Kirchenasyl
Unterschlupf statt Zwangsprostitution: Nonne erneut vor Gericht

11.07.2022 | Stand 11.07.2022, 6:06 Uhr
Juliana Seelmann, Ordensschwester im Kloster Oberzell, steht erneut vor Gericht −Foto: Daniel Karmann/dpa

Für Flüchtlinge ist das Kirchenasyl oft die letzte Hoffnung - und zugleich eine heikle Angelegenheit. Denn wer Unterschlupf gewährt, kann vor Gericht landen. Verhandelt werden dann mitunter die ganz großen Fragen nach Gewissen und Glauben.



Rund fünf Monate nach dem überraschenden Freispruch eines Mönchs wegen Gewährung von Kirchenasyl beschäftigt sich erneut ein Gericht mit einem derartigen Fall. Vor dem Landgericht Würzburg beginnt an diesem Donnerstag die Berufungsverhandlung gegen eine Ordensschwester, die Flüchtlingen Unterschlupf gewährte - zwei Frauen, um sie nach eigenen Angaben vor Zwangsprostitution und Menschenhandel zu bewahren.

Ordensschwester wurde 2021 verurteilt

Die Angeklagte Juliana Seelmann war vor mehr als einem Jahr vom Amtsgericht Würzburg wegen der Gewährung von Kirchenasyl verurteilt worden. Sowohl die Frau als auch die Staatsanwaltschaft hatten gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt. Nun ist nur ein Verhandlungstag angesetzt, ein Urteil am selben Tag denkbar. Gegen dieses wäre Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht möglich.

Das Amtsgericht hatte gegen die 39-Jährige eine sogenannte Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen. Als Auflage soll die Schwester 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Sollte sie in den nächsten zwei Jahren weiteres Kirchenasyl gewähren oder eine andere Straftat begehen, drohen ihr zusätzliche 600 Euro Geldstrafe und ein neues Strafverfahren - so das Urteil.

Anklage will höhere Strafe

Die Anklage will statt einer Verwarnung eine höhere Strafe für die Frau erreichen, etwa eine Geldstrafe. Die Verteidigung ziele auf einen Freispruch, wie der Anwalt der Angeklagten sagte.

Die angeklagte Menschenrechtsbeauftragte des Klosters Oberzell bei Würzburg hatte zwei geflüchteten Frauen 2019 und 2020 für mehrere Monate Kirchenasyl gewährt. In den Fällen beider Nigerianerinnen hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Zulassung eines Asylverfahrens abgelehnt. Nach dem Dublin-Verfahren sollten die Frauen nach Italien zurück und ihr Asylverfahren durchlaufen, da sie dort die Europäische Union zum ersten Mal betreten und sich registriert hatten.

Humanitäre Härte

„Aus unserer Sicht wären beide Frauen bei einer Rückkehr nach Italien in sehr großer Gefahr gewesen, erneut Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution zu werden“, begründete Seelmann einst ihre Entscheidung. „Bei dieser humanitären Härte sah ich mich gezwungen, eine rettende Hand zu reichen. Ich konnte nicht anders - als Christin, Schwester und Mensch.“

Weil die Ordensschwester für diesen Schritt einen später erlassenen Strafbefehl nicht akzeptierte und Einspruch einlegte, kam es zum Prozess vor dem Amtsgericht. Die Frau berief sich dort auf ihr Gewissen und ihren Glauben. Die 39-Jährige ist Krankenschwester und hatte sich im Jahr 2009 der Kloster-Gemeinschaft in der Diözese Würzburg angeschlossen.

Mönch im Februar freigesprochen

Die Verwarnung mit Strafvorbehalt bezieht sich nur auf einen der beiden vorgeworfenen Fälle. Der andere Fall war auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen offener Fragen vorläufig eingestellt worden.

Im Februar hatte das Bayerische Oberste Landesgericht in Bamberg in einer Aufsehen erregenden Entscheidung den Freispruch eines Mönchs der Benediktinerabtei Münsterschwarzach (Landkreis Kitzingen) bestätigt, der einen Flüchtling im Kirchenasyl vor der Abschiebung bewahrt hatte.

Kirchenasyl ist eine christliche Tradition zur Vermeidung von besonderen humanitären Härten, wie es beim Bamf heißt. Kirchen versuchen damit, aus ihrer Sicht besonders verletzliche und schutzbedürftige Migranten vor einer Abschiebung zu bewahren.

2020 wurden nach Angaben des bayerischen Justizministeriums 27 und im vergangenen Jahr 43 Verfahren wegen der Gewährung von Kirchenasyl gegen Kirchenangehörige im Freistaat eingeleitet. In insgesamt 6 der in beiden Jahren eingeleiteten Verfahren sei Anklage erhoben worden.

− dpa