Umgang mit Krisen
Alternativer Aschermittwoch im Leeren Beutel: Peter Wahl macht nur wenig Mut

15.02.2024 | Stand 15.02.2024, 18:56 Uhr
Tim Graser

Der Mainzer Gesellschaftswissenschaftler Peter Wahl lieferte eine gleichsam präzise wie deprimierende Zeitanalyse über die aktuelle Krisenlage in Politik und Gesellschaft. Foto: Tim Graser

Von Tim Graser

Weltuntergangsszenarien seien ja bei weitem nichts Neues, sagt Peter Wahl. Schon die biblische Offenbarung des Johannes warnte vor der Apokalypse, seitdem hätten immer wieder Menschen das Ende der Welt heraufbeschworen.

„Bisher ist dieser prophezeite Weltuntergang aber noch nie eingetreten“, so Wahl. Jetzt aber, „haben wir es tatsächlich mit einer außergewöhnlichen Situation zu tun. Die Welt ist objektiv ein unsicherer Ort geworden“.

Kriege, Klimawandel, Konjunktureinbruch: Die Welt scheint heutzutage aus den Fugen geraten. Peter Wahl, der am Sozialpolitischen Aschermittwoch im Leeren Beutel spricht, will deswegen die „Angst überwinden“ und die „Zukunftsfähigkeit gewinnen“, so zumindest lautet der Titel seines Vortrags auf den Werbeplakaten.

„Klingt mir nach Bismarck“

Zu Wein und Fischsuppe, die im Leeren Beutel traditionell am Aschermittwoch gereicht wird, liefert der Gesellschaftswissenschaftler aus Mainz an diesem Abend eine gleichsam präzise wie deprimierende Zeitanalyse über die aktuelle, „mehrdimensionale“ Krisenlage in Politik und Gesellschaft. Tipps, um seinen Zuhörern Mut zu machen, hat er nur einige wenige.

Geladen zum alljährigen Alternativen Aschermittwoch hatten die Sozialen Initiativen aus Regensburg, darunter das globalisierungskritische Netzwerk Attac, das evangelische Bildungswerk, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die Gewerkschaft Verdi. Auch Grüne, Linke, ÖDP und SPD zählten zu den Veranstaltern. Peter Wahl begann mit „dem größten Problem“ der aktuellen Zeit: den Kriegen.

Vor allem „Kriegsdenken, Säbelrasseln, deutsche Politiker, die über Kriegstüchtigkeit sprechen. Das klingt mir nach Bismarck, Blut und Eisen, Schlachtfeld und Eroberung.“ In der deutschen Gesellschaft schleiche sich „ein Denken in Freund-Feind-Kategorien“ ein, kritisiert Wahl. „Es scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass seit Hiroshima die Fähigkeit zur Selbstvernichtung in unsere Welt gekommen ist.“

Wahl ist für seine kritische Einstellung zur Aufrüstung, zur Globalisierung und zum Kapitalismus bekannt und in linken Kreisen dafür gleichsam beliebt. Er war bis in die späten 80er Jahre Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei, saß später für die Grünen im Bonner Stadtrat, hat seine Mitgliedschaft in dieser Partei aber nach „dem Angriffskrieg der Nato im Kosovo langsam auslaufen lassen“, so Wahl.

Mit Blick auf den Klimawandel konstatiert der Redner: „Ich wurde mit den Jahren immer depressiver und enttäuschter“ wegen der beharrlich steigenden CO2-Werte und des Unwillens der Politik, rechtzeitig gegenzusteuern. Krieg und Klimakatastrophe also, für sich schon schlimm genug. Und was ist mit dem Extremismus, den Antidemokraten in der Gesellschaft? „Ich will jetzt gar nicht auf die AfD eingehen, wir kennen das alle, wir wissen das“, sagt Peter Wahl. Im Publikum erntet er dafür zustimmende Blicke und Nicken.

Nicht in Panik verfallen

Keine schönen Aussichten, die der Mann auf der Bühne da zeichnet. Wie also damit umgehen? „Machen Sie uns Mut!“, ruft zum Schluss ein Mann aus dem Publikum. Wahl seufzt, bevor er zur Antwort ansetzt: „Als erstes nicht in Panik verfallen, Angst und Wut sind menschlich und legitim.“ Man solle jede Krise für sich betrachten, und dann versuchen „strategisch zu denken und zu handeln“.

Außerdem gebe es durchaus viele kleine Erfolge und Fortschritte, die man feiern könne, auf dem Gebiet der Technik oder der Medizin beispielsweise. „Das muss man an die große Glocke hängen und in den Vordergrund stellen.“