Von Bernhard Fleischmann
Regensburg. Die Auftragsbücher des Autozulieferers sind voll, sagt Vorstandschef Andreas Wolf bei der Hauptversammlung in Regensburg. Und er gibt eine klare Richtung vor.
Der Start geriet für eine Premiere ziemlich statisch – obwohl die Führung der Regensburger Vitesco AG am Mittwoch im Marinaforum erstmals ihren Aktionären persönlich gegenübertrat. Im Vorjahr wurde die Veranstaltung pandemiebedingt digital absolviert. Die Rede insbesondere des Aufsichtsratschefs Siegfried Wolf erinnerte phasenweise trotz österreichischer Einfärbung ein wenig an Maschinensprech. Alle schienen zufrieden, alles lief sehr gediegen und ernsthaft über die Bühne,
Bis Paul Petzelberger als Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger SdK das Wort ergriff – und die Anteilseigner im Saal freundlich rüffelte, sich doch bitte angemessen einzubringen. Null Stimmung, beklagte er, und begann im Stile eines Entertainers, das Publikum in Fahrt zu bringen. Dazu paarte Petzelberger seine Fragen an Vorstand und Aufsichtsrat mit viel Lob.
Von wegen Klotz am Bein
Der scheidende Finanzvorstand Werner Volz – er wird zum 1. November in den Ruhestand gehen – habe die Abspaltung des Autozulieferers von Continental sehr transparent und kompetent gestaltet, da gebühre ihm „für die tolle Zeit mit ihm“ ein brandender Applaus, animierte der Aktionärsvertreter den Saal, der prompt artig folgte. Vitesco sei gestartet als „Klotz am Bein“, erinnerte Petzelberger, den Conti habe loswerden wollen. Nun, zwei Jahre später, gelte das Unternehmen als Motor der Elektromobilität, mit 38000 Mitarbeitern, denen großer Dank gebühre – wieder Applaus.
Abgesehen davon blieben diese Momente kurze emotionale Ausreißer. Aber keineswegs aus einer möglichen Enttäuschung der Aktionäre heraus. Die hörten höchst zuversichtliche Botschaften, erfuhren von weitgehend guten Entwicklungen der Gesellschaft im vergangenen Jahr und vernahmen noch viel besser klingende Einschätzungen zur Zukunft.
Vitesco fährt mit vollem Schwung in die Elektromobilität. Die Verbrennertechnologie ist beim Umsatz noch dominant, aber strategisch und bei den eingehenden Aufträgen längst eine Art Mitläufer. Unter anderem beschloss man im vergangenen Jahr den Verkauf des Katalysatoren- und Abgasfiltergeschäfts.
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Das Geschäftsjahr 2022 war für Vitesco das erste in „voller Unabhängigkeit“, wie Vorstandschef Andreas Wolf erinnerte. Kein ideales Jahr, um in Ruhe flügge zu werden, vielmehr geprägt von Corona-Lockdowns in China, von gerissenen Lieferketten und dem Beginn des Ukraine-Kriegs.
Die eindeutige Ausrichtung hin auf E-Mobilität verdeutlicht ein Blick auf die Entwicklung von Umsätzen und Aufträgen. Im vergangenen Jahr entfielen von den insgesamt knapp 9,1 Milliarden Euro Umsatz erst 1,1 Milliarden auf die Elektrifizierung. Der E-Bereich soll aber 2026 auf fünf Milliarden Euro Umsatz wachsen, 2030 auf zehn bis zwölf Milliarden. Im Jahr 2026, so Wolfs Prognose, werde der Umsatz mit E-Mobilität jenen mit Verbrennertechnologie überholen: „Der Wandel zur Elektromobilität ist in vollem Gang und nicht mehr aufzuhalten.“
Noch viel deutlicher wird die Entwicklung beim Blick auf die Aufträge. Neun Jahre rechnet Vitesco als „Verweildauer“ – vom Auftragseingang bis zum vollen Umsatz. Wichtig für die Zukunft: „Unsere Auftragsbücher sind voll“, so der Vorstandsvorsitzende. Fast 60 Milliarden Euro seien dort enthalten, davon heute schon mit 46 Prozent fast die Hälfte für die Elektrifizierung. Neue Aufträge, die jetzt hereinkommen, würden bereits von der E-Mobilität dominiert: Von den 14 Milliarden Euro neu eingegangenen Aufträgen 2022 entfielen deutlich über zehn Milliarden auf dem E-Bereich.
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Nicht nur das Volumen steigt, auch die Rentabilität werde besser. Zwar stehen im E-Bereich noch tiefrote Zahlen, auch wegen des hohen Entwicklungsaufwands als Vorleistung. Aber sie verbessern sich allmählich. „Der Ausstieg aus den Nicht-Kerntechnologien kommt gut voran“, so Wolf. Ein Teil davon entfällt auf die Auftragsfertigung für die vormalige Mutter Continental, die 2026 beendet sein soll. Einen kompletten Abschied vom Verbrenner bedeutet all dies nicht. Vielmehr solle der Umsatz im Kerngeschäft des Verbrennerumfelds stabil bleiben mit nur leicht rückläufigen Umsätzen bis 2030.
Dividende in Reichweite
Das Geschäft mit der Elektrifizierung werde, so Wolf, weiter wachsen. Wer Vitesco-Aktien besitze, habe eine gute Entscheidung getroffen, schloss Wolf auch mit Blick auf die Kursgewinne. Um anschließend eine wohl gezwungenermaßen ebenso dröge wie komplizierte Erklärung zu einem Gewinnabführungsvertrag zu verlesen, die weit mehr fragende als wissende Gesichter hinterließ. Das Ganze soll Vorteile haben beim Management der Gesellschaft – und Steuern spare es auch.
Für Aktionärssprecher Petzelberger im Summe „eine tolle Entwicklung bisher“, der eine schüchterne Nachfrage nach einer ersten Dividende erlaube. Finanzchef Volz überraschte in seiner Antwort mit der Ankündigung, „das könnte schon für 2023 möglich sein“.
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