Machtübernahme 1933
17 SPD-Abgeordnete sagten zu den Nazis Nein − darunter ein Regensburger

29.04.2023 | Stand 16.09.2023, 22:53 Uhr

Erinnerten an Alfons Bayerer: Landtagsvizepräsident Markus Rinderspacher und Enkelin Christa Schröder Foto: Schröpf

Von Christine Schröpf

Regensburg. Das nicht nur der Vater, sondern auch der Großvater zu den SPD-Widerstandskämpfern im Dritten Reich zählten, wurde Christa Schröder erst im Jugendlichen-Alter bewusst. Dabei riskierten beide für die Demokratie Leib und Leben.



In der Familie sei zunächst nicht über die schmerzhafte Zeit der Verfolgung durch die Nazis geredet worden, sagt die Tochter des späteren Regensburger Bürgermeisters Hans Weber und Enkelin des Regensburger Landtagsgeordneten Alfons Bayerer. Den Großvater hat die 75-Jährige selbst nie kennenlernen können. Er zählte zu den 17 SPD-Landtagsabgeordneten, die am 29.April 1933 in München gegen das Ermächtigungsgesetz stimmten und damit ihr Leben aufs Spiel setzten. Bayerer starb im Mai 1940, ausgezehrt durch Nazi-„Schutzhaft“ in Regensburg und Gefängnis in Straubing an Kehlkopf-Tuberkulose. Wie viele Menschen wohl heutzutage bereit wären, so uneingeschränkt für die Demokratie einzutreten? „Ich weiß nicht, ob sich das noch viele Leute trauen würden“, sagt Schröder am Samstag beim Gedenkakt in Regensburg – exakt 90 Jahre nach Erlass des Ermächtigungsgesetzes, mit dem die Nazis die anderen Parteien ausschalteten, die Demokratie beerdigten und Holocaust und Völkermord den Weg ebneten.

Die gesammelte Regensburger SPD-Prominenz ist zum Termin in Stadtamhof erschienen – unter ihnen OB Gertrud Maltz-Schwarzfischer, die Oberpfälzer SPD-Co-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner sowie die Landtagskandidaten Sebastian Koch und Matthias Jobst, zudem Bezirkstagskandidat Bruno Lehmeier. Widerstand gegen Rechts zählt zur DNA der Partei.

Für Landtagsvizepräsident Markus Rinderspacher sind die 17 Abgeordneten Jahrhundert-Helden. Sie hätten mit ihrem Kampf „der bayerischen Demokratie einen stolzen Kern an Würde und Anstand bewahrt“, sagt der SPD-Politiker. In seiner Rede beim Gedenkakt zeichnet er ihre Lebensläufe nach – vieles davon hat der frühere Journalist selbst recherchiert. Denn abgesehen von Wilhelm Hoegner, der aus dem Schweizer Exil den Entwurf für die bayerische Verfassung mitbrachte, oder Albert Roßhaupter – 1933 SPD-Landtagsfraktionschef – waren zu den Anderen viele Details in Vergessenheit geraten. „Auch meine Partei hat es verabsäumt, die Biografien dieser 17 Widerständler ordentlich aufzubereiten und immer wieder in Erinnerung zu rufen.“

Bayerer gehörte dem Landtag nach Rinderspachers Worten von 1923 bis 1933 an. Das Hitler-Regime verfolgte nicht nur ihn und seinen Schwiegersohn Weber – beide waren Teil eines Netzwerks, das im Dritten Reich aus dem Prager SPD-Auslandszentrum sozialdemokratische Schriften nach Deutschland schleuste. Auch Bayerers Frau Karoline und seine Tochter Martha waren fünf Monate lang inhaftiert.

Wer – anders als Bayerer – Widerstand und 2.Weltkrieg überlebte, habe ab 1945 beim Wiederaufbau der Demokratie geholfen, sagt Rinderspacher. Alle SPD-Abgeordneten hätten erneut politische Verantwortung übernommen. Die 16 Männer und eine Frau sind für ihn Verpflichtung, die Demokratie sorgsam zu bewahren. Dabei hat er auch Teile der AfD im Blick. „Wir dürfen im Landtag keine antiparlamentarischen und antidemokratischen Reden zulassen, die sich zum Ziel setzen, unsere Demokratie auszuhöhlen.“ Formulierungen wie Alt-Parteien und Meinungs-Diktaturen sind für ihn Warnzeichen.