IG Metall spricht von „Kahlschlag“
Schock bei Infineon: Chiphersteller streicht in Regensburg 400 bis 600 Arbeitsplätze

In Regensburg könnten 500 Stellen wegfallen

07.05.2024 | Stand 08.05.2024, 11:32 Uhr

Fertigung bei Infineon in Regensburg: Auch in der Produktion dürfte der Rotstift angesetzt werden. Foto: altrofoto.de

Vor eineinhalb Jahren hatte der Werkleiter von Infineon Regensburg, Jörg Recklies, noch große Freude am Wachstum des Standorts. Die inzwischen schon im Teilbetrieb laufende neue Halle am westlichen Rand des Geländes befand sich im Rohbau und sollte dafür sorgen, dass das Werk mehr produzieren kann, bis zu zehn Prozent.



Damals konnte die Fertigung des Chipherstellers mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Zusätzliche Mitarbeiter wurden eingestellt, der Standort wuchs auf heute gut 3100 Beschäftigte plus fast 200 Zeitarbeiter. Das hat sich verändert. Die Kunden bestellen weniger, verlangen günstigere Preise – und Infineon sieht sich nun gezwungen zu sparen.

Keine betriebsbedingte Kündigungen



Der Vorstand verkündete gestern Personalabbau und Verlagerungen von Produktionen in kostengünstigere Länder. Die Folgen für Regensburg: Es werden Stellen im mittleren dreistelligen Bereich wegfallen. Das legt eine Zahl zwischen 400 bis 600 nahe.

In einer Mitarbeiterversammlung informierte die Werkleitung ab elf Uhr über Maßnahmen und Folgen für Regensburg. Bei den Zeitarbeitern wurde schon reagiert. Von den 400 externen Kräften Ende 2022 sind nur noch weniger als 200 übrig.

Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht vorgesehen, verkündete das Unternehmen. Der lange Zeitraum bis Ende 2026 und die Tatsache, dass nun viele geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter erreichen, sollte es erleichtern, viele Stellen abzubauen, indem ausscheidende Beschäftigte nicht ersetzt werden.

Regensburg bleibt Entwickler



Zu den Gründen für das Sparprogramm „Step Up“ verlautete vom Vorstand in Neubiberg bei München: „Viele Endmärkte entwickeln sich konjunkturbedingt schwach, und der Abbau der Halbleiterbestände bei Kunden und Distributoren dauert an. Die Nachfrageschwäche bei verbrauchernahen Anwendungen zieht sich hin“, erklärte Vorstandschef Jochen Hanebeck. „Zudem sehen wir eine spürbare Verlangsamung des Wachstums im Automobilbereich.“

Regensburgs zentrale Rolle ist die Entwicklung neuer Chips und Produktionsmethoden. Diese Position soll nach unseren Informationen keineswegs angetastet werden.

Das Werk liefert etwa Chips für den Konsumbereich mit dem Schwerpunkt Unterhaltungselektronik und Mobilfunk. In diesen Branchen macht sich Beobachtern zufolge ein Nach-Corona-Beben bemerkbar: Während der Pandemie kauften die Menschen Fernseher, Smartphones und andere Geräte, um die viele Zeit zuhause damit zu verbringen. Heute sind die Kunden entsprechend gut versorgt. Wenigstens hat sich der Smartphone-Absatz zuletzt stabilisiert.

Ein wesentlicher Absatzbereich ist für Regensburg der Sektor Automotive. Lieferungen an die Automobilhersteller und deren Zulieferer (erst im Herbst wurde ein Milliarden-Vertrag mit der Regensburger Vitesco unterzeichnet) sorgten in den vergangenen Jahren für hohe Volumina. Doch auch hier schwäche sich der Markt ab, teilte der Vorstand nun mit. Genauer gesagt: Das Wachstum lässt nach.

IG Metall: Geht um Gewinnmaximierung



Allerdings geht das Management in Summe perspektivisch von einem weiter wachsenden Absatz aus. Infineon steckt mit seinen Chips mittendrin in den Megathemen Digitalisierung und Dekarbonisierung. Das Problem aus Sicht des Vorstands: Wettbewerber seien erheblich profitabler. Diese erzielten zum Teil Margen von 30 Prozent, Infineon nur 20 Prozent. Im Management ist denn auch nicht von zyklischen Einsparungen wegen der Schwankungen im Absatz die Rede, sondern es geht grundsätzlich darum, höhere Gewinne zu erwirtschaften, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Darüber ist die Gewerkschaft IG Metall erzürnt. Für sie sind die Nachrichten Hiobsbotschaften und Grund zu Kritik an dem „Kahlschlag“. Zum einen habe das Unternehmen die Arbeitnehmervertreter nicht frühzeitig eingebunden. Zum zweiten weist der ostbayerische IG-Metall-Chef Rico Irmischer darauf hin, dass sich das Unternehmen nicht gerade in Schieflage befinde. Das Konzept, Produktion in Niedrigkosten-Standorte zu verlagern, hält er für falsch. Hier gehe es allein um Profitmaximierung.

Gerade die Halbleiterindustrie habe in den vergangenen Jahren massive Gewinne eingefahren, sie sei der Gewinner der Chipkrise der letzten Jahre.

Allein an der Börse sorgten die Nachrichten für beste Stimmung. Die Infineon-Aktie quittierte die Sparvorhaben bis zum Abend mit einem Kurssprung um 12,5 Prozent.