Abstimmung im Bundesrat am 22. März
Söder soll Lauterbach stoppen: „Barmherzige“ warnen vor neuem Krankenhausgesetz

07.03.2024 | Stand 07.03.2024, 17:14 Uhr

Drei Mediziner schlagen Alarm: (v.l.) Ärztlicher Direktor Michael Pfeifer, die Leiterin für Patientensicherheit Antje Schoppa und Klinikchef Andreas Kestler warnten vor Plänen des Bundesgesundheitsministers. Foto: altrofoto.de

Vor der Abstimmung über das neue Krankenhaustransparenzgesetz im Bundesrat schlagen Verantwortliche der Barmherzigen Brüder in Regensburg Alarm: Das größte Krankenhaus der Oberpfalz brauche eine sichere Finanzierung, nicht noch mehr Bürokratie.



„Lügt Lauterbach?“ lautet der provokante Titel, den Andreas Kestler für seine Protest-Pressekonferenz gewählt hat. Mit zwei Kollegen aus dem Führungsteam warnt der Klinikchef der Barmherzigen Brüder in Regensburg vor den massiven Folgen der geplanten Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministers für die größte medizinische Versorgungseinrichtung in der Oberpfalz. Konkreter Auslöser ist das Krankenhaustransparenz-Gesetz, das – so Kestlers Sorge – schon am 22.März als Teilstück der weit reichenden Umstrukturierungen den Bundesrat passieren wird.

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Ärztlicher Direktor Michael Pfeifer spricht am Donnerstag von einer neuen „Misstrauens-Bürokratie“, die wohl ab 1. Mai bei kostenzehrendem Aufwand keine bessere medizinische Versorgung bringt. Das Kernproblem – der Ausgleich der steigenden Defizite in Kliniken – ist für Kestler ungelöst. Sein Rat an Lauterbach: Am 22.März besser die dringend nötige höhere Kostenerstattung zuzusichern. Der so genannte Landesbasisfallwert müsse um 8,1 Prozent steigen, um Inflation und Tarifsteigerungen abzufedern. „Dann wäre die Welt in Ordnung.“

Prüfstein für Glaubwürdigkeit

Was Kestler besonders ärgert: Lauterbach versuche den Ländern ihr Ja zum Transparenzgesetz mit der vagen Aussicht auf eine Erhöhung eben dieses Basiswerts abzuringen, auf die die Krankenhäuser warten. „Wir sind das Faustpfand des Bundesgesundheitsministers im Erpressungsversuch der Länder.“ Er erinnert an das Versprechen des SPD-Politikers, dass Krankenhäuser durch die Reform wieder eine Perspektive erhalten. Bessere Qualität, Entökonomisierung und Entbürokratisierung habe Lauterbach dabei eingepreist. Status quo sei jedoch, dass gerade Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft durch das Raster fallen. Anders als bei staatlichen Uni-Kliniken oder Krankenhäusern unter kommunaler Trägerschaft würden Defizite hier nicht mit Steuermillionen ausgeglichen, sondern müssten aus eigener Kraft gestemmt werden. 30 von ihnen seien 2023 bundesweit insolvent gegangen.

Der Bettelorden der Barmherzigen Brüder verfüge nicht über Reserven, auf die er zurückgreifen könne, sagt Kestler. Unter Spardruck hatte im vergangenen Jahr die Klinik für Geriatrische Rehabilitation wegen eines jährlich hohen sechsstelligem Defizits geschlossen werden müssen. Weitere Einschnitte bei der Patientenversorgung sind vorerst nicht geplant, aber Investitionen gestoppt. „Wir wollen keine Leistung abbauen“, bekräftigt Pfeifer. Kestler verweist auf die Verpflichtung, die man als kirchliche Einrichtung gegenüber Kranken spüre. „Wir haben eine über 1500-jährige Ordenstradition bei der Krankenversorgung.“

Die „Barmherzigen“ betreiben in Regensburg nach eigenen Angaben die bundesweit größte katholische Klinik. Jährlicher Gesamtumsatz: rund 350 Millionen Euro. Immer größerer Faktor: die Bürokratie – und das schon vor Lauterbachs Transparenz-Gesetz, wie Antje Schoppa, Leiterin für Organisationsentwicklung und Patientensicherheit schildert. Als Beispiel nennt sie die neue elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die mit diversesten Spielarten viele Kapazitäten bindet.

Suche nach Verbündeten

Kestler appelliert an Ministerpräsident Markus Söder, vor der Bundesratsentscheidung am 22.März den Druck auf Lauterbach zu erhöhen. „Bevor sich ein Landesvater ums Gendern kümmert, möge er doch bitte die Stimme Richtung Berlin erheben.“ Der Klinikchef hatte die Notlage der kirchlichen Häuser zuletzt bei Begegnungen im Regensburger PresseClub auch nachdrücklich dem bayerischen Finanzminister Albert Füracker sowie dem früheren bayerischen Gesundheitsminister und heutigen CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek geschildert. Beide signalisierten großes Verständnis – kein Bundesland könne aber in die Finanzierung des laufenden Betriebs von Krankenhäusern einsteigen. Holetschek forderte frisches Geld vom Bund. Die Ampel-Regierung bringe mit Stolz ein Cannabis-Gesetz auf den Weg, wunderte er sich, doch „daneben brennt die Hütte an jeder Ecke“.

Füracker kritisiert die „andauernde Hängepartie“ seit Dezember 2022. „Der Bund darf nicht weiter tatenlos zuschauen, wie viele Krankenhäuser in finanziell immer brenzligere Situationen schlittern.“ Bayern unterstütze seine Krankenhäuser auf höchstem Niveau. „In 2024 haben wir die Fördermittel für Krankenhausinvestitionen gemeinsam mit den Kommunen auf 800 Millionen Euro erhöht.“ Insgesamt seien über 1,2 Milliarden Euro für Krankenhäuser, Kliniken und Pflegeeinrichtungen vorgesehen.

Zur Info: Die „Barmherzigen“ in Regensburg



Zahlen: Die „Barmherzigen“ und die dazu gehörige Hedwigsklinik in Regensburg addieren sich in dieser Formation zum größten katholischen Krankenhaus Deutschlands. Vorgehalten werden 985 Betten. Rund 3800 Mitarbeiter kümmern sich um die Versorgung von jährlich etwa 46000 stationären und 150000 ambulanten Patienten. Der Orden der Barmherzigen Bürder betreibt in Bayern weitere Krankenhäuser in München, Straubing und Schwandorf.

Ursprünge: Der Orden geht auf den heiligen Johannes von Gott (1495-1550) zurück, dessen Berufung es war, Kranke und Hilfsbedürftige in seinem Hospital im spanischen Granada zu versorgen. Die Glaubensgemeinschaft ist auf allen fünf Kontinenten verankert und zählt weltweit über 1000 Ordensmänner.