Das Universitäts-Orchester begeisterte das Publikum im Audimax der Uni Regensburg mit zwei recht unterschiedlichen Werken.
„Das Jahr 1905“: eine derartige Überschrift weckt Neugier. Zwei recht unterschiedliche Werke finden sich beim Symphoniekonzert des Universitätsorchesters unter diesem Obertitel zusammengefasst. Da ist einmal die politisch inspirierte Elfte von Dmitri Schostakowitsch, die den Blick zurück auf den „Petersburger Blutsonntag“ des Jahres 1905 wirft, als die Palastwache des russischen Zaren ein Massaker an friedlichen Demonstranten verübte. Und da ist zum anderen das Violinkonzert von Jean Sibelius, das just in diesem Jahr in seiner letztgültigen Fassung in Berlin uraufgeführt wurde.
Sibelius bricht in seinem Violinkonzert mit klassisch-romantischen Traditionen. Keine umfangreiche Orchester-Exposition gibt es anfangs, nur ein sanftes Pulsieren der Orchester-Violinen als Klangteppich, über dem sofort das Soloinstrument „dolce ed espressivo“ einsetzt. Ganz schlicht beginnt die junge Geigerin Charlotte Thiele ihren Part und lädt ihn erst allmählich mit wachsender Emphase auf. Ganz rhapsodisch frei gestaltet sie diese erste große Solo-Passage, in der sie bereits ihr enormes technisches Können andeutet, das sich später weiter entfaltet, bis hin zum mit Verve gestalteten Tarantella-Finale.
Begeisterter Beifall für die Solistin
Sowohl die Zuhörerschar als auch das Orchester akklamieren der Solistin nach ihrer bravourösen Interpretation mit Händen und Füßen. So sehr Charlotte Thiele es genießt, vom Publikum im Audimax gefeiert zu werden, so bescheiden wirkt sie, als sie bei ihrer Zugabe nicht allein brilliert, sondern sich vom ersten Geigenpult des Orchesters Carmen Roelcke als Partnerin holt, um mit ihr eine Duo-Komposition von Jean-Marie Leclair zu musizieren.
Kaum zu fassen vermag das Audimax-Podium die etwa hundertköpfige Schar der Mitwirkenden, als nach der Pause Schostakowitschs Elfte aufgeführt wird, die ein riesiges Instrumentarium mit zwei Harfen, Celesta und reichlichem Schlagwerk erfordert. Doch kämpferisch aggressiv geht es nur an wenigen Höhepunkten des Werks zu. Erst einmal zeichnet das Orchester die Stimmung lastender Stille an einem Januarmorgen vor dem Petersburger Winterpalast. Mit aller Ruhe leitet Arn Goerke hier die Musikerinnen und Musiker und wird später zum wahren, stets die Übersicht behaltenden Feldherrn in der Schlacht, wenn Schostakowitsch die latente Spannung aggressiv explodieren lässt.
Standing Ovations am Ende
Unter den Melodie-Zitaten in Schostakowitschs Sinfonie ragt die des „Unsterbliche Opfer, ihr sanket dahin“ heraus, mit welcher der Toten gedacht wird. Doch wie lautet ein geflügeltes Wort Rosa Luxemburgs? „Die Revolution sagt: Ich war, ich bin, ich werde sein“. Ganz in diesem Sinn verharrt Schostakowitschs Komposition nicht in Trauer und Depression. Das aufgewühlte Finale läutet die „Sturmglocke“ im Vorausblick auf das Jahr 1917. Lange noch hält Arn Goerke die Arme in der Luft und lässt den Eindruck nachwirken, der sich mit dem Schluss dieser Elften aufgebaut hat. Schier vergisst man zu atmen, bevor sich die Spannung in befreiendem Jubel auflöst.
Gerhard Dietel
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