Philharmonisches Orchester
Ein bewegendes Konzert im Regensburger Dom

Im 6. Philharmonischen Konzert des Theaters Regensburg trat die symphonische Musik Olivier Messiaens und Anton Bruckners in besondere Beziehung mit dem übergroßen Raum.

19.04.2024 | Stand 19.04.2024, 19:00 Uhr
Andreas Meixner

Generalmusikdirektor Stefan Veselka begriff die gewaltige Akustik des Raums als Chance einer weiteren Dimension. Foto: altrofoto.de

Im 6. Philharmonischen Konzert des Theaters Regensburg trat die symphonische Musik Olivier Messiaens und Anton Bruckners in besondere Beziehung mit dem übergroßen Raum.

Raum und Klang stehen von jeher in einer symbiotischen Beziehung zueinander. Zusammen sind sie zugewandte, aufeinander angewiesene Teile einer ganzheitlichen Inszenierung. Das gilt insbesondere für Kirchenräume und erst recht für eine Kathedrale wie dem Regensburger Dom, der als Abbild eines himmlischen Jerusalems seit fast 800 Jahren die Menschen als eine eindrucksvolle Ahnung des verheißenden göttlichen Jenseits in den Bann zieht.

Wenn nun im 6. Philharmonischen Konzert des Theaters Regensburg die symphonische Musik Olivier Messiaens und Anton Bruckners in diese besondere Beziehung mit dem übergroßen Raum treten, so ist das insofern schlüssig, weil beide Komponisten als Kirchenmusiker – der eine an der Pariser Kirche La Trinité, der andere im Stift Sankt Florian und später im Alten Linzer Dom – ihr Oeuvre kaum von der persönlich tief empfunden Religiosität zu trennen vermochten.

Ein symphonisches Gebirge

Von den vier, unter dem Titel „L‘Ascension“ (Die Himmelfahrt) zusammengefassten Orchestermeditationen von Messiaen erklangen am vergangenen Donnerstagabend die Teile I und IV als Prolog zur nachfolgenden Sinfonie Nr. 9 d-Moll von Bruckner. Der majestätische Blechbläserchoral zu Beginn und die beständige Verdichtung des Streicherklangs zum Ende hin ebneten trotz der klanglichen Eigenständigkeit den Weg zu Bruckner, öffneten die Ohren der Zuhörer mit ersten imposanten Akkorden, die im mächtigen Kirchenschiff widerhallten. Generalmusikdirektor Stefan Veselka ließ sich von der gewaltigen Akustik nicht sonderlich beeindrucken, begriff den Raum in seiner vielfältigen Wirkung als Teil der Musik, als Chance einer weiteren Dimension – ohne es zu übertreiben oder gar unnötig mit Pathos aufzuladen.

Deshalb blieben Messiaens Meditationen auch das, was sie sind – innigliche, religiös verklärte Betrachtungen, die sich perfekt an die nachfolgende Symphonie anschmiegen konnten, weil Veselka die Bläser und Streicher in ihrer Klanglichkeit da schon unmerklich zu Bruckner hinleitete, mit betörenden Blechbläsern und wunderbar samtig aufspielenden Streichern.

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Bruckners Neunte ist ein Schlussstein unter die Symphonik des 19. Jahrhunderts, ein Opus magnum des österreichischen Komponisten und Organisten, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Neun Jahre währte der Entstehungsprozess, davon schreibt der ständig unzufriedene, getriebene und detailversessene Komponist ganze sechs Jahre am ersten Satz. Veselka geht vor diesem symphonischen Gebirge nicht in die Knie, verlässt sich im Wesentlichen auf die ureigenste Kraft Bruckners, wenn er nur für die stete Zuordnung der Instrumentengruppe zueinander achtet und durch die großen und kleinen dynamischen Schattierungen und Farben mit großer Geste führt. Das ist Arbeit genug, hier wird die große Akustik tatsächlich zur Herausforderung. Und es wurde zum Triumph eines leidenschaftlich entfesselten Orchesters, dass im Verlauf der drei Sätze immer tiefer in die Welt des symphonischen Kolosses eintauchte, ohne behäbig zu werden, oder einfach nur laut zu sein.

Zur Höchstleistung animiert

Dem Generalmusikdirektor gelang es, Musiker und Zuhörer gleichermaßen durch das opulente Klanggemälde des ersten Satzes zu führen, hinein in die Wucht der hämmernden, immer wiederkehrenden Dissonanzen des Hauptmotivs im aufwühlenden zweiten Satz und schließlich durch die großflächigen Klanglandschaften im finalen Adagio. Beeindruckend, wie Veselka das gut 80-köpfige Orchester durch die akustische Diffusität führte, die herrlich und akkurat aufspielenden Blechbläser zur Höchstleistung animierte und die Holzbläser zu einer differenzierten Ausgestaltung ihrer Partien motivierte.

Am Ende konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, Zeuge einer Andacht oder zumindest eines tiefen Gebets im Regensburger Dom gewesen zu sein, weniger eines Konzerts. Und damit ist wohl alles erreicht, was Messiaen und Bruckner je mit ihrer Kunst erreichen wollten. Glaube und Musik sind dann doch eine große Einheit. Über alle Grenzen hinweg.