Kultur
Klassik-Freunde erleben Sternstunde im Regensburger Audimax

01.12.2022 | Stand 15.09.2023, 2:40 Uhr
Gerhard Dietel Dr.Dr.
Das Publikum klatscht, pfeift, tobt: Mischa Maisky und Martha Argerich verzaubern im Audimax Regensburg. −Foto: altrofoto.de

Kaum ist der letzte Ton verklungen, setzt nicht nur anhaltender Beifall ein, sondern es reißt zahlreiche Besucher des Odeon-Konzerts direkt von ihren Sitzen, denen bewusst ist, dass sie eben eine Sternstunde der Kammermusik erlebt haben.

Anerkennende Pfiffe überlagern die stehenden Ovationen, mit denen das Publikum im Audimax die beiden Künstler feiert, die auf dem Podium stehen, partnerschaftlich sich an den Händen haltend: die mittlerweile 81-jährige Klavierlegende Martha Argerich und der nur wenige Jahre jüngere Ausnahme-Cellist Mischa Maisky.

Seit über 40 Jahren konzertieren die beiden miteinander, und das schlägt sich in einem symbiotischen Miteinander-Musizieren nieder. Kaum einmal braucht es einen Augenkontakt zwischen Argerich und Maisky, die wie telepathisch miteinander verbunden die Intentionen des jeweils anderen spüren und blitzschnell darauf reagieren.

Vom ersten kraftvollen Akkord an, mit dem Beethovens g-Moll-Cellosonate op. 5/2 beginnt, gewinnt man diesen Eindruck. Hoch emotional gestalten die beiden Künstler die weit gespannte Adagio-Einleitung des Werks, und höchst nuanciert in den dynamischen Feinabstufungen. Wie auf Samtpfoten kann die Musik hier daherkommen, um dann unmittelbar wieder zur Attacke überzugehen, intime Zwiesprache mündet fast ansatzlos in extrovertierte Gesten. Zurückhaltend beginnen Argerich und Maisky das folgende Allegro, bevor sie auch hier die Pranke ausfahren. Entspannter geht es im Final-Rondo zu, wo Beethoven für einige wenige Momente auch einmal in ein tändelndes Rokoko zurückblickt.

Claude Debussys d-Moll-Sonate ist zwar etwas über 100 Jahre alt, wirkt aber immer noch verstörend modern und schwer aufzufassen. Hier herrscht keine überschaubare Architektonik. Was Argerich und Maisky präsentieren, ist Musik im flüssigen Aggregatzustand, stets unvorhersehbar in ihren überraschenden Wendungen. Auf barocke Eröffnungsgesten des Klaviers antwortet das Cello frei-rhetorisch, schmachtet dann über leise getupften Klaviertönen, schwankt zwischen versunkenem Selbstgespräch und plötzlich entschlossenem Vorwärtsgehen. Ganz nach Debussys Aussage, der Pianist dürfe in dieser Sonate nie vergessen „dass er nicht mit dem Cello kämpfen soll, sondern dass er es zu begleiten hat“, nimmt sich Martha Argerich zurück und überlässt Mischa Maisky die Hauptrolle, der denn auch mit allerlei Spezialeffekten glänzen darf, zumal in der zentralen „Serenade“ mit ihren Pizzicati und Pizzicati-Glissandi.

Chopins g-Moll-Cellosonate gibt es nach der Pause zu erleben, ein Werk, das zwar pianistisch anspruchsvoll ist, aber Chopins sonstiges Klavier-Idiom nur an wenigen Stellen aufblitzen lässt. Auf Partnerschaft oder gar Unterordnung hat der Komponist in diesem Stück, einem seiner wenigen Kammermusikwerke, den Klavierpart abgestellt und lässt das Cello immer wieder melodisch blühend hervortreten, selbst im Mittelteil des kernigen Scherzos. Fast entrückt darf man dann lauschen, wie im folgenden Largo Klavier und Cello im steten Wechsel die Gesangslinie entwickeln, die schließlich paradiesisch entschwebt.

In solche Musizierlust haben sich Martha Argerich und Mischa Maisky gesteigert, dass sich der Zugaben-Teil zu einer regelrechten dritten Programmhälfte auswächst. Auf Chopin folgt mit „Introduktion und Polonaise brillante“ op. 3 nochmals Chopin, dann erleben die verblüfften Zuhörer den kompletten Zyklus der Fantasiestücke op. 73 von Robert Schumann, und endgültig Schluss ist erst mit dem „Liebesleid“ Fritz Kreislers.