Wenig Heimvorteil für die Regensburger
Im Wald geht’s für die Orientierungsläufer um deutsche Titel

19.09.2023 | Stand 19.09.2023, 18:00 Uhr

Schnell laufen, schnell orientieren: Das ist die Aufgabe von Riccardo Casanova – am Wochenende beim Sprint an der Regensburger Uni und der Langstrecken-DM in Süssenbach. Foto: Grifoni

Eine Reise in eine unbekannte Stadt? Oder wandern in unbekanntem Terrain im Wald? Alles kein Problem mit Riccardo Casanova. Verirren ist mit dem 23-Jährigen kaum möglich.

„Ich glaube, mein Orientierungssinn ist ganz gut. Ich achte schon ganz unterbewusst darauf“, sagt Casanova. „Wenn der Hang in die eine Richtung links oben liegt, dann muss er in der anderen Richtung rechts oben sein.“

Der Hintergrund ist einfach: Die Leidenschaft des Regensburger Physik-Studenten mit Schwerpunkt Quantenmechanik, der aktuell am Bachelor arbeitet, ist Orientierungslauf. Bei Casanova, der Anfang 2020 als bislang Letzter als „Ostbayerns Sportler des Jahres“ ausgezeichnet worden war, kribbelt‘s vor dem letzten Saisonstart: „Ich bin extrem motiviert und extrem vorbereitet.“

Nach der Sprint-DM 2017 in Regensburgs Innenstadt zelebriert die Orientierungslaufgemeinschaft (OLG) am Wochenende wieder mal drei Tage eine Großveranstaltung mit 750 Teilnehmern aus ganz Deutschland und dem Ausland.

Zum Aufwärmen gibt‘s am Freitag ab 17 Uhr auf dem Universitätsgelände in Regensburg einen Sprintwettbewerb. Am Samstag (ab 11 Uhr) und Sonntag (ab 10 Uhr) folgen in Süssenbach die deutsche Einzelmeisterschaft der Langdistanz und der Deutschland-Cup für Staffeln ,it fünf Startern in Altersklassen von 12 bis 85.

Elitestarter Riccardo Casanova gehört zum Nationalteam. Eine Covid-Erkrankung kostete ihn heuer die WM-Teilnahme in der Schweiz. Vor sechs Jahren war er in Regensburg in der U-18-Klasse DM-Dritter. Meister damals war OLG-Klubkollege Timon Lorenz, der aktuell deutsche Sprint-Meister ist, während Casanova 2023 zur OLG-Goldstaffel bei der DM gehörte. Bei den Damen gibt es mit Jasmin Hertel und Sophie Kraus zwei weitere OLG-Starterinnen, dazu führt mit Juliane Burgmair eine Regensburgerin die Bundesrangliste der Damen16 an.

DM-Gebiet ist Sperrgebiet

Der Heimvorteil für Riccardo Casanova und Co. hält sich übrigens in engen Grenzen. Üben vor Ort mit Karte und Kompass klappt seit der Meisterschaftsvergabe nicht mehr: „Das ist seit zwei Jahren Sperrgebiet“, erklärt Casanova. „Das ist wie bei Doping. Irgendwo ist das Vertrauenssache, denn erwischt werden darf man nicht.“

Casanova, der sich im Winter bei der LG Telis Finanz im Training mit Miriam Dattke und Co. die Fitness für die Orientierungslaufsaison vom Frühjahr bis in den Frühherbst holte und unter anderem DM-Teamgold im Crosslauf gewann, muss noch oft erklären, welchen Leistungssport er da genau betreibt. So oder ähnlich versucht Casanova es dann in Worte zu fassen: „Man hat eine Karte eines bestimmten Gebiets. Darin sind Postenstandorte eingezeichnet – und mit Hilfe eines Kompasses muss man den schnellsten Weg zwischen den Standorten finden. Das Spannende ist, in der Natur zu laufen, und dabei die physische Komponente mit der technischen zu mischen, also auf Topniveau unterwegs zu sein, sich gleichzeitig aber nicht zu verlaufen.“ Das ist auch Erfahrungssache. Auf „200 bis 300 Starts“ bei Orientierungslaufwettkämpfen „inklusive meiner Jugendzeit“ schätzt Riccardo Casanova seine Werte.

Manchmal nur Sekunden

Er ist zudem gespannt, wie eng es auf dem als technisch sehr anspruchsvollen Gelände im oberen Bayerischen Wald wird, wo mit Siegerzeiten zwischen 80 und 90 Minuten zu rechnen ist. „Das können ein paar Minuten sein, aber auch nur Sekunden. Es kommt darauf an, wie viele Fehler man macht.“ Casanova, der 2024 die WM-Teilnahme in Schottland und die Studenten-WM („Im Team haben wir vielleicht eine Medaillenchance“) anstrebt, denkt obendrein nach, seinen Master im norwegischen Trondheim zu machen. „Da gibt es einen Studentenverein und es ließe sich mit 20, 30 Leuten auf deinem Niveau trainieren.“ In Skandinavien ist Orientierungslauf nämlich Volkssport.

Kleine Disziplinkunde: Orientierungslauf

Beschreibung: Beim Orientierungslauf müssen im Gelände mittels Landkarte (siehe Bild) und Kompass Kontrollpunkte festgelegt gefunden und mit der optimalen Route verbunden werden. Orientierungslauf verbindet körperliche Fitness mit einem hohen Maß an geistiger Leistung. Besonders populär ist Orientierungslauf in Skandinavien, wo er zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde.

Zeitplan: Zur Vorbereitung auf die deutsche Langdistanz-Meisterschaft im Einzel findet am Freitag ab 17 Uhr an der Universität Regensburg ein Sprint statt. Am Samstag ab 11 Uhr geht es im oberen bayerischen Wald in Süssenbach dann um die deutschen Titel. Am Sonntag ab 10 Uhr wird an gleicher Stelle der Deutschland-Cup in der Staffel (Mitteldistanz) ausgetragen.