Als Lale Andersen 1960 den Schlager „Ein Schiff wird kommen“ mit sehnsuchtsvoller Altstimme sang, war Matthias Schlüter acht Jahre alt. Jahrzehnte später landete Schlüter, als Maler und Zeichner längst zum Künstler avanciert, mit einer ganzen Schiffsflotte in Distelhausen.
In der Galerie von Carola Insinger an der Naab ist so endgültig „das Jahr des Schiffes“ angebrochen − meinte jedenfalls Kunsthistorikerin Caroline Ebeling in ihrer Einführung zu Schlüters Ausstellung „Schifffahrtsorte“ und verwies auf Günter Kempfs Ausstellung im Frühjahr, die sich um „Die Schatzinsel“ drehte.
Frühzeitige Beziehung zu Schiffen
Im Unterschied zu dessen brüchigen Schaluppen wären Schlüters Kähne, Dampfer und Frachter, sowie die Segelboote in der Realität durchaus hochseetauglich. Schlüter hat, wie Ebeling im Dialog mit dem Künstler ausführte, vielfältige Beziehungen zu Schiffen und Schiffsreisen. Schon als Kind war er mit seinen Eltern in den Ferien oft auf griechischen Schiffen und Fähren unterwegs. Für die jetzt entstandenen monothematischen Bilder und Kleinserien fuhr er mit einem Lastschiff von Dortmund nach Rotterdam. Dabei sind mehrere Hefte voller Zeichnungen entstanden.
Diese dienten Schlüter als Vorlage für seine Acrylgemälde und Zeichnungen von Flussschiffen, Schiffen in Kanälen, in Häfen und am Trockenen. Von Hafenanlagen und Containerstationen, von auf- und übereinander getürmten Schiffsbergen, die er halb ironisch, halb verzweifelt „Hafenkonzert I – III“ nennt und vorwiegend in weiß-gelb gehalten hat. Ein Motiv erzählt von einer bedrohlich eingekeilten Nussschale, andere von heiter-leichten Sommerstimmungen am Fluss in orange, gelb, rot.
Spur zu Sehnsüchten
Surreal muten zwei hochformatige größere Werke im Eingangsraum an, auf denen der Beratzhausener menschliche Körper mit Schiffen verbindet und übermalt. Dabei entstehe ein „völlig neuer Eindruck von Schiffskörper“, interpretierte Ebeling diese Liaison. Die Schiffchen selbst geraten dabei aus der Fasson, stoßen an die Körper und evozieren etwas Verklemmtes. Vielleicht legt Schlüter damit eine verdeckte Spur zu den Sehnsüchten und erotischen Gefühlsaufwallungen, die einst mit ankommenden Schiffen, Meer und Hafen in Verbindung gebracht worden sind. Von diesen romantischen Vorstellungen ist im heutigen digitalisierten und kommerzialisierten Schiffsverkehr nichts übrig. Bei Schlüter gewinnen die figurativ gehaltenen Motive, die in Form, Farbe und Gestaltung an expressionistische bis neu-sachliche Malerei erinnern, eine eigene Schönheit und Dynamik.
Selbst im dichtesten Gedränge auf dem manchmal auch brackig erscheinendem Flusswasser vollführt seine Flotte aus Booten, Schiffen und Entladekränen einen musikalisch-tänzerischen Reigen. Der ist zuweilen leicht und angeberisch, dann wieder voller Neugier oder ballt sich zu einem aggressiven Gedränge wie beim Pogo der Punkies zusammen. Die Ausstellung ist bis 29. Oktober zu sehen.
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