Publikum aber nicht. Der 34-Jährige hing in der vergangenen Spielzeit als Jesus in „Krach im Hause Gott“ am Kreuz (das Stück läuft diese Saison weiter), spielte in „Die lächerliche Finsternis“, wechselte durch diverse Rollen in „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, steht aktuell in „Hamlet“ als Laertes auf der Bühne und wird in „The Producer“ zu erleben sein.

Auf der Bühne, vor der Kamera

Seinen Schliff holte sich Winkler an der Bayerischen Theaterakademie und am Mozarteum Salzburg. Praktische Erfahrungen sammelte er unter anderem in Stuttgart, am Münchner Residenz- und am Gärtnerplatz-Theater. 2013 holte er den Nachwuchspreis der Luisenburg-Festspiele.

Der schlagfertige Münchner mit der langen dunklen Mähne ist ein Freigeist, Wurzeln schlägt er nicht so leicht, aber Regensburg ist „ein Ort, an dem es mir richtig gut geht“. „Das ist die nördlichste Stadt Italiens – auch wenn die Münchner diesen Titel für sich beanspruchen.“ So hat er den Wohnwagen an der Donau, in dem er 2015 zeitweise campierte, getauscht gegen eine eigene Bleibe in der Stadt.

Der Schauspieler fühlt sich zu verschiedenen Genres hingezogen. Er steht immer wieder für ARD- und ZDF-Produktionen vor der Kamera, für Serien wie „Die Rosenheim Cops“ und „Heiter bis tödlich“. Er lebte von 2010 bis 2014 mit „Mörd“ seinen Hang zu groteskem Kabarett aus. Und kann auf eine beachtliche Liste von Kino-Produktionen verweisen, fast ausnahmslos Kurzfilme der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) München. In „Teasing“ (2012, HFF) stand er sogar für Legende Michael Ballhaus vor der Kamera. „Eigentlich sollten das nur Sequenzen für einen Seminarfilm zum Thema Erotik werden – aber Ballhaus fand die Sache so gut, dass ein Kurzfilm daraus wurde.“

Wo die Reise langfristig für ihn hingeht – Bühne, Kino, TV, Kabarett? „Ich hoffe, ich kann möglichst viele Dinge parallel umsetzen. Aber jetzt“, witzelt Winkler, „hat sich ja erst mal die Schlinge am Theater hier zugezogen.“

Die vier Neuen stellen sich vor: Sehen Sie hier ein Video.

Verena Maria Bauer sprang in Regensburg ins kalte Wasser: Das erste feste Engagement nach der Ausbildung am Konservatorium Wien – und dann gleich eine tragende Rolle in „Hamlet“, bei der Premiere zum Saisonauftakt, auf die natürlich das ganze theateraffine Regensburg schaut. „Das war sehr aufregend“, gesteht sie im Rückblick, „aber: gut aufregend“.Für ihre sehr überzeugende und vielschichtige „Ophelia“erhielt die 25-Jährige, die sich im Gespräch zurücknimmt und im Vergleich zu Temperamentsbündel Winkler einen Tick scheu wirkt, langen, warmen Applaus.

Die blutjunge Schauspielerin mit den Modigliani-Augen kann schon einiges an Meriten und Erfahrung vorweisen. Sie wirkte an diversen Kurzfilmen mit. Für die Wiener Festwochen entwickelte sie – als Autorin und Regisseurin – das Stück „Zwischen Dazwischen“. 2015 und 2016 gewann sie mit ihren Projekten den Fidelio-Wettbewerb zur Förderung junger Künstler. An Regensburg interessierte die gebürtige Ingolstädterin das Mehrspartenhaus, mit der Chance zum interdisziplinären Arbeiten. Und: „In Wien hab’ ich gemerkt, dass es mich wieder nach Bayern zieht.“

Von „down under“ an die Donau

Die Heimat von Louisa Poletti liegt einen halben Erdball entfernt. Die 26- Jährige stammt aus Australien und verdiente sich an der Melbourne Ballet Company die ersten Sporen. „Down under“ biete Tänzern nicht sehr viele Möglichkeiten, deshalb wechselte Poletti 2009 nach London zum European Ballet, dann in die USA und wieder zurück, nach Sydney, an die Opera Australia, bis sie 2012 in Deutschland ankam, in Bremerhaven und Zwickau.

Regensburg lockte die zarte Künstlerin mit den dichten blonden Stopsellocken aus zwei Gründen: Stücke von Yuki Mori, Regensburgs Chef der Sparte Tanz, die sie auf Youtube sah, faszinierten sie: „Cool!“ Poletti tanzt nicht nur, sie tastet sich auch an die Rolle als Choreografin heran: Im Juli 2016 präsentierte sie eine eigene Schöpfung in Korea, vor internationalem Publikum. In Regensburg will sie die Choreografie im Blick behalten, etwa im Rahmen des Formats „Tanz!Fabrik!“. Ein zweiter Grund, der für Regensburg sprach: Bei einem privaten Besuch 2009 fand sie die Stadt so schön, dass sie ein wenig davon träumte, einmal hier zu leben. „Und jetzt, sieben Jahre später, wird das Wirklichkeit – wundervoll!“

Ein Überflieger aus Wien

Der vierte im Bund der Neuen ist Angelo Pollak aus Wien. Er ist preisgekrönter Cellist und Pianist – und in Regensburg als Tenor engagiert. Der 27-Jährige ist ein Überflieger. Als Knirps von sechs Jahren wurde er ins Hochbegabten-Förderprogramm der Musikuniversität Wien aufgenommen. Der junge Musiker gastierte in Spitzenhäusern und gewann elf Mal den 1. Preis beim Prima la Musica-Wettbewerb, wohlgemerkt: an beiden Instrumenten, an Cello und Klavier.

Heute singt Pollak. Wie kam der Wechsel? „Am Cello bist du immer allein.“ Nach Jahren voller Proben hatte Pollak erst mal genug. Er saß schon im Wirtschaftsstudium („das war langweilig“), als ihn seine Schwester Fiona, selbst eine preisgekrönte Instrumentalistin, zu einem Vorsingen animierte. Die Gesangsprofessorin war von seinem stimmlichen Potenzial so überrascht wie ihr Schüler selbst.

Inzwischen hatte der Tenor Auftritte an der Wiener Staatsoper und bei den Salzburger Festspielen (Young Singer Project). Er hat Erfahrungen gesammelt und Preise abgeräumt, auch zusammen mit seiner Schwester als Begleiterin am Klavier.Die Regensburger erleben ihn in dieser Spielzeit unter anderem in „Carmen“und in „Martha“ (Premiere: 29. Oktober).

Angelo Pollak hat sich ein straffes Programm vorgenommen: Er wird eine Konzerttournee durch Schweden mitgestalten, mehrere Liederabende mit Kammersänger Robert Holl geben und mit Starpianist Andràs Schiff zusammenarbeiten. Außerdem stehen 2017 zwei Wettbewerbe im Kalender. Ist das nicht ein bisschen viel? Pollak findet das Pensum okay: „Man muss schauen, dass man weiter kommt.“

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