Katholische Jugendfürsorge
„Helfersystem droht zu dekompensieren“: Wenig Personal und kaum Clearingplätze

29.04.2024 | Stand 29.04.2024, 20:15 Uhr

Die KJF: Michael Hösl, Johann Kirmer, Michael Eibl, Simon Meier und Joachim Weiß. Foto: Campisi

5379 Familien suchten 2023 Hilfe bei der Katholischen Jugendfürsorge – rund 19 Prozent mehr als 2021. Nur fehlt in der Kinder- und Jugendhilfe das gut qualifizierte Personal.

Der Personalmangel macht auch vor der Kinder- und Jugendhilfe keinen Halt. Das stellt längst nicht mehr nur Kitas und Schulen vor Herausforderungen. Auch Beratungsstellen wie die Katholische Jugendfürsorge (KJF) bräuchten mehr Mitarbeiter. Denn die Nachfrage an Unterstützung ist in den vergangenen Jahren gestiegen.

5379 Familien mit Kindern und Jugendlichen wandten sich im vergangenen Jahr an eine der zehn Beratungsstellen der KJF in der Diözese Regensburg – fast ein Fünftel mehr als 2021, wie der Jahresbericht der KJF zeigt. Die Folge sind vor allem längere Wartezeiten. Über die Hälfte der Hilfesuchenden in Regensburg muss sich mehr als vier Wochen für ein Erstgespräch gedulden.

Kaum Clearing-Plätze

Grund dafür sind die personellen Kapazitäten. Und die fehlen nicht nur in der Beratung selbst. Der Leiter der Regensburger Beratungsstelle, Simon Meier, sagt: „Das ganze Helfersystem droht im Kinder- und Jugendbereich zu dekompensieren – damit müssen wir uns auseinandersetzen.“

Auch die sechs Plätze der Regensburger Clearingstelle St. Vincent unter der Trägerschaft der KJF sind laut Direktor Michael Eibl voll besetzt. Bei den dort untergebrachten strafunmündigen Kindern besteht eine starke Selbst- oder Fremdgefährdung. In der Regel leiden sie unter tiefgreifenden Beziehungsstörungen. Aufgenommen werden die Betroffenen nur mit elterlicher Zustimmung und einem familiengerichtlichen Beschluss.

Denn Kern von Clearingstellen sind freiheitsentziehende Maßnahmen. „Dabei geht es nicht ums Wegsperren, sondern um die Rehabilitation“, erklärt Eibl. Auf der Warteliste für die sechs Plätze stehen quasi laufend fünf Kinder und Jugendliche. Denn das St. Vincent sei, wie er sagt, aktuell die einzige aktive Clearingstelle in Bayern.

Ursprünglich hatte es im Freistaat vier Einrichtungen dieser Art gegeben. Zuletzt musste die Clearingstelle in Würzburg 2022 wegen eines Brandes vorerst schließen. „Wenn wir wieder die vier Clearing-Stellen in Bayern hätten, wäre das ausreichend“, sagt Eibl. Für diese brauche es aber ganz besonders intensiv ausgebildetes Personal mit langjähriger Berufserfahrung.

Zwei Extremfälle in Region

Dass die Kinder- und Jugendkriminalität in der Region gestiegen ist, zeigt auch die Polizeiliche Kriminalstatistik. So waren 2023 insgesamt 85 Kinder unter 14 Jahren tatverdächtig in Bezug auf Gewaltkriminalität. 2022 waren es 49 Kinder. Eibl beschreibt seinen Eindruck so: „Die Zahl der belasteten Kinder- und Jugendlichen ist höher, aber Extremfälle sind nach wie vor selten.“

In der Diözese machten jüngst zwei dieser Extremfälle Schlagzeilen: Ein Elfjähriger soll im April 2023 laut Ermittlungen im Kinderheim Wunsiedel ein Mädchen getötet haben – etwa ein halbes Jahr später stach ein 14-Jähriger in der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Bezirksklinikum Regensburg mit einem Messer zu und tötete einen siebenjährigen Patienten in der Ambulanz. Dass wegen solcher Fälle, die juristischen Hürden zur Aufnahme in Clearingstellen erleichtert werden sollten, hält Simon Meier für falsch.

Eibl und die KJF-Berater setzen auf Prävention. Dazu gehören Konzepte wie Erlebnispädagogik im Freien oder die Positive Jugendlichen-Beratung, bei der sich Gleichaltrige Ratschläge geben und gegenseitig helfen. Ein Problem teilen die Stellen dabei: Sie haben, wie Eibl sagt, zwar gute Akademien, nur komme dennoch zu wenig Nachwuchs.