Reise-Reportage
Auf der Postschiffroute in Norwegen: Kreuzfahrt geht auch umweltfreundlich

02.02.2024 | Stand 02.02.2024, 19:00 Uhr

Der Geirangerfjord gehört bei Norwegenbesuchen zum Pflichtprogramm. Im Winter fahren die Kreuzfahrtschiffe nicht in die Bucht, auch weil immer wieder Lawinen von den steilen Felswänden ins Wasser rauschen können. Mit Katamarans ist die Fahrt in die Bucht aber auch ein Erlebnis. − Fotos: Reichgruber, Johan Holmquist

Emissionsfrei in eines der sensibelsten Gebiete der Erde mit einem Schiff zu fahren, das ist inzwischen auf der norwegischen Postschiffroute möglich. Bis zu 640 Passagiere reisen auf der Havila Capella zum Geirangerfjord.

Es ist die Aufgabe von uns Menschen, die biologische Vielfalt im Geirangerfjord zu schützen“, gibt sich Rangerin Nicole Dietzel auf der Fahrt auf der Wasserstraße in dieses 2005 von der Unesco zum Weltnaturerbe ernannten Juwel in Norwegen überzeugt. Im Fjord herrscht durch den Golfstrom von Mexiko ein besonders mildes Klima, das eine für diesen Breitengrad außergewöhnliche biologische Vielfalt von Tieren und Pflanzen ermöglicht, die alle untereinander vernetzt sind. Trotz der Lage im hohen Norden, kurz vor dem Polarkreis, wachsen dort Apfel- und Birnbäume sowie Apfelsinen. Dieses sehr sensible Mikroklima gilt es zu schützen, auch vor den rund eine Million Touristen, die den Fjord jährlich besuchen.

„Jedes Jahr fahren rund 200 Kreuzfahrtschiffe in den Fjord, 80 Prozent davon zwischen Juni und August. Wenn die Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 6000 Passagieren im Schnitt acht Stunden im Fjord bleiben, steigt in den Sommermonaten die Schadstoffkonzentration stark an“, weiß Ranger Ken Tschorn, der aus dem Rheinland stammt. Der Klimatologe ist im Auftrag der Uni Bonn vor Ort und untersucht die Qualität der Luft in der von hohen Bergen umgebenen Bucht. „Es gibt hier nur ein begrenztes Luftvolumen. Weil das Tal so eng ist, ist nur ein geringer Luftaustausch möglich“, erklärt er. Wenn sich im Sommer die Kreuzfahrtschiffe in dieser Enge stauen, sieht man nicht selten eine schwarze Wolke zwischen den Gipfeln – den Ausstoß der Dieselaggregate, die die riesigen Kreuzfahrtschiffe antreiben.

Nur emissionsfreie Schiffe ab 2026 erlaubt

Erst am vergangenen Wochenende sorgte das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die Icon of the Seas, für Schlagzeilen, als sie aus dem Hafen der US-Metropole Miami auslief. Das Schiff mit 20 Decks und 365 Metern Länge kann bis zu 7600 Gäste und 2350 Besatzungsmitglieder befördern. Umweltorganisationen kritisierten umgehend: „Wenn man wirklich an Nachhaltigkeit und nicht an seinen Gewinn denken würde, würde man kein Kreuzfahrtschiff mit einer Kapazität von fast 10 000 Menschen bauen“, erklärte etwa Marcie Keever von der Organisation Friends of the Earth. In den Geirangerfjord werden solche Kolosse spätestens 2026 nicht mehr einfahren, denn dann sind dort nur noch emissionsfreie Schiffe erlaubt.

Ohne Schadstoffausstoß im Fjord unterwegs zu sein, das ist bereits möglich mit den Schiffen der norwegischen Postschifflinie Havila Voyages, die dort seit 2021 verkehrt. Ein Vorzeigeschiff der Flotte ist die Capella. 640 Passagieren in 179 Kabinen bietet das Küstenkreuzfahrtschiff Platz. Angetrieben wird es in der Regel von Siemens-Motoren, die mit LNG (Erdgas, das in flüssiger Form in zwei 185 Kubikmeter Tanks gelagert wird) laufen. Im Maschinenraum befinden sich in zwei abgetrennten Bereichen auch jeweils 300 Akkus mit einer Gesamtleistung von 6,1 Megawatt.

Zuständig im „Herz des Schiffes“ ist Chefingenieur Björn Jones, der erklärt, dass diese Kapazität für vier Stunden Fahrt mit zehn Knoten reicht. Mit bis zu 18,5 km/h also – rein durch Elektroantrieb – kann die Capella damit in der Schutzzone des rund 15 Kilometer langen Fjords rein- und wieder rausfahren. Aufgeladen werden können die Akkus im Fjord nicht, weil die nötige Stromversorgung fehlt. Von den Hängen der umliegenden Berge rauscht zwar genügend Wasser in die Tiefe, um dort ein Kraftwerk zu betreiben. Eine solche Anlage ist in dem geschützten Tal aber nicht erlaubt.

Nachhaltigkeit spielt auch beim Essen eine Rolle

Die Akkus der Capella werden deshalb entweder während der Fahrt mit den gasbetriebenen Motoren wieder aufgeladen, oder an den Häfen bei längeren Aufenthalten der Passagiere. Schließlich sind die Schiffe auf der Postroute von Bergen bis Kirkenes zwölf Tage unterwegs und legen dabei an 34 Häfen an. Post wird auf diesen Fahrten übrigens kaum mehr transportiert, die Norweger erledigen ihre Konversation inzwischen überwiegend auf elektronischem Weg. Theoretisch könnten die Schiffe auch mit Wasserstoff oder Ammoniak angetrieben werden, die technischen Voraussetzungen dafür sind laut dem Betreiber vorhanden.

Auf Nachhaltigkeit wird auf den norwegischen Postschiffen auch in anderen Bereichen großer Wert gelegt. Ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen: Es gibt keine großen Büfetts, die Gäste bestellen von der Karte. Die Portionen sind dabei so klein wie möglich, jede Zutat wird extra bestellt. Nachordern kann man jederzeit. Minimiert werden soll dadurch der Essensabfall. Ziel ist es, dass pro Passagier und Tag nicht mehr als 75 Gramm Lebensmittel in die Tonne wandern. 60 Tonnen Lebensmittel könnten so auf dem Schiff im Jahr eingespart werden. Dass die norwegische Flotte dabei vor allem auf regionale Produkte setzt, versteht sich. Auch bei der Entsorgung wird auf die Umwelt geachtet: Im Schiffsrumpf ist eine Biogasanlage mit einem 8000 Liter fassenden Tank installiert. Damit wird ebenfalls Strom erzeugt.

Sprachbarrieren gibt es für Deutsche in Norwegen übrigens kaum: An Bord sprechen viele Crewmitglieder Deutsch. Und auf den Ausflügen trifft man immer wieder deutschsprachige Führer, wie etwa die 25-jährige Amanda Hausken, deren Mutter aus Tirol stammt. Die junge Frau spricht fließend Deutsch und hat für Reisende in der kalten Jahreszeit einen wichtigen Tipp: „Je mehr Schichten Kleidung man trägt, desto weniger friert man.“ Amanda etwa setzt unter anderem auf einen gestrickten Pulli ihrer Oma und mehrere Lagen dünner Funktionskleidung. Wie sie es ohne Handschuhe etwa bei einer Bootsfahrt durch den Trondheimer Hafen bei winterlicher Kälte aushält, bleibt ihr Geheimnis.

Mega-Lachsfarm im Fjord geplant

Nachdem über 80 Prozent der Norweger an der Küste leben, sind sie Kälte und stürmische Meere aber auch von Geburt an gewöhnt. Früher war das Ruderboot das wichtigste Fortbewegungsmittel der Norweger. Sie fingen damit das Hauptnahrungsmittel Fisch, ruderten aber auch sonntags zur Kirche. Fisch aus Norwegen kommt zu uns übrigens oft aus speziellen Zuchtfarmen.

Im Geirangerfjord soll die weltweit zweitgrößte Lachsfarm an einer Stelle entstehen, an der bis 2018 Steine abgebaut wurden. Klimatologe Kent Tschorn sieht das Vorhaben mit gemischten Gefühlen: In solchen „Farmen“ würden viele Schlachtabfälle in den Fjord geworfen, und es drohe ein Stickstoffeintrag, der größer wäre als der jährliche Stickstoffausstoß der Stadt Oslo mit über 630000 Einwohnern. Problematisch sind solche Lachsfarmen auch, weil die Fische mit Pellets gefüttert werden, die auf den Boden fallen und dort beispielsweise Algenwuchs verursachen. Gleichzeitig schafft eine Fischfarm dringend benötigte neue Arbeitsplätze. Es bleibt also auch für die Norweger noch viel zu tun, um ein gesundes Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, touristischen und ökologischen Interessen zu finden.


INFORMATION

Der weltberühmte Geirangerfjord liegt etwa 280 Kilometer nördlich von Oslo im Westen Norwegens. Beste Reisezeit, um die Pracht der Natur im Fjord zu erleben, ist der Mai, denn ab Juni kommen die Massen mit großen Kreuzfahrtschiffen. Polarlichter sieht man am besten zwischen Oktober und März, weil es dann am längsten dunkel ist.

ANREISE

Ausgangspunkt der Postschifflinie ist das rund 1900 Kilometer von München entfernte Bergen. Wer besonders umweltfreundlich anreisen will, kann dies mit einer Zugfahrt nach Kiel und von dort weiter mit der Fähre. Flugverbindungen bieten Lufthansa und SAS mit Zwischenstopp in Kopenhagen an. Das Postschiff fährt auf der zwölftägigen Fahrt bis nach Kirkenes 34 Häfen an. Man kann aber auch an jedem anderen Ort der Route zu- und aussteigen.

AUSFLÜGE
In größeren Häfen besteht bei mehrstündigen Aufenthalten die Möglichkeit, die Umgebung zu erkunden und Ausflüge zu buchen, wie etwa Angeln im Fjord vom Motorboot aus sowie eine Fahrt mit Schneemobilen oder Hundeschlitten. In den Wintermonaten wird der Geirangerfjord nur mit einem Katamaran angefahren. Wetterbedingt kann es in den Wintermonaten vorkommen, dass einzelne Häfen nicht angesteuert werden können.

www.havilavoyages.com


Redakteur Herbert Reichgruber recherchierte auf Einladung von Havila Voyages.