Parteitag
Aiwangers Mini-Wald hat eine Botschaft

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger spendiert 100 Bäume – auch als Seitenhieb auf ÖDP und Grüne. Die Antwort folgt prompt.

11.05.2019 | Stand 16.09.2023, 5:34 Uhr

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger spendierte den Delegierten beim Parteitag in Amberg 100 Bäume und 350 weitere Sträucher und Pflanzen – als Signal an die Macher des Bienen-Volksbegehrens, die mit ihrem Kampf für einen Kahlschlag auf Streuobstwiesen gesorgt hätten. Foto: Schröpf

Zweieinhalb Meter groß sind die 100 Obstbäume, die Hubert Aiwanger den Freie-Wähler-Delegierten zum Parteitag in Amberg aus eigener Tasche spendiert hat. Ein Mini-Wald aus Frühäpfeln, Tafelbirnen und anderen Sorten. Eigentlich war an gut zu transportierende hüfthohe Pflanzkübel gedacht. Macht nichts, hakt Aiwanger das ab. Im Gegenteil: Das damit gleichzeitig geplante scharfe Signal an die Macher des Bienen-Volksbegehrens fällt nun einfach noch plakativer aus. Aiwanger macht Grüne und ÖDP für aktuellen Kahlschlag auf bayerischen Streuobstwiesen verantwortlich. Sie hätten tausende, ja zehntausende Obstbäume „auf dem Gewissen“, sagt er. Der böse Nebeneffekt rühre daher, dass Streuobstwiesen ab einer Größe von 2500 Quadratmetern zu Biotopen deklariert werden sollen und damit als Baugrund entfallen würden. Aiwanger lässt zum Begrünen Bayerns an diesem Tag auch 350 Ziersträucher und Rosenbüsche verteilen. Eine „sinnvolle Investition“, sagt er.

Dann doch Rückhalt für Weber

Der Parteitag findet zwei Wochen vor der Europawahl statt. Aiwanger hatte kurz vor Beginn der Veranstaltung eine Botschaft geschickt, die er im Lauf des Tages relativiert. Es geht darum, ob der Spitzenkandidat derjenigen Partei, die bei der Europawahl am erfolgreichsten abschneidet, bei der Abstimmung über den neuen EU-Kommissionspräsidenten das Votum der Freien Wähler bekommt. Aiwanger sieht darin keinen Automatismus. Das wirkte wie eine Absage an CSU-Mann Manfred Weber, der ohnehin mit schwierigen Mehrheitsverhältnissen zu kämpfen hat.

„Aber als Bayern und Deutsche ist uns ein Weber natürlich lieber als ein niederländischer Sozialdemokrat.“Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger

Aiwanger stellt aber später klar, dass er mit Weber keine grundsätzliche Probleme hätte. „Wir müssen ihn noch ein bisschen ins Gleis bringen. Aber als Bayern und Deutsche ist uns ein Weber natürlich lieber als ein niederländischer Sozialdemokrat.“ Ulrike Müller, Spitzenkandidatin der Freien Wähler bei der Europawahl, legt ebenfalls ein Bekenntnis zu Weber ab. „Wenn es darum geht, einen Bayern an die Spitze der Kommission zu wählen, wäre ich nicht sehr klug, es nicht zu tun. Diese Unterstützung kann ich zusichern.“ Die Landwirtin aus Bayern ist aktuell einzige Europaabgeordnete ihrer Partei. Angesichts aktueller Umfragewerte rechnet sie aber bundesweit mit zusätzlichen ein oder zwei Mandaten.

Müller kämpft für ein Europa, in dem „die großen Dinge“, wie die die Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch die Energiepolitik und die Asylpolitik von der EU geregelt werden. Die „vielen kleineren Dinge“ sollen dagegen in Verantwortung der Länder bleiben. Der Wahlkampf führt sie derzeit quer durch Deutschland. Überall warnt sie vor einem Auseinanderdriften Europas und rückt die Vorteile der Gemeinschaft in den Vordergrund. Jeder Europäer habe durch die EU jedes Jahr „einen Mehrwert von 1000 Euro“, sagt sie.

Aiwanger will bei Windkraft anschieben

Umweltpolitik ist weiterer Schwerpunkt des Parteitags. Regionale, erneuerbare und dezentrale Energieversorgung sei von Anfang an Markenzeichen der Freien Wähler gewesen, sagt Umweltminister Thorsten Glauber. „Die Bürger vor Ort sind deutlich weiter, als mancher Entscheider auf Bundesebene.“ Kluge Umweltpolitik sei wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Aiwanger kündigt an, dass er in der Regierungskoalition mit der CSU einen Vorstoß zu mehr Windkraft in Bayern machen wird. Die vom früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer eingeführte 10-H-Abstandsregel, die die zehnfache Distanz zur Wohnbebauung vorschreibt, hatte den Ausbau stark zum Erliegen gebracht. „Ich glaube nicht, dass wir 10H zu Fall bringen. Das steht im Koalitionsvertrag“, sagt Aiwanger. Er denke aber unter anderem an vereinfachte Planungsverfahren und Zuschüsse zu Planungskosten der Kommunen.

Die Freien Wähler verabschieden in Amberg eine Resolution zur Energie- und Klimapolitik. Sie enthält den Passus, dass der Bau von Stromtrassen auf das „wirklich Nötige“ beschränkt werden soll. Den Süd-Ost-Link, der auch quer durch die Oberpfalz führen soll, will Aiwanger durch einen zügigen Ausbau regionaler Energien faktisch unnötig machen und damit ein Einlenken in Berlin erzwingen. „Es ist bundespolitische Beschlusslage. Dies abzuändern ist mehr als schwer. Gleichwohl gebe ich nicht auf“, sagt er.

Neue Generalsekretärin

ÖDP reagiert auf Baum-Aktion

Mit seiner 100-Bäume-Aktion provoziert Aiwanger unterdessen ein Nachspiel: Die Initiatorin des Bienenvolksbegehrens und stellvertretende ÖDP-Landesvorsitzende Agnes Becker meldete sich am Sonntag zu Wort und spricht von „billigem Populismus“. Die Reaktion Aiwangers sei entlarvend und zeige, dass er weder an der Artenvielfalt noch am Lebensraumschutz ein Interesse habe. Laut Erhebungen der Landesanstalt für Landwirtschaft seien im Freistaat von 1965 bis 2012 rund 70 Prozent der Streuobstbäume verschwunden. „Gerade diese Zahlen zeigen, wie dringend notwendig der gesetzliche Schutz von Streuobstwiesen ist.“ Aiwanger sei von Ministerpräsident Markus Söder, also seinem Koalitionspartner, offenbar gezwungen worden, dem Gesetzentwurf zum Artenschutz zuzustimmen, vermutet Becker. „Herr Söder hat damit bewiesen, dass in Bayern der CSU-Hund mit dem FW-Schwanz wedelt und nicht umgekehrt.“

Der Oberpfäzer Grünen-Chef und Bundestagsabgeordnete Stefan Schmidt äußerte sich am Rande eines Grünen-Europaparteitags am Sonntag in Nürnberg nur knapp zur Aiwangers Baumpräsenten. „Die übliche Wahlkampfrhetorik“, sagt er.

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