„Mobile Intensivstation“
In St. Hedwig können Frühchen ganz nah bei der Mama versorgt werden

11.08.2023 | Stand 12.09.2023, 23:44 Uhr
Martina Groh-Schad

Einmalig in Ostbayern: Prof. Sven Wellmann (von links), Oberarzt Dr. Holger Michel und Sabine Beiser, Geschäftsführerin der Klinik St. Heswig freuen sich, dass das Projekt dank zahlreicher Spenden realisiert werden konnte. Möglich machte dies auch die Frauenunion Regensburg Stadt und Land unter der Federführung von Bernadette Dechant (Vierte von rechts). Foto: Groh-Schad

Für Lisa S. war die Diagnose ein Schock: Gebärmutterhalskrebs. Der Tumor sollte so schnell wie möglich entfernt werden, doch sie war schwanger. „Es war psychisch eine enorme Belastung“, sagt sie. Mitte Juli, sie war in der 30. Schwangerschaftswoche, musste ihr kleiner Sohn Emil per Kaiserschnitt geholt werden.

Zum Einsatz kam dabei eine Erstversorgungseinrichtung, die die Klinik dank Spendengeldern anschaffen konnte und die es ermöglicht, dass Frühgeborene nach der Geburt direkt bei der Mutter versorgt werden können. Dabei handelt es sich um einen stabilen, beweglichen Tisch, an dem nötige Apparaturen wie ein Beatmungsgerät, Absauger, Infusion und Wärmestrahler befestigt sind und den man ganz nah an den Körper der Mutter heranfahren kann.

„Mobile Intensivstation“

„Es ist eine mobile Intensivstation“, erklärt Professor Sven Wellmann, Chefarzt in der Klinik. Ohne diese Einrichtung geht es im Falle einer Frühgeburt per Kaiserschnitt meist hektisch zu. „Es ist eine Operation und die Mutter kann nicht bewegt werden“, erklärt er. Die Nabelschnur, die die Versorgung des Kindes sichert, ist nur 40 bis 50 Zentimeter lang. Sobald sie durchtrennt ist, muss bei Frühgeborenen unter 1500 Gramm in der Regel eine künstliche Beatmung oder eine Atemhilfe zum Einsatz kommen. „Da muss es schnell gehen.“ Die Mütter würden oft nur sehen, wie ihr Kind umhüllt von einer Folie weggetragen wird, damit es andernorts versorgt werden kann.

Eine Erfahrung, die auch Stadträtin Bernadette Dechant bei der Geburt ihres ersten Sohnes machte. „Es war ein Schockerlebnis“, erinnert sie sich. „Ich wollte unbedingt sofort mein Kind sehen.“ Seither sei sie für das Thema sensibilisiert. Als sie davon las, dass es eine Erstversorgungseinrichtung gibt, die dieses Schicksal Frauen ersparen kann, wurde sie aktiv. Gemeinsam mit der Frauen-Union Regensburg Stadt und Land schob sie mehrere Spendenaktionen von Vereinen an und motivierte private Geldgeber. So kamen innerhalb kurzer Zeit die benötigten 100000 Euro zusammen. „Aus eigenen Mitteln hätten wir, aufgrund der wirtschaftlichen Lage, keine solche Apparatur anschaffen können“, betont die Geschäftsführerin der Klinik St. Hedwig Sabine Beiser und lobt das solidarische Projekt von Frauen für Frauen.

Für Mutter und Kind seien die ersten Minuten nach der Geburt entscheidend, denn dann werde das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet. „Das führt zu einer innigen Verbindung zum Kind“, sagt Wellmann. Zudem sei es für die Mutter sehr erleichternd, wenn sie alles sehen könne, das Kind höre und auch berühren könne. „Es gab mir die Sicherheit, dass alles gut wird“, bestätigt Lisa S. Durch den beweglichen Tisch können die Helfer das Kind nah bei der Mutter versorgen. Auch für das Team im Operationssaal stelle die mobile Intensivstation eine Erleichterung dar. „Es ist weniger Stress für alle, weil wir wissen, das Kind ist über die Nabelschnur gut versorgt“, erklärt Wellmann.

Etwa 100 Frühchen pro Jahr

Inzwischen kam die Erstversorgungseinrichtung etwa zehn Mal zum Einsatz und die Abläufe spielen sich ein. „Das Team muss die Anwendung regelmäßig trainieren“, erklärt der Chefarzt. Dazu zählen die etwa 50 Pflegekräfte sowie zehn Ärzte und Assistenten, die auf der Intensivstation tätig sind, hinzu kommen Hebammen, Mitarbeitende aus der Anästhesie und Gynäkologie sowie OP-Helfer.

In der Klinik werden pro Jahr rund 3500 Kinder geboren. Etwa 100 Kinder kommen zu früh mit einem Geburtsgewicht von unter 1500 Gramm zur Welt. Bei ihnen soll, soweit möglich, die neue Erstversorgungseinrichtung zum Einsatz kommen. Wie bei dem kleinen Emil. „Er hat die frühe Geburt gut überstanden und wächst ordentlich“, sagt seine Mutter. Auch rund um ihre Gesundheit blickt sie optimistisch in die Zukunft.