Garten
Vorsicht Falle: Exotische Schlauchpflanzen

Pflanzen dienen Tieren als Nahrung - aber nur in der Regel. Denn manche können den Spieß auch umdrehen.

12.05.2011 | Stand 12.05.2011, 10:50 Uhr

Stuttgart.Ihre Blätter haben sich zu hohlen Schläuchen eingedreht. Zum Grund hin verengen sie sich, oben bleiben sie einladend offen und locken mit betörenden Farben und süßem Nektar Insekten an. Das ist die Falle der Schlauchpflanzen (Sarracenia). In ihre Blätter fällt „so ziemlich alles, was rein passt“, erläutert Diether Gotthardt, Technischer Leiter des Botanischen Gartens der Universität Stuttgart in Hohenheim.

Die Insekten kommen nicht wieder hoch, denn feinste, abwärts gerichtete Haare im oberen Teil des Tunnels halten sie unten. „Hierein werden von den Pflanzen Verdauungsenzyme abgegeben, die auch im menschlichen Magen vorkommen“, sagt der Züchter und Buchautor Thomas Carow. Bakterien unterstützen den Zersetzungsvorgang.

Die durch ihre Formen im heimischen Garten auffallenden Schlauchpflanzen sind recht effektive Todesfallen. Carow berichtet, dass im Sommer die Pflanzen oft bis zum Rand mit Insekten gefüllt seien. Und das gibt ihnen in der Natur einen Vorteil: Denn anders als die meisten Pflanzen sind Schlauchpflanzen Produzenten und Konsumenten gleichermaßen.

Sie betreiben Photosynthese und leben mit Hilfe des Sonnenlichtes. Gleichzeitig erzielen die Pflanzen durch den Insektenfang und die Verwertung ihrer Eiweiße eine wertvolle Zusatzversorgung, die ihnen auf nährstoffarmen Böden ein üppiges Blühen ermöglicht.

Um beim Insektenfang richtig effektiv zu sein, haben einzelne Arten sogar noch mehr auf Lager: Die Gelbe Schlauchpflanze (Sarracenia flava) bietet oben am Kragen nicht nur reinen Nektar an. Sie mische diesem auch ein Betäubungsmittel bei, das auf die Insekten wirkt, erläutert Carow.

Und die Papageien-Schlauchpflanze (Sarracenia psittacina), die ursprünglich im Mississippi-Delta der USA vorkommt, ist bei Überschwemmung sogar noch erfolgreicher als an Land. Denn viele Gliederfüßer wie Wasserflöhe wähnen sich in ihren Röhren vermeintlich in Sicherheit. Sie heißt daher auch Reusenfalle.

Stuttgart.Die Sarracenien sind in der Natur als begehrte Raritäten besonders geschützt. Ihr botanischer Name Sarracenia geht auf den französisch-kanadischen Arzt und Naturforscher Michel Sarrazin zurück (1659 - 1734). Ursprünglich stammen sie vom amerikanischen Kontinent. Sieben Arten gibt es laut Carow zwischen Neufundlands Norden und dem Golf von Mexiko. Über 200 Kreuzungen sind zudem bekannt. Manche Arten haben aufrechte Schläuche, andere niederliegende. Im Frühjahr bilden sie Blüten mit einem schirmartigen Griffel und langen Blütenblättern.

Alle Arten können - wie viele andere Carnivoren, die sogenannten fleischfressenden Pflanzen - hierzulande wachsen und die Winter überstehen. Auch für den Wohnraum sind die Schlauchpflanzen geeignet. „Am besten hält man sie in einem Terrarium und beleuchtet sie zusätzlich“, rät Carow. Im Winter sollten sie in einem kühlen Raum ohne trockene Heizungsluft stehen.

Sarracenien brauchen so viel Licht wie möglich und mögen saures Pflanzensubstrat. Gotthardt empfiehlt Erde aus sechs Teilen Weißtorf, zwei Teilen Perlite und einem Teil Quarzsand. Bewässert wird im Anstau, also von unten bis zu einer Höhe von etwa zwei bis drei Zentimetern. Das Substrat sollte nie austrocknen. Gar nicht vertragen die Schlauchpflanzen Leitungswasser, da es hart und mineralienreich ist. Stattdessen lieber entmineralisiertes Wasser oder Regenwasser nehmen, raten die Experten.

Im Garten können hierzulande vor allem die nördlichen, unempfindlicheren Arten wie die Rote Schlauchpflanze (Sarracenia purpurea), die Grüne Schlauchpflanze (Sarracenia oreophila) und die Gelbe Schlauchpflanze (Sarracenia flava) wachsen. Auch die Blasse Schlauchpflanze (Sarracenia alata), die Geflügelte Schlauchpflanze und die Alabama-Schlauchpflanze (Sarracenia alabamensis) gedeihen dort gut.

Stuttgart.Kälteempfindlichere Arten wie die Weiße Schlauchpflanze (Sarracenia leucophylla) mit schlanken weiß-purpurnen Schläuchen oder die Papageien-Schlauchpflanze benötigen Winterschutz. Es reiche jedoch, sie mit Laub oder Zweigen abzudecken, sagt Carow.

„Viele Pflanzenfreunde haben sich ein eigenes Moorbeet angelegt“, berichtet Diether Gotthardt, der Mitbegründer der Gesellschaft für fleischfressende Pflanzen (GFP) ist. Darin fühlten sich die Schlauchpflanzen im Garten besonders wohl. Dafür grabe man zunächst ein etwa 80 Zentimeter tiefes Loch wie für einen Teich, rät Carow.

Dieses Loch legt man mit einer Teichfolie aus, um es wasserdicht zu machen. Dann werden Kunststoffeimer umgedreht auf den Beetboden gestellt. Diese bilden Wasserspeicher, die später durch Löcher im umgedrehten Eimerboden aufgefüllt werden. Darüber kommt eine Schicht Weißtorf, die bepflanzt wird. Der Torf kann durch einen Anteil von 30 Prozent Kokosfaser gestreckt werden.

Wie das in der Natur so ist, können hier so hinterlistige Pflanzen wie die Sarracenien auch selbst zu Opfern werden. Schnecken fressen sie an, Krabbenspinnen und Meisen stehlen ihnen sogar die Beute aus den Kelchen. Und in Nordamerika haben sich ebenso listige Mücken und Mottenlarven sogar darauf spezialisiert, in den Schläuchen zu leben und sich dort von den toten Insekten zu ernähren.