Justiz
Vom handfesten Skandal zur Provinzposse

Der Maler Christian Goller steht im Ruf, ein Kunstfälscher zu sein. Aber nun kann man ihn nicht länger belangen.

26.05.2017 | Stand 16.09.2023, 6:32 Uhr
Harald Raab

Der Künstler Christian Goller verdient seit Jahrzehnten seinen Lebensunterhalt mit Kopien von Werken berühmter Künstler aus allen Epochen. Seine Duplikate hängen in unzähligen Wohnzimmern auf der ganzen Welt. Foto: dpa

Übrig bleibt eine niederbayerische Provinzgeschichte. Dabei hatte der Kriminalfall vor gut vier Jahren als größter Bilderfälscher-Skandal rund um Werke der deutschen Renaissance-Malerei begonnen. Der Restaurator und Kirchenmaler Christian Goller geriet damals ins Visier des Bayerischen Kriminalamtes.

Auf die heiße Spur zum Atelier des bodenständigen Malers in einer alten Mühle in Untergriesbach (Landkreis Passau) hatte die Spezialisten des LKA der Heidelberger Cranach-Forscher Michael Hofbauer gebracht. Der Wissenschaftler glaubte beweisen zu können, dass 50 bis 60 hauptsächlich dem Lutherfreund Lucas Cranach (1472 - 1553) oder der Cranachschule zugeschriebene Werke im Kunsthandel in Wahrheit aus der Hand Gollers stammen.

Auf Dauer verhandlungsunfähig

Der gerichtliche Nachweis wird jedoch wohl nicht mehr geführt werden können. Denn das Amtsgericht Passau entschied jetzt, dass Goller auf Dauer verhandlungsunfähig ist. Die Staatsanwaltschaft Passau hat dagegen zwar Beschwerde eingelegt, doch die Aussichten, den gesundheitlich angeschlagenen Kirchenmaler zur Verantwortung zu ziehen, tendieren gegen null.

Demnach – und das vervollständigt die Posse – dürfte nur noch vier als Helfer angeklagten Spezeln Gollers der Prozess gemacht werden. Aber wie will man ihnen nachweisen, dass sie wissentlich Goller-Bilder dem Kunsthandel als echte Cranach-Gemälde untergejubelt haben?

Die Nachfrage ist riesig

Der ganze Fall wirft einmal mehr ein Schlaglicht darauf, wie leicht und wenig folgenreich es ist, Bilder zu fälschen und diese auf dem boomenden Kunstmarkt unterzubringen. Bei Auktionshäusern und Kunsthändlern besteht eine riesige Nachfrage nach teurer Kunst.

Neben klassischer Moderne stehen vor allem alte Meisterwerke hoch im Kurs. In Zeiten niedriger Zinsen ist Kunst als prestigeträchtige Geldanlage sehr gefragt. Der Handel will es oft gar nicht so genau wissen, woher die begehrte Ware stammt. Angaben von Einlieferern werden zu gern ungeprüft übernommen oder nur nachlässig zurückverfolgt.

„Die Welt will getäuscht werden.“

Auch wissenschaftlichen Expertisen über die Provenienz ist nicht unbedingt zu trauen, wie der Fall des Meisterfälschers Wolfgang Beltracchi vor sechs Jahren eindrucksvoll bewiesen hat. Wenn Gutachter prozentual am Verkaufserlös beteiligt sind, werfen sie etwaige fachliche Bedenken allzu leicht über Bord.

Auch von Christian Goller weiß man seit vielen Jahren, dass er ein lockeres Händchen für Renaissance-Malerei hat. Er selbst hatte schon vor 15 Jahren in einer Fernsehsendung des Bayerischen Rundfunks unumwunden zugegeben: „Die Welt will getäuscht werden.“ Er bezeichnet sich selbst als talentierten Imitator. Das Handwerk, im Stil alter Meister zu malen, beherrsche er bis ins Detail.

Fälschern wird es oft leicht gemacht:

Nur „im Stil“ der großen Meister

Gleichzeitig erteilte sich Goller eine Generalabsolution, mit der er bislang immer wieder durchkam. Er ahme zwar den Stil großer Renaissance-Maler nach, gebe diese Malereien aber stets als seine Werke an Kunden ab. Das ist nicht strafbar. Was die neuen Besitzer mit den Bildern machten, dafür könne man ihn nicht zur Verantwortung ziehen.

Exemplarisch für diese Masche ist ein Fall, der in der Museumsszene hohe Wellen schlug. 1977 kaufte das Cleveland Museum in Ohio/USA für eine Million Dollar das Bildwerk „Heilige Katharina“, das von Matthias Grünewald stammen sollte. Als exzeptionelle „Entdeckung eines Originals“ ging die Tafelmalerei in die Fachliteratur ein.

„Als Imitat verkauft“

Doch das Bild entpuppte sich später als Fälschung. Gemalt hatte es Christian Goller in Untergriesbach. Der brüstete sich sogar mit der Urheberschaft, erklärte aber, unschuldig zu sein: Er habe das Werk ausdrücklich als Imitat verkauft. Da diese Einlassung nicht widerlegt werden konnte, kam es zu keiner Betrugsanzeige gegen den Niederbayern.

Cranach-Spezialist Dr. Michael Hofbauer hat in Heidelberg eine Datenbank aufgebaut. In ihr sind alle Bilder von Cranach und dessen Umfeld erfasst, ebenso mögliche Fälschungen. Er sagt: „Bei Gollers Arbeiten fällt auf, dass er fahle Farben verwendet. Er hat beim Malen der Haare einen gewissen Hang zu Orange. Im Vergleich zur altmeisterlichen Lasurtechnik verwendet er weniger Lasuren. Er trägt die Lasur nicht flächig auf, er strichelt sie.“

Von 60 Bildern blieben nur sechs übrig

Hofbauer glaubt beweisen zu können, dass eine Reihe von „neu entdeckten“ Werken alter Meister die Merkmale Gollers aufweisen. 2009 war es ein Frauenbildnis angeblich aus dem Cranach-Umfeld, das im Wiener Dorotheum zur Versteigerung kam. Bei Weidler in Nürnberg war es eine Venus, die für 60 000 Euro wegging. Christie’s in London versteigerte eine „Justitia“, nahm aber ein Porträt Kaiser Karl V. nach Protesten der Cranach-Experten aus der Auktion.

Von den 60 gefälschten Gemälden im Verkaufswert von einer halben Million Euro, die die Fahnder Goller zuschrieben, blieben bei der Anklageerhebung lediglich sechs im Wert von ca. 80 000 Euro übrig. Der Grund: Der Staatsanwaltschaft Passau gelang es nicht zu beweisen, dass Goller und seine vier Helfer bandenmäßig gehandelt haben. In diesem Fall verjährt Betrug schon nach fünf Jahren. Beim Betrug durch eine Bande wäre eine Zeitspanne von zehn Jahren strafrechtlich relevant gewesen.

Auch zivilrechtlich dürfte Goller aus dem Schneider sein. Bei Schadensersatzklagen greift zwar nicht die enge Verjährungsfrist. Allerdings könnte Goller aus der Schuld seiner Helfer – wenn sie überhaupt nachzuweisen ist – nicht automatisch zur Verantwortung gezogen werden. Er selbst ist ja nicht verurteilt.

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