Kultur
Regensburger Philharmoniker spüren Rätseln nach

04.10.2022 | Stand 15.09.2023, 3:27 Uhr
Gerhard Dietel Dr.Dr.
Im Neuhaussaal beim Philharmonischen Konzertl: Die Solisten Dong-Ae Han und als Solisten bei „Tabula Rasa" von Arvo Pärt −Foto: Gerhard Dietel

Die Philharmoniker starteten mit ungewöhnlichen Programm in die Spielzeit. Unter dem Titel „Rätselhaft“ war unter anderem eine Uraufführung zu erleben, „Ligetum“ von Tomasz Skweres.

Ein Stück tönender Philosophie eröffnet den Konzertabend im Neuhaussaal: Ruhige Sphärenharmonien der Streicher bilden den Hintergrund, über dem die Trompete ihre immer eindringlicher gestellte Seins-Frage erhebt. Zunehmend hektisch und dissonant fallen die vergeblichen Antwortversuche der Holzbläser aus. Letztmals erklingt die Trompete, nun eher resignativ, die Vergeblichkeit ihrer Frage einsehend.

Die „Unanswered Question“ von Charles Ives bildete den passenden Einstieg für das erste „Philharmonische Konzert“, das unter dem Titel „Rätselhaft“ stand. Nachdenken durfte das Publikum auch über den Titel „Tabula rasa“, den Arvo Pärt seinem Doppelkonzert für zwei Violinen, Streichorchester und präpariertes Klavier gab. Die schlüssigste Antwort wohl: womit Pärt in diesem Werk aufräumt, ist alle Kompliziertheit der Avantgarde-Musik, in der sich der Komponist selbst zuvor bewegt hatte.

Karg in seinen Mitteln erschien das zweisätzige Werk, das auch den beiden umfangreich beschäftigten Violinsolisten Dong-Ae Han und Johannes Plewa keine Gelegenheit zum virtuosen Brillieren einräumte. Karg, aber nicht idyllisch, sondern manchmal sogar bedrohlich wirkte Pärts Musik, wenn im ersten, „Ludus“ betitelten Satz die Bewegungen immer wieder quasi einfroren, oder im zweiten, „Silentium“, das elektronisch verstärkte Klavier die versprochene Stille mit klirrenden Akzenten interpunktierte.

Mit „Ligament“ hat Tomasz Skweres sein jüngstes, gezielt für dieses Konzert geschriebenes Auftragswerk überschrieben, in dem er, dem Titel gemäß, Verbindungen zwischen den übrigen Programm-Nummern herstellt. Von Ives entlehnt ist die Aufteilung in Instrumentengruppen, und elektroakustische Zuspielungen von Fragmenten aus den übrigen Werken des Abends übernehmen Brückenfunktion.

Im übrigen möchte man Skweres’ jüngste Partitur gerne als gruppendynamischen Prozess bezeichnen: Vom Balkon herab geben die Blechbläser Impulse, auf welche die Streicher mit sanften, bald aber auch brodelnden und pulsierenden Klängen antworten, das Schlagwerk setzt Akzente, und die Holzbläser mischen sich, von hinten aus dem Saal auftretend, schließlich auch noch ins Geschehen ein.

Direkt mit „Enigma“, also mit „Rätsel“ überschrieben, sind die Variationen von Edward Elgar über ein eigenes Thema, die den Konzertabend beschlossen. Es sind Charakterporträts einzelner Personen aus Elgars Bekanntenkreis, die der Komponist hier entwirft und deren Namen er jeweils mit Buchstaben-Chiffren andeutet. Diese verborgenen Bedeutungen der einzelnen Veränderungen müssen dem Hörer von heute nicht im Detail klar sein, um Vergnügen an Elgars Musik zu finden.

Unter der umsichtigen Leitung des Gastdirigenten Ingo Martin Stadtmüller wirkten die Einzelnummern so abwechslungsreich wie profilscharf: mal gravitätisch oder gemächlich gehend, manchmal in Trippelschritten vorbeihuschend oder kokett, bis hin zur letzten Variation, in der Elgar sich selbst porträtiert: nobel und stolz, und auch mit einem Schuss jenes imperialen Gestus, wie man ihn aus einen bekannten Märschen von „Pomp and Circumstance“ kennt.