Interview
Bayern ist für Ferdinand Hofer Heimat

Er ist Assistent im Münchner Tatort oder Metzgers-Sohn in den Eberhofer-Krimis. Studium und Dreh bringt er unter einen Hut.

07.06.2018 | Stand 16.09.2023, 6:08 Uhr
Angela Sonntag

Ferdinand Hofer Foto: BR/Claussen+Putz Filmproduktion GmbH/Hendrik Heiden

Der Münchner Tatort ist eine Institution. Seit mittlerweile 27 Jahren wird in der bayerischen Landeshauptstadt ermittelt, damit gehört diese Tatort-Reihe zu den bekanntesten und beliebtesten. Mittlerweile untrennbar verbunden mit dem Münchner Standort sind die beiden Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr, dargestellt von Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl. Dem unverwüstlichen Duo wurde über die Jahre hinweg immer wieder ein Assistent an die Seite gestellt. Kriminaloberkommissar Carlo Menzinger, gespielt von Michael Fitz, war immerhin von 1991 bis 2007 als ewig jugendlicher und lässiger Typ der Dritte im Team – und hielt damit recht lange aus. Danach gab es eine hohe Fluktuation beim Assistenten-Job. Bis im Mai 2014 in der Folge „Am Ende des Flurs“ Kriminalkommissar Karl-Heinz „Kalli“ Hammermann auftauchte, gespielt von Ferdinand Hofer. Auch er darf hauptsächlich dem Ermittler-Duo Batic-Leitmayr assistieren und ist für die Hintergrund-Recherche zuständig. Aber er hält sich wacker neben den beiden Münchner Originalen. Am Sonntag war er im Ersten in der Folge „Freies Land“ bereits in seinem zwölften Tatort zu sehen. Ein Grund mehr, sich mal mit Ferdinand Hofer über den Münchner Tatort, aber auch sein nicht minder interessantes Leben neben der Schauspielerei zu unterhalten.

Im neuesten Tatort „Freies Land“ geht es für die Ermittler weg von der Großstadt, raus aus München nach Niederbayern in die Provinz. Du selbst kommst aus Großseeham, also auch „vom Land“, wohnst aber seit Längerem schon in München. Bist Du eher der ländliche Typ oder der Großstadt-Mensch?

München würde ich jetzt nicht als Großstadt bezeichnen. Für mich ist München die perfekte Stadt. Du bist auf der einen Seite schnell in den Bergen, zum Wandern oder im Winter zum Skifahren. Auf der anderen Seite bist du in kürzester Zeit am See oder in der Natur zum Radeln. Und auch die Innenstadt ist klein gehalten mit vielen Parks und gemütlichen Plätzen. Ich sehe München also nicht als typische Großstadt, da gibt es ganz andere Beispiele. Für Leute in meinem Alter ist es bestimmt interessanter, in so einer Stadt wie München zu leben als auf dem Land. Für später kann ich mir aber durchaus gut vorstellen, dass ich wieder raus aus der Stadt will.

Was bedeutet für Dich Heimat?

Bayern ist für mich Heimat! Noch spezieller Oberbayern. Das ist meine Heimat: Berge, Grün und auch die Leute dort. Natürlich auch deswegen, weil hier meine Freunde und Familie sind. Aber ich mag schon die Art von Menschen, die hier leben. In jeder Stadt und in jedem Land sind die Menschen unterschiedlich. Es wird ja oft behauptet, dass die Bayern grantig sind. Das mögen die einen vielleicht so negativ sehen, für mich ist es eine Eigenart, die auch irgendwie dazugehört.

Du bist durch Marcus H. Rosenmüller zum Film gekommen, ein Regisseur und Filmemacher, der auch sehr viele bayerische Heimatfilme gedreht hat. Wie war für Dich die Arbeit mit ihm? Was ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?

Das ist schon ziemlich lange her. Ich war damals noch ein Kind. Aber an was ich mich erinnere und was für mich so besonders war, war die Art und Weise von Marcus, wie er Kindern vermitteln konnte, wie eine Szene auszusehen hat. Es herrschte sowieso immer eine sehr lockere und auch lustige Stimmung, aber als Kind nimmst du die Atmosphäre am Set ganz anders wahr. Bei manchen Szenen schauspielerst du vielleicht zu viel oder an anderer Stelle zu wenig. Marcus hat uns das gezeigt, und zwar so, dass es ein Kind versteht. Oft hat er es auch vorgespielt. Er war als Regisseur also eigentlich mehr mittendrin im Film als nur hinter der Kamera.

War er der Grund für Dich, warum Du mit der Schauspielerei weitergemacht hast?

Nicht er speziell. Der Grund war eher allgemein. Die Leute und die Stimmung beim Film haben mir sehr gut gefallen und das Schauspielern an sich hat mir Spaß gemacht. Das habe ich ja schon vorher in der Schule auf der Theaterbühne entdeckt. Aber die Film-Atmosphäre hat dann schon nochmal mehr Freude geweckt.

Mit dem bayerischen Filmemacher Rosenmüller hast Du angefangen, dann hast Du in mehreren Eberhofer-Krimis mitgespielt und bist seit vier Jahren beim Münchner Tatort: Was ist das Besondere an bayerischen Filmen im Vergleich zu anderen?

Ich würde sagen, der Humor! Auch wenn natürlich beim Tatort der Humor nicht vorrangig ist. Wir bekommen dennoch oft die Rückmeldung, dass beim bayerischen Tatort – mittlerweile gibt es ja zwei bayerische, das trifft aber auf den Franken-Tatort ebenso zu – der Humor besonders ist. Das ist etwas, das mich an dieser Art von Filmen reizt. Es gibt natürlich viele Komödien und humorvolle Filme aus anderen Teilen von Deutschland. Aber meiner Meinung nach ist der bayerische Humor etwas Besonderes und der mir, logischerweise, auch liegt. Da fällt es mir auch leichter, das rüberzubringen.

Würdest Du sagen, der Humor ist auch etwas, der uns Bayern ausmacht?

Hm(überlegt)... Also ich würde jetzt nicht behaupten, dass die Menschen in anderen Teilen von Deutschland keinen Humor haben. Wenn man das mit dem Filmbereich vergleicht: Solche Komödien-Reihen wie die Eberhofer-Krimis gibt es ja überall in Deutschland. Und da ist jeder Humor eigen. Ich würde also nicht sagen, dass der Humor eine Spezialität der Bayern ist.

Was bei Heimat- und regional-verankerten Filmen aber in jedem Fall dazugehört, ist der Dialekt. Du kommst aus Oberbayern, wie viel Dialekt wird bei Euch gesprochen?

Ich muss zugeben, wenn man in München wohnt, verlernt man den Dialekt ein wenig ... leider(lacht)! Also die Färbung ist logischerweise schon noch da, aber viele Ausdrücke benutzt man einfach nicht mehr im alltäglichen Leben. Ich habe hier Freunde aus der Heimat, die mit mir damals nach München gezogen sind. Teilweise wohnen wir auch zusammen. Da bricht dann manchmal schon das Bairische durch(schmunzelt). Bei mir zuhause, meine Familie, spricht auch bairisch, aber man darf sich jetzt nicht vorstellen, dass wir im „Ultra-Dialekt“ vor uns hingrölen. Eher ein normales Oberbayerisch.

Hast Du ein Lieblings-Dialekt-Wort, das man auch schlecht übersetzen kann?

Gute Frage! Da muss ich mal überlegen... Oh, ich habe eines: „Sacklzement“ finde ich ein gutes Wort. Das benutzt eigentlich kaum mehr jemand. Oder zumindest habe ich es in München noch nie gehört. Wenn ich mit meinen Freunden zusammen bin, dann fällt schon manchmal„Sacklzement“ oder „Herrschaftszeiten“, aber eher aus Spaß. Ich wüsste auch nicht, wie man das übersetzen könnte. Da fällt mir spontan kein Pendant im Hochdeutschen ein. Man könnte es vielleicht erklären mit „Scheiße“, nur eine viel nettere Art, „Scheiße“ zu sagen. Das ist das Schöne an Bairisch(lacht).

Ist Dir eines von beidem lieber? Hochdeutsch oder Dialekt?

Nein, ich würde nicht sagen, dass mir eines von beidem lieber ist. Mein Bruder ist zum Beispiel auch nach München gezogen und spricht hier eher hochdeutsch. Sind wir aber zuhause, sprechen wir beide oberbayerisch. Ich gleiche mich da also eher an. Spricht mit mir jemand ohne Dialekt, spreche ich auch hochdeutsch und umgekehrt. Ähnlich ist es dann auch mit meinen österreichischen Freunden. Spreche ich mit ihnen, wird es bei mir auch bairischer, weil es zu ihrem Dialekt besser passt.

Du hast ja schon früh mit der Schauspielerei begonnen, hast sie aber später nicht zu deinem Hauptberuf gemacht, sondern ein BWL-Studium in München begonnen ...

Als es darum ging, sich zu entscheiden, wie es für mich weitergeht, stand der Film gerade nicht im Vordergrund. Ein Studium erschien für mich solide. Außerdem war für mich Studieren schon immer etwas, das mir ebenfalls Spaß gemacht hat. Und umgekehrt hat es mir auch für das Schauspielern geholfen. Denn als Schauspieler muss man sich in andere Personen oder Situationen hineinversetzen und durch das Studieren lerne ich viele verschiedene Leute und Lebensweisen kennen.

Und wie bringst Du Studium und Drehen unter einen Hut?

Momentan bin ich zum Beispiel mit beidem parallel beschäftigt. Ich studiere gerade in Mailand, mache dort ein Auslandssemester. Und vergangene Woche ist aber ebenso ein Dreh gestartet. Deshalb bin ich gerade hier in München, weil wir uns zu Vorbereitungen getroffen haben.

Da war es vorher, als Du in München studiert hast, wahrscheinlich einfacher, Studium und Drehplan zu kombinieren. Mit Mailand kann ich mir das nicht mehr so einfach vorstellen ...

Tatsächlich ist es fast einfacher. Ich bin in Mailand in der Uni weniger gebunden als vorher in München. Außerdem ist Mailand nicht so weit entfernt, das ist ein kurzer Flug. Es gibt Schauspielkollegen, die kommen aus Berlin oder Hamburg zum Dreh nach München. Die fliegen dann fast genauso lang.

Der Münchner Tatort „Freies Land“ ist Dein zwölfter. Kannst Du Dich noch an Deinen ersten Tatort erinnern? Gerade, weil Du zu zwei so „alten Hasen“ kamst wie Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl?

Also anders als im Tatort in den Rollen als Kommissare Batic und Leitmayr, die den Assistenten Kalli ja eher rumkommandieren ...

Ja genau, das war kein Vergleich. Und doch habe ich einiges von ihnen gelernt. Wir lachen ja immer viel am Set, es ist lustig und jeder macht seine Witze. Wenn es dann aber um eine Szene geht, und der Regisseur sagt „Und bitte“, dann können die beiden sofort umschalten und sind konzentriert in ihrer Rolle. Diese Disziplin und Professionalität habe ich bei ihnen bewundert und dann auch so gelernt.

Im heutigen Tatort „Freies Land“ gibt es die bekannten humorigen Szenen, es geht aber auch um ein ernstes Thema: Reichsbürger. Wie viel wusstest Du vorher über die Szene? Als Ihr gedreht habt, war das Thema noch nicht so präsent wie jetzt.

Ich kann mich erinnern, dass der Vorfall, bei dem ein Polizist von einem Reichsbürger erschossen wurde, auf alle Fälle schon vor unserem Dreh passiert ist. Das erste Mal, als ich von Reichsbürgern gehört habe, war durch die „heute“-Show im ZDF. Danach habe ich – wie jeder andere wahrscheinlich auch – immer wieder in den Nachrichten darüber gelesen und gehört. Was Reichsbürger für Ansichten haben und was sie verfolgen. Von daher wusste ich schon einiges über ihre politische Einstellung und um was es dann in unserem Tatort gehen wird.

Wie ist Deine Einschätzung: Wird die Szene der Reichsbürger in diesem Tatort realistisch dargestellt? Gerade die Rede der Figur Ludwig Schneider ist meiner Meinung nach ziemlich eindringlich. Ist das mehr filmische Dramaturgie oder kann es so eine Szene auch in der Realität geben?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Und um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Die Reichsbürger im Film leben ja auf ihrem eigenen Areal, auf dem freien Land. Ob es das bei uns so gibt, weiß ich nicht. Dass das woanders existiert, ist ja bekannt. Mir fällt in Kopenhagen Christiania ein(Die Freistadt Christiania ist eine alternative Wohnsiedlung in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, die seit 1971 besteht. Aus Sicht der dänischen Behörden handelt es sich um eine staatlich geduldete autonome Gemeinde, Anm. d. Red.). Von so etwas in Deutschland habe zumindest ich noch nichts gehört. Aber die Einstellung, die die Reichsbürger im Film haben, die ist Realität. Es gibt Menschen, die so denken. Wahrscheinlich nicht alle gleich radikal. Aber wenn man die Berichte in den Medien liest, bin ich mir ziemlich sicher, dass unsere Darstellung nicht so weit entfernt ist.

Wenn Du in Deine Zukunft blickst, wie sieht es da in 20 Jahren aus? Eher eine ähnlich lange Karriere wie Deine Kollegen Nemec und Wachtveitl als Tatortkommissare oder doch im Bereich Deines Studiums mit BWL und Wirtschaftsingenieurwesen?

Das ist tatsächlich eine Frage, die ich mir selbst ziemlich oft stelle. Eine wirkliche Antwort habe ich mir darauf aber noch nicht gegeben(lacht). Ich versuche, die Sache mit dem Film so lange wie möglich weiterzumachen. Mich würde es richtig freuen, wenn ich in 20 Jahren immer noch beim Tatort wäre – oder auch bei anderen Filmen. Wenn das nicht funktioniert, bin ich trotzdem sehr froh, dass ich noch eine andere Option habe. Das verschafft mir auch ein bisschen Freiheit. Denn es gibt auch viele Schauspieler, bei denen es nicht auf die Dauer klappt. Damit muss man immer rechnen. Ich wollte eine zweite Möglichkeit haben, ein zweites Standbein, denn ich bin ungern von anderen abhängig. Deshalb mein Studium. Aber bedeutet ja auch nicht, dass ich das Filmgeschäft verlasse, man kann ja zum Beispiel auch hinter die Kamera wechseln, in den Produktionsbereich vielleicht. Denn an sich mag ich den Filmbereich und vor allem die Leute wirklich sehr, sehr gerne.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.