Serie
Hod di äppa a Impm g’anglt?

Zum Monatsende gibt es wieder Wissenswertes rund um den Dialekt – heute zu einigen selten werdenden Mundartausdrücken.

28.09.2018 | Stand 16.09.2023, 5:55 Uhr
Ludwig Zehetner

Vorsicht, die Wespen neigen zum Stechen! Sie hecken schnell. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

D’Wepsn hànd recht g’heckad.

Für das Stechen von Schnaken (Schnacken, Staunzen), von Wespen und Bienen sowie das Beißen von Schlangen und Skorpionen kennt die Mundart das Verb „hecken“. Jemand schreit auf: „Mi hod grod a Weps g’heckt!“ Im Spätsommer ist das keine Seltenheit, und man weiß: „D’Wepsn hànd recht g’heckad“, also rasch zum Stechen bereit. In den Dialekten des nördlichen Altbayern hat man Kindern gegenüber die Zähne als „Heckerl“ (Beißerlein) bezeichnet. Das Wort „hecken“ kommt in der Schriftsprache nur mehr vor in „etwas aushecken“. Ein anderer Ausdruck für das Stechen von Wespen oder Bienen ist „angeln“. Ein Mädchen springt vom Fahrrad, reißt die Hände vors schmerzverzerrte Gesicht, und ein einfühlsamer Mensch fragt: „Hod di äppa a Impm g’anglt?“ (Hat dich etwa eine Biene gestochen?). Eine alte Bezeichnung für Biene ist „Imme“, älter „Imbe, Imp“. Dazu gehört der „Imker“, eine Wortbildung aus dem Niederdeutschen, die sich verbreitet hat.

Strawanzen und umeinanderflouern

Über Jugendliche, die viel streunen, vagabundieren, sich herumtreiben, sagt man in der Oberpfalz: „Däi flouan umananda.“ Es bedeutet etwa dasselbe wie „stràwànzen“. Während es sich bei Letzterem um eine Entlehnung aus dem Italienischen handelt (stravaganza: Extravaganz, Verrücktheit), bereitet die Etymologie des mundartlichen Verbs „flouan“ Schwierigkeiten. Der Lautung nach könnte es mit „Floh“ zusammenhängen, der ja herumspringt. Tatsächlich aber dürfte das Wort von „(die) Flur“ hergeleitet sein, in nordbairischer Aussprache „Floua“, wie nach der Ausgangsform althochdeutsch „fluor“ zu erwarten. Zwar ist „Flur“ mundartlich nicht mehr geläufig, allenfalls in Zusammensetzungen wie „Flurumgang, Flurprozession, Flurumritt“. Früher war „Flurer, Flurhay“ die amtliche Bezeichnung für den Flurwächter oder Feldhüter, dem es oblag zu „fluren“ (flouan)“. (Der „Flurerturm“ in der alten Stadtmauer von Weiden i. d. Opf. erinnert daran.) Abenteuerlustig herumziehende Jugendliche bewachen die Fluren freilich nicht, machen sie eher unsicher. Dennoch heißt es: „Däi flouan umananda.“

Zwei Fragen von Franz Xaver Müller

Des taugad da,ha?

Wegen formaler oder lautlicher Besonderheiten verdienen auch sogenannte „kleine Wörter“ Beachtung: Adverbien, Pronomen, Artikel, Partikel. Das Satz-Anhängsel „hã“ (mit hellem, nasaliertem à) etwa gehört zu den Merkmalen des Bairischen. Es kann nachfragend verwendet werden im Sinne von „Was? Wie bitte? Nicht wahr?“ oder auch auffordernd, womit es sich teilweise mit „he, hä“ überschneidet: „Wos moanst, ha? Des taugad da, ha? (Das würde dir wohl passen, nicht wahr?) Wia oft hob i da des scho gsogt, ha?“ Auszugehen ist von „hàn“ (mit hellem à und n); denn es gibt bzw. gab auch die pluralische Höflichkeitsform „hàn S“ („hàn“ + die verkürzte Anrede mit „Sie“). Ich erinnere mich gut daran, wie ich als kleiner Bub an der Hand meiner Mutter beim Einkaufen war und der Metzgermeister fragte: „A bor Boana àà dazua, hànS?“ oder im Gespräch: „HànS, wos moana S?“ Auch „hãts“ hat es gegeben („hã + ts“, 2. Person Plural). – Gelegentlich ist zu beobachten, dass die im Bairischen gängige Relativpartikel „wo“ (der / die / das wo) mit einem „-n“ versehen wird, sobald sie sich auf eine Mehrzahl bezieht. Ein Busfahrer gab folgende Anweisung: „De won scho an Fahrschein ham, kennan hint ei-steing.“ Damit stehen sich gegenüber: „der / de / des wo“ (Einzahl) und „de won“ (Mehrzahl). Interessant, was für beachtliche Sonderwege die bairische Formenlehre aufweist.

Zu Beobachtungen von Peter Blodow

Es geht wöidarawöll.

Fünf Musikanten aus dem Landkreis Amberg-Sulzbach gründeten 2000 eine Gruppe, die seither unter dem Namen „Wöidarawöll“ auftritt. Damit ist ein fast in Vergessenheit geratener mundartlicher Ausdruck wieder einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Der oberpfälzischen Lautung „wöidarawöll“ entspricht in Ober- und Niederbayern „wiadarawäi“ oder „wia-und-da-wäi“. Die Bedeutung ist in etwa: Sei es, wie es will; wie immer das auch sein möge. Statt „wie-“ gibt es auch Wortbildungen mit „was-, wer-, wo-“. In schriftsprachliche Silben zerlegt, ergibt sich: wie / was / wer / wo der wolle. In der Dialektliteratur findet man Belege, so etwa: „Denk i mir, was der Will, es geht di nix an. – Ist es wie derer Will.“ (Emerenz Meier, Werner Fritsch). Die Umsetzung in die Schrift bleibt problematisch. Es liegt nämlich nicht das Substantiv „der Wille“ vor, sondern eine Konjunktivform von „wollen“, der mittelhochdeutsch „welle“ zugrunde liegt. Statt: „Mag es werden, wie es wolle“ schreibt Otto Kerscher „Wiad’s wiadarawey“ und bleibt damit sehr nahe an der gesprochenen Mundart.

Die Frage stellte Felicita Lang.

Oide Runggunkn, werst nimmer lang daung.

Wenn ihr die Nase lief, zitierte meine Mutter oft das folgende Verserl: „Oide Runggunkn, werst nimmer lang daung, / drepfed da d’Nosn und rinnan da d’Aung“ (taugen, tröpfelt). Das Verb „taugen“ weist hier die allgemein übliche Bedeutung auf; es tritt im Bairischen aber auch auf in der Fügung „jemandem taugt etwas“ im Sinn von: es tut wohl, ist angenehm, macht froh, glücklich. Das Substantiv „der Taug“ ist der Schriftsprache fremd; im Bairischen kann man jedoch sagen: „Das hat keinen Taug“ (ist nicht sinnvoll, verspricht keinen Erfolg). Eine Variante zur oben zitierten Fassung des Reims aus Oberbayern wird aus dem Bayerischen Wald gemeldet: „Oide Runggunkl, wia lang werds’n no daun, / dann drepflt da Nosn und rinna da d’Aung“ (dauern, tröpfelt). Abfällig hat man ein altes Weib als „Runggunkel“ bezeichnet. Wortbestandteile sind wohl „rungen“ (brummen, murren) und „Gunkel“, was vielerlei bedeuten kann: Runkelrübe; Spinnrocken; Spinnstube; Vulva; altes Weib. Demnach ist einfach gemeint: mürrisches altes Weib. Bei „Runggunken“ handelt es sich um eine lautliche Spielart, ebenso bei „Rumpumpel“.

Zu einer Einsendung von Helmut Fink aus Regen

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