Kultur
Ronny Scholz, der Regensburger Chefdramaturg: Der Neue brennt fürs Theater

08.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:42 Uhr
Rettungslos verknallt in Regensburg: Ronny Scholz, der neue Chefdramaturg am Theater Regensburg −Foto: Pawel Sosnowski

Ronny Scholz dreht als neuer Chefdramaturg am Theater Regensburg an vielen Rädchen. Bei einem Kennenlernen-Snack erzählt er, was ihn antreibt, und wie ihn sein musikalischer Weckruf traf – auch wenn ihm der ein bisschen peinlich ist.

Ronny Scholz spricht schnell, schneller als man mitschreiben, manchmal schneller, als man zuhören kann. Der Mann hat halt viele Ideen im Kopf und viel Begeisterung im Bauch. Der 40-Jährige, der als Student im höheren Semester durchgehen könnte, sitzt als neuer Chefdramaturg des Theaters an einer Schlüsselstelle und er ist wild entschlossen, für die Sache, für die er brennt, zu entflammen.

Dramaturgen bewegen sich, anders als Spartenleiter oder Bühnenstars, unterhalb des öffentlichen Radars. Bei Ronny Scholz ist das ein bisschen anders. Der Musikwissenschaftler kam an der Seite von Intendant Sebastian Ritschel nach Regensburg, und dass R.S. und S.R. zusammen gehören, wird natürlich wahrgenommen. Für Ronny Scholz ist das kein Ding: „Ich mach’ da mir keine Gedanken. Das ist für uns Normalität. Wir arbeiten schließlich zusammen, seit wir uns kennen gelernt haben.“

In Halle war das, vor rund 20 Jahren, bei „Elektra“. Nach gemeinsamen Jahren am Theater Görlitz lebte das Paar längere Zeit in 550 Kilometern Distanz: Rischel als Operndirektor in Dresden, Scholz als Operndirektor in Münster. „Das größte Geschenk ist, dass wir jetzt gemeinsam arbeiten und wohnen, und das auch noch in Regensburg!“ Scholz, das wird beim Kennenlernen-Snack im Palletti klar, hat sich recht rettungslos in die Stadt verknallt, in die Häuser, die Menschen, die Offenheit, das Klima.

Sein musikalischer Weckruf ist dem Kunstliebhaber, der hin und wieder auch komponiert, ein bisschen peinlich: Zu einer Wrestling-Show im TV wurde eine Melodie aus „Zarathustra“ von Richard Strauss abgespielt. Die setzte sich in seinem Ohr fest. Der Zwölfjährige fing an, zu recherchieren. Das hieß zu analogen Zeiten in Görlitz: Er bannte einige Takte in Endlosschleife auf Kassette, beriet sich mit der Plattenverkäuferin seines Vertrauens und kaufte sich endlich für 39 Mark die erste Zarathustra-Einspielung (unter Sir Solti). 40 oder 50 weitere füllen heute ein Regal in der mit CDs, Platten, DVDs und Büchern praktisch vollständig ausgekleideten Regensburger Wohnung.

Der zweite Weckruf kam von Lenny Bernstein, wieder aus dem TV: „Candide! Die Ouvertüre! Die Lebensfreude springt einen direkt an!“ Scholz schildert die Sache mit solchem Feuer, dass klar wird: Theater- und Musikwissenschaftler zu werden, daran führte fortan kein Weg mehr vorbei. Das sah wohl auch der GMD am Theater Görlitz ein, den der Student keck anschrieb mit der Bitte: Ich will den Candide am Haus dirigieren! Ans Pult schaffte es der junge Mann zwar nicht sofort. „Aber den Job als Dramaturg, den bekam ich.“

Dramaturg, das ist sein Ding: „Es reizt, an der Schnittstelle von Theater und Publikum für die Produktionen zu begeistern, in Einführungen, Vor- und Nachgesprächen. Das umzusetzen, was das Team entwickelt und erdacht hat. Eigene Ideen einzuspeisen.“ Als Zahnrad im Theatergetriebe fühlt er sich am genau richtigen Platz.

In der neuen Saison, die am 17. September mit einer Gala und ab 23.September mit fünf Premieren startet, mischt Scholz in fünf Produktionen intensiv mit: Bei Bernsteins „Candide“, seiner alten Flamme. Bei der Oper „Der Prozess“, die Sebastian Ritschel zu Saisonstart inszeniert. Beim Musical „Parade“. Bei „Putting it together“ vom genialen Stephen Sondheim, einem anderen Dauerbegleiter seiner Karriere. Und bei „1984“, komponiert von Lorin Maazel. In der Oper, als deutschsprachige Erstaufführung in Regensburg zu sehen, wird der Lüge ein eigenes Ministerium eingerichtet. Der Stoff passt wie die übrigen Produktionen geschmeidig ins Spielzeit-Motto „Wahrheiten“. Überhaupt, sagt Scholz, orientierte sich die Werkauswahl an „Themen, die Menschen heute direkt ansprechen“, und nicht an Klassikern, die man auf Biegen und Brechen auf Heute trimmen müsste.

Der wunderbare Gerhard Hermann drückt das im Trailer auf der neuen Theater-Homepage so aus: „Schiller ist keiner dabei, oder? Schiller? Keiner?“ Dazu lacht er sich halb schief. Nö, Schiller ist keiner dabei.