Regensburg
Im Bahnhof-Tunnel beginnt eine rauschhafte Reise ins Blaue

21.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:34 Uhr
Michael Scheiner
Im „Blauraum“ am Bahnhof: Johannes Brunner und Raimund Ritz haben den alten Fußgängertunnel in eine Art Weltraumstation verwandelt. −Foto: Scheiner

„Hells Angel“, „Goldener Besen“ und „Laserschwert“ heißen Arbeiten des Münchner Duos Brunner/Ritz. Bis Ende Oktober kommt nun ihr „Blauraum“ hinzu.

Wer da spontan an Polizei, Feuerwehr oder Gefahr denkt, ist bereits auf einer schmalen Spur, die zum Hauptbahnhof führt und zum Kunstort Gleis 1. Im ehemaligen Fußgängertunnel finden seit einigen Jahren aufregende Installationen statt.

Johannes Brunner und Raimund Ritz haben ihre Licht-Klang-Installation für das Donumenta Art Lab aufgebaut. Der „Blauraum“ spricht alle an: Kinder und Erwachsene, Menschen jeder Sprache. Tagelang hat das Duo mit Donumenta-Leiterin Regina Hellwig-Schmid Kabel im langen, gekachelten Raum verlegt, blaue LED-Lampen montiert und Lautsprecher angeschlossen.

Bevor man den Tunnel betritt, bemerkt man Arbeiter, die mit einem schmalen Rollwagen Reparaturen am Gleis ausführen. Im „Blauraum“ ist ihr gleichmäßiges Maschinengeräusch zu hören. Es mischt sich mit der Klangkomposition der Installation. Sobald der Sound im stockdunklen Raum einsetzt, beginnen einzelne Lichter aufzuleuchten und wieder zu verlöschen. Lichtpunkte wandern wie vorbeifahrende Fahrzeuge von vorn nach hinten, verharren kurz und tauchen den Raum in eine berauschende, verwirrende, vielleicht gar magische Stimmung. Dazu mischen sich Klänge, Rauschen, Brummtöne und ein Klirren wie von brechenden Eiszapfen. Eine mit Vocoder verfremdete Stimme setzt ein und trällert eine poppige Melodie. Die Lichter blitzen immer schneller auf, die Stimmung verändert sich. Sie kann bedrohlich wirken, wie in einem Bergwerk oder als ob Granaten einschlagen. Vielleicht befindet man sich aber auch in einem Weltraumbahnhof und die blitzenden Lichter signalisieren den baldigen Start in ein Abenteuer, das alle Sinne erfasst und die staunenden Besucher in Taumel versetzt. Brunner und Ritz selbst betrachten ihre Installation als Einladung zu einer Reise.

Gegen Ende der 17-minütigen Licht-Klang-Tour verdichten sich die Blitze zum Feuerwerk, zum Tanz der Irrlichter. Sie lassen die Tunnelwände zurücktreten, bis man sich tatsächlich im unendlichen Raum des Weltalls wähnt – oder in einem spacigen time tunnel, einer Zeitmaschine.

Nüchterner betrachtet ist die mit Sprachwitz fein dosierte Installation eine Licht-Klang-Komposition. Die alte Unterführung wird zum „fließenden Raum, der traumhaft irreal wie ein Tunnel in eine andere Welt wirkt“, kommentiert das Duo seine fantastische Arbeit. Bei der Recherche stieß es auch auf eine japanische Studie. Sie fand übrigens heraus, dass blau beleuchtete Bahnhöfe zu messbar weniger Suizidversuchen führen. Beim Galerienabend am 24. September ist der „Blauraum“ bis 23 Uhr offen.