Kultur
Weiden pflanzt eine Eiche für Beuys

07.10.2022 | Stand 15.09.2023, 3:24 Uhr
Michael Scheiner
Eine Eiche, auf dem Weg zum Campus der OTH in Weiden: Joseph Beuys war von der Oberpfalz inspiriert. −Foto: Wolfgang Herzer

Joseph Beuys definierte mit seiner Aktion „7000 Eichen“ den Kunstbegriff neu. Von seiner Beziehung zu Weiden wissen wenige. Jetzt wurzelt dort ein Baum, in Erinnerung an den Jahrhundertkünstler.

Heute beschatten sie die Straßen in Kassel: Tausende Eichen helfen, damit Menschen weniger unter heißen Sommertagen leiden. Joseph Beuys’ Kunstaktion „7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ war 1982 visionär, eine ortsfeste Documenta-Show. Die ökologische und soziale Performance dauert bis heute an – und stellt vieles in den Schatten. Nun klinkt sich die Oberpfalz ein.

Eine Eiche, daneben ein Stein: Weiden pflanzt einen Baum zu Ehren von Beuys, stellt ihm einen Basaltstein an die Seite und knüpft damit an ein anfangs utopisch anmutendes Werk an. Der Kunstverein Weiden mit „Anschieber“ Wolfgang Herzer agiert ganz im Sinn des Jahrhundertkünstlers: „...denn wir wollen die Pflanzaktion ja nie beenden!“ Beuys’ Aufruf gab 2021 den Anstoß für ein bayernweites Projekt.

Eine Traunreuter Stiftung hatte die Offensive zu Beuys’ 100. Geburtstag angeregt. Der Kunstverein Weiden nahm sich das Anliegen zu Herzen und zimmerte eine ganze Beuys-Kompaktwoche. Der Verein stieg mit der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden und mit dem Stadtkultur-Netzwerk Bayerische Städte in das bayernweite Projekt ein.

Die robuste Eiche wurde bereits im Frühjahr in einen Container gepflanzt. Am Donnerstag wurde der junge Baum nun, mit tatkräftigem Beistand des Technischen Hilfswerks, an seinen endgültigen Standort auf dem OTH-Campus transportiert. Am Sonntag kommt die Eiche dort in die Erde, neben sie ein Basaltstein, bevor in der Hochschule ein intensives Gespräch beginnt: In Hörsaal 001 werden Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft diskutieren und – hoffentlich – leidenschaftlich streiten über den „Nutzen der Kunst“.

Eine Wolke faszinierte ihn

Beim Kunstverein erinnert außerdem eine Ausstellung an „Beuys in Weiden“. Sie zeigt späte Druckgrafiken, mit denen es eine besondere lokale Bewandtnis hat, denn mit Beuys verbindet Weiden ein Stück Stadtgeschichte. Als Soldat war Beuys im Krieg auf dem damaligen Flugplatz Maierhof stationiert. Zudem verband ihn Freundschaft mit dem Weidener HNO-Arzt, Maler, Kunstsammler und Editeur Friedrich Herlt. Da waren die gemeinsamen Kriegserfahrungen und in Beuys’ letzten Lebensjahren war Herlt außerdem mit der Herausgabe mehrerer Grafik-Zyklen für den Jahrhundertkünstler tätig. Die Zusammenarbeit würdigte der Kunstverein bereits 2008, zwei Jahre vor Herlts Tod, mit einer Ausstellung im Neuen Rathaus.

„Nach eigener Aussage war Beuys von der Weidener Umgebung inspiriert“, schreibt Bernhard Baron, Weidens ehemaliger Kulturamtsleiter, in seinen Anmerkungen zu Beuys’ 100. Geburtstag. „Eine geheimnisvoll anmutende Beobachtung vom Hang des nahen Fichtenbühls, eine alle paar Stunden über der unweit gelegenen Porzellanfabrik Gebr. Bauscher aufsteigende weiße Wolke faszinierten ihn, Beuys, ungemein. Angeblich hat er seinen Aussichtspunkt immer zu festen Zeiten aufgesucht, um dieser mystischen Wolke nachzuschauen.“ Allerdings sei leider nicht bekannt, was der spätere Fluxus- und Documenta-Aktionist am Ortsrand von Weiden gezeichnet hat, bedauert Baron. Denn bei etlichen seiner „Flugplatz“-Zeichnungen fehlten Orts- und Zeitangaben.

Jeder Mensch ein Künstler

Beuys’ Maxime war das gemeinsame Handeln zum Wohl der Gesellschaft, das er „soziale Plastik“ nannte. Seine Überzeugung und seine Botschaft hieß: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Natur war ihm der Inbegriff von Wachstum und schützenswertem Lebensraum und die Kunst ein verbindendes und mahnendes Zeichen. Auch daran erinnert jetzt die Eiche in Weiden.

Das Beuys-Wochenende

Eiche:Die Eiche wird am Sonntag (13 Uhr) an der OTH in Weiden gepflanzt. Um 14 Uhr wird in Hörsaal 001 über den „Nutzen der Kunst“ diskutiert.

Grafik:Der Kunstverein Weiden zeigt bis 20. November die Ausstellung „Beuys in Weiden“.