Rotvieh und mehr
Start eines Pilotprojekts: Oberpfälzerin wirbt für Rindfleisch mit Extra

16.05.2023 | Stand 15.09.2023, 0:00 Uhr
Erika Sauers Kühe, Kälber und Stiere stehen den ganzen Sommer auf saftigen Weiden. Nicht anders als bei den übrigen rund 1000 Mitgliedern im Fleischrinderverband Bayern, die sich unter anderem auf seltene Rinderrassen spezialisiert haben. −Foto: Schröpf

Die Frage die Erika Sauer gerade am meisten umtreibt: Wie kommt bestes Rindfleisch seltener Rassen unkompliziert auf die Einkaufslisten von Bürgern, Gastronomen und Kantinenwirten im ganzen Freistaat?



Die Antwort soll ein zweijähriges Pilotprojekt in der Oberpfalz liefern, das sie als Vorsitzende des Fleischrinderverbands Bayern angestoßen hat. Das Startsignal fällt am Dienstag in Saubersrieth (Lkr. Neustadt/Waldnaab). Auch Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber wird erwartet.

Sauer vertritt die Interessen von rund 1000 Mutterkuhhaltern in Bayern, auf deren Weiden besondere Tiere stehen: Zu den insgesamt rund 30 eher seltenen Rassen zählen Rotvieh, Gelbvieh, Braunvieh, Pinzgauer, Murnau Weldenfelser oder Pustertaler – hinzu kommen aber auch Klassiker wie Angus, Limousin oder Fleckvieh. Mutterkuhhaltung bedeutet, dass die Kälbchen von der Mutter aufgezogen werden. Das Fleisch sei sehr schmackhaft, sagt Sauer selbstbewusst. Es müsse keine Konkurrenz scheuen. „Was sonst aus Übersee importiert wird: Das können wir auch.“

Ziel: Vermarktungs-Netzwerk

Im Zweifel nach ihrem Urteil sogar etwas mehr: Für das Rindfleisch mit Extra hat Sauer einen passenden Slogan parat, spricht von „Lebensmitteln mit Geschichte und Gesicht“. Das heißt: Wer es genau wissen will, kann selbst bei den eingezäunten Weiden vorbeischauen. Sauer schickt zudem regelmäßig Bilder via Instagram in die Welt. „Ich bin auch die Social-Media-Beauftragte des Fleischrinderverbandes“, scherzt sie.

Der 54-Jährigen schwebt ein Vermarktungs-Netzwerk vor, das über den gesamten Freistaat gespannt ist. Traditionelle Handelswege wie etwa Supermarktketten funktionieren nach Sauers Worten nicht. Es scheitere daran, dass die Mutterkuhhalter eher kleinere Landwirtschaften betreiben und keine verlässlichen Riesenliefermengen garantieren können.

Sie hätten auch keine Standardware im Angebot. Das Fleisch unterscheidet sich je nach Rasse im Geschmack. Rotvieh hat beispielsweise kurzfaseriges Fleisch und schmeckt besonders intensiv, weil die Tiere erst nach drei Jahren geschlachtet werden. „Wir fallen aus dem Muster“, sagt Sauer über sich und ihre Kollegen. „Wir passen nicht in die Supermarktschalen.“

Besonderheit des Pilotprojekts: Die Landwirte sollen selbst entscheiden, was nötig ist, um ihr Rindfleisch besser an die Kundschaft zu bringen. Bisher agieren sie zumeist als Einzelkämpfer. Jeder suche und pflege allein eigene Absatzmärkte – per Hofladen, Bauernmarkt oder Zusammenspiel mit Metzgern und Gastronomen, sagt Sauer. Im schlechten Fall müsse Fleisch „unter Wert an irgendeinen Händler verkauft“ werden. Für das Ausloten von besseren Optionen fehle manchmal schlicht die Zeit. Viele Mutterkuhhalter organisieren ihren Hof im Nebenerwerb parallel zum 40-Stunden-Hauptjob. „Wir gehen acht Stunden in die Arbeit. Alles andere kommt danach. Das ist sportlich“, sagt Sauer.

Ein bayernweites Netzwerk könnte das ganze Jahr Vertriebskanäle aufzeigen – auch für Tage, an denen keine Zeit fürs Beschicken des Wochenmarkts ist oder ein Fleisch-Überschuss zu vermarkten ist. Es könnte nebenbei Mutterkuhhaltung für Nachwuchs interessanter machen, sagt Sauer. „Es gibt junge Leute, die wieder einsteigen wollen – auch auf Höfen, die schon die Großeltern aufgegeben hatten.“

Fachurteil: „bombastisch“

Sauer weiß aus Erfahrung, wie mühsam es sein kann, Mutterkuhhaltung mit Profit zu betreiben. Sie bewirtschaftet mit ihrem Mann Günther in Burgtreswitz (Lkr. Neustadt/Waldnaab) einen Hof mit 100 Stück Rotvieh. Sie ist im Hauptberuf Finanzbeamtin, er arbeitet beim Maschinenring. Das Ehepaar hat für sich bereits einen erfolgreichen Weg gefunden: Es gibt einen Hofladen, in dem Pakete zu 5, 10 oder 15 Kilo im Angebot sind – darin nicht nur Filet und Roastbeef, sondern auch Suppenfleisch, Gulasch, Rouladen und Hack. Auf Wunsch gibt es spezielle Einzelteile und Wurst.

Zudem wird Fleisch ins vier Kilometer entfernte Restaurant „Goldenes Kreuz", geliefert, wo Patron Michael Schieder alle Teile des Tieres verarbeitet und die besten Stücke im Dry Ager veredelt.

Er ist übrigens ein exzellenter Werbebotschafter für das Rindfleisch der besonderen Art. „Der intensive Geschmack ist bombastisch“, lautet sein Urteil. „Das kommt bei den Gästen supergut an.“

Zur Info: Rotvieh auf der Speisekarte

Das Konzept:Bei Gastronom und Hotelier Michael Schieder im „Goldenen Kreuz“ steht Rotvieh seit 2010 auf der Karte. Was ihn überzeugt? „Die Qualität.“ Schieder verarbeitet alles vom Rind: Er ordert nicht nur Filets, sondern auch Fleisch für Suppen und Soßen.

Nachfrage:Das Restaurant in Saubersrieth ist oft ausgebucht. Die Gäste seien auch bereit, für Besonderes etwas mehr zu zahlen, sagt Schieder. Das Rinderfilet an Rotweinjus gibt es bei ihm für für 29 Euro, den Zwiebelrostbraten für 25 Euro, das Carpaccio vom Rinderfilet für 13,50 Euro.

Tradition:Die Familie Schieder bewirtschaftet das „Goldene Kreuz“ seit Generationen. Michael Schieder führt seit 13 Jahren die Geschäfte. Der 37-Jährige hat davor unter anderem im Münchner Kempinski und in Brenners Park-Restaurant in Baden-Baden gearbeitet.