Vater, Mutter, Kind: Nicht alle Familien passen in dieses Bild. Für Regenbogenfamilien gibt es seit zehn Jahren eine feste Anlaufstelle in Berlin. In Sachen Gleichstellung hat sich für sie schon viel getan - aber es gibt noch Luft nach oben.
An der Haustür des kleinen Einfamilienhauses in Berlin-Niederschöneweide hängt eine Schneeflocke. Ein Hinweis auf den Nachnamen der dreiköpfigen Familie, die hier wohnt. Familie Schnee entspricht auf den ersten Blick der klassischen deutschen Bilderbuchfamilie - Kind, Hund und ein kleines Häuschen mit Garten. Ein Unterschied zum Klischee: Mit Juliane und Jana hat der zehn Monate alte Remo zwei Mamas.
Das Paar lernte sich vor fünf Jahren über Tinder kennen. Seit 2020 sind Jana (32) und Juliane (34) verheiratet. Ihr Kinderwunsch war für die beiden schon früh in ihrer Beziehung klar. «Mit 28 kam bei mir der Wunsch, selbst schwanger zu sein», erzählt Jana. «Das habe ich mit Juli auch sehr schnell besprochen, als wir uns kennengelernt haben. Sie konnte sich auch vorstellen, Mama zu sein, aber halt nicht austragende Mama.»
Queer sein und Kinder haben?
Seit zehn Jahren gibt es für Paare wie Jana und Juliane das Regenbogenfamilienzentrum des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg (LSVD) - damals war es das nach Angaben des Zentrums bundesweit erste dieser Art; gerade wurde das Jubiläum gefeiert. Dort gibt es Hilfe beim Thema Kinderwunsch und Familienfragen. «Wir beraten zu Adoption, Pflegschaft, Samenspende, Reproduktionsmedizin und Co-Parenting», erklärt Lisa Haring, Projektleiterin im Regenbogenfamilienzentrum. Co-Parenting beschreibt ein Familienmodell, bei dem sich Menschen für eine verabredete Erziehungspartnerschaft ohne klassische Paarbeziehung entscheiden.
Für viele queere Menschen sei schon allein das Coming-out ein Prozess, erklärt die Projektleiterin. Erst danach komme dann irgendwann der Gedanke, «dass man sagt, ich darf und kann Kinder haben». «Das sitzt teilweise immer noch so fest in den Köpfen, dass man entweder queer ist oder Kinder hat, aber nicht beides», so Haring. Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.
«So richtig werden queere Familien nicht erfasst»
Von einer Regenbogenfamilie spreche man, «wenn sich mindestens ein Elternteil als schwul, lesbisch, trans*, bi, inter* oder queer definiert». In Deutschland sind Regenbogenfamilien keine Seltenheit. Aussagekräftige Zahlen für Berlin gibt es laut Haring nicht. «So richtig werden queere Familien nicht erfasst.»
«Es gibt einfach keine gesetzliche Gleichberechtigung, und man muss wirklich genau gucken, was kann ich machen, was passt zu meiner Situation und was kann ich mir überhaupt leisten», so Haring über die Kinderwunsch-Beratungen. Nach wie vor sei finanzielle Unterstützung von Krankenkassen für Reproduktionsmedizin nicht möglich. «Das heißt, dass queere Paare, die eine Kinderwunschklinik in Anspruch nehmen wollen, einfach wirklich Geld brauchen.»
Jana und Juliane Schnee versuchten es mit dem Nachwuchs zunächst über einen privaten Samenspender. Als das nicht klappte, entschieden sie sich für die sogenannte ROPA-Methode. Dabei wird bei lesbischen Paaren einer der Frauen Eizellen entnommen, die mit Spendersamen befruchtet werden. Der anderen Frau wird der daraus entstandene Embryo eingesetzt. Sie trägt die Schwangerschaft aus. In Deutschland ist diese Methode verboten. Die ROPA-Methode fällt unter die Eizellenspende und ist laut dem Embryonenschutzgesetz rechtswidrig.
«Das fanden wir beide sehr, sehr schön»
Für die Befruchtung reisten Juliane und Jana deshalb nach Spanien. Es klappte direkt beim ersten Mal. «Er ist der allererste Versuch gewesen», sagt Jana und schaut den kleinen Remo an. Er sei Teil von beiden. «Das fanden wir beide sehr, sehr schön.» Für den gesamten Prozess zahlte das Paar überschlagen «knapp 10.000 Euro». In einer deutschen Kinderwunschklinik zahle man aber oft noch mehr.
Seit 2017 gibt es in Deutschland die Ehe für alle. Das heißt, zwei Menschen können unabhängig von ihrem Geschlecht heiraten und sind somit vor dem Gesetz gegenüber heterosexuellen Paaren gleichberechtigt. Bei der Familienplanung sieht das noch anders aus. So müsse die nicht austragende Mutter in einer lesbischen Partnerschaft bis heute ihr eigenes Kind mittels einer Stiefkindadoption adoptieren, erklärt Haring.
«Reibungslos für Berlin»
Auch Juliane musste Remo offiziell adoptieren, um gesetzlich als zweiter Elternteil anerkannt zu werden. Der Adoptionsprozess dauerte von November letzten Jahres bis Ende März 2023. «Das ist reibungslos für Berlin», erklärt Juliane. Viele warteten deutlich länger. «Juli musste hier ihr genetisch eigenes Kind adoptieren. Es ist schon eine kleine Farce», sagt Jana. In der Zeit des Adoptionsprozesses sei sie oft geladen gewesen, erzählt Juliane. «Aber man kann es halt nicht ändern, das Gesetz ist ja gerade einfach noch so.»
Für die Zukunft wünscht sich Jana, «dass Menschen nicht mehr ihre eigenen Kinder adoptieren müssen. Dass Familie einfach Familie ist». «Allgemein sollte es, auch in den Medien, mehr Sichtbarkeit geben», sagt sie. «Diese Sichtbarkeit schafft eine Normalität und sorgt dafür, dass vielleicht auch Oma Erika in Brandenburg mitbekommt, dass es nicht nur Mann und Frau gibt und dass es aber auch ganz normale Menschen sind.»
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