Kultur
Tausendsassa Wilhelm Koch leuchtet mit Glaskugeln ins Ende des Tunnels

06.12.2022 | Stand 15.09.2023, 2:37 Uhr
Peter Geiger
Der Himmel hängt in der Asphaltkapelle in Etsdorf bei Amberg voller Christbaumkugeln. Dazu erklingt an Sonntagen Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“. −Foto: Peter Geiger

Wilhelm Koch, Luftmuseumsgründer und Tausendsassa, illuminiert heuer schon zum dritten Mal den Himmel seiner Asphaltkapelle in Etsdorf mit ausrangierten Christbaumkugeln.

Vielleicht ist die Asphaltkapelle in Etsdorf – gelegen zwischen Amberg und Nabburg, gleich bei der Ausfahrt A 6 bei Schmidgaden – ja so etwas wie ein spiritueller Kraftort? Einer, der ohne religiösen Ballast auskommt und auf der Basis urmenschlicher Gefühle und Assoziationen gründet? Jedenfalls, so berichtet es ihr Erbauer Wilhelm Koch, finden Gäste da drinnen etwas längst verloren Geglaubtes: nämlich ihren Kinderglauben an Weihnachten. Sie erobern sich ein von tiefen und starken Emotionen grundiertes Terrain zurück, das sie durch dunkle Tage trägt.

Eine Besucherin – so erzählt es Wilhelm Koch – berichtete ihm von einer Art Nahtoderfahrung mit Happy End: Als sie, nachdem sie den „KreuzeWeg“ zum Waldrand bei Etsdorf hinter sich gebracht hatte und durch die Tür ins Dunkel der Asphaltkapelle getreten war, in diesen geheimnisvollen, aus „Erdpech“ bestehenden Raum, ahnte sie plötzlich, wie sich das Weiterleben nach ihrem Tod gestalten könnte. Zunächst wähnte sie sich im Tunnel und nahm nur Dunkelheit wahr. Nach kurzer Gewöhnungsphase aber begannen ihre Augen den strahlenden Himmel in dem keine zehn Quadratmeter großen, komplett schwarzen Raum wahrzunehmen. Denn von der Decke hängen rund 1500 Christbaumkugeln. Von Kerzenlicht zart illuminiert, erstrahlen sie in ihrer glasbunten, üppigen Herrlichkeit. An Sonntagen erklingt aus einer kleinen Lautsprecherbox sogar Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“ – und verstärkt das optische Glücksgefühl akustisch.

Wilhelm Koch gelingt es immer wieder, in seinen Arbeiten Ernstes und Heiteres zu verbinden und das zu verknüpfen, was der Kunst-Jargon „high“ und „low“ nennt. Die Asphaltkapelle, die er vor rund 20 Jahren im Wallfahrtsort Altötting bei den Oberbayerischen Kulturtagen dem staunenden Publikum präsentierte, konzipierte er als Reminiszenz an „die unbewusst-dunkle Kraft, die aus der Erde fließt“, und stellte sie später an seinem Geburtsort Etsdorf neu auf. Sein Ziel: Das Dunkel der Kapelle soll mit den Strahlen, die durch die Ampelfenster hineindringen, und dem Kerzenlicht, das sich in den Kugeln spiegelt, zur mystischen Einheit verschmelzen. In typischer Wilhelm-Koch-Manier setzt er hinzu: Auch die Idee mit der Musik von Bach füge sich zum Runden, weil er ja im vergangenen Sommer noch damit beschäftigt war, „alle Fugen der Bauelemente auszubessern“.

So wird der Koch’sche Himmel in der Asphaltkapelle zum Tunnel, an dessen Ende ein Licht der Hoffnung erscheint, auf eine bessere Zukunft – in Gestalt von Christbaumkugeln.

Der Eintritt in die Kapelle ist frei. Dort liegen Postkarten aus, die Gäste gratis als Erinnerung mitnehmen dürfen. Wer möchte, kann ausgemusterte Christbaumkugeln in der Kapelle abgeben. Wilhelm Koch: „Bei uns finden sie eine dauerhafte Herberge!“