Dem Champagner auf der Spur
Prickelnde Aisne: Genuss-Region im Nordosten Frankreichs

15.03.2024 | Stand 15.03.2024, 19:00 Uhr

Der „gekrönte Berg“ von Laon, dem Hauptort des Départements Aisne in Nordfrankreich. Rund 25 000 Menschen wohnen dort. Ein kleiner Teil davon auch innerhalb der befestigten Altstadt auf dem Tafelberg und damit in direkter Nachbarschaft zu einer der ersten frühgotischen Kathedralen überhaupt: Notre-Dame de Laon. − Foto: Amin Toulors 

„Kommt schnell, ich trinke Sterne“, soll Dom Pérignon beim allerersten Schluck Champagner gerufen haben. Ganz korrekt überliefert ist das wohl nicht. Und trotzdem irgendwie richtig. Was macht dieses Getränk so traumhaft? Eine Spurensuche in der Region rund um die Aisne, Mutter des Champagners – und noch viel mehr.



Prickelnd, perlend, perfekt. Kein Getränk weiß Eleganz und Luxus auch nur annähernd geschmackvoll in sich zu vereinen wie Champagner. Zufall ist das keiner. Die Herstellung folgt einem strengen Protokoll. Angefangen bei der unumgänglichen Anbauregion, der Champagne. Mittendrin: das Département Aisne nordöstlich von Paris.

Champagner kommt aus der Champagne. Immer. In fünf Départements, die man in etwa mit deutschen Regierungsbezirken gleichsetzen kann, werden Trauben für Champagner angebaut: Aube, Haute-Marne, Seine-et-Marne, Marne und – natürlich – Aisne. Rund 500 Winzer produzieren in der Aisne, als einzelne Weinbauern oder gemeinschaftlich, auf 35000 Hektar mehr als zehn Prozent des Champagners.

Die Keller der Aisne bergen wahre Schätze

Eines der größten dieser Weinhäuser ist Pannier in Château-Thierry. Unter dem Verkaufsraum schlängelt sich das zwei Kilometer lange Kellerlabyrinth aus dem 12. Jahrhundert durch den Kalkstein. Stickig ist es da unten. Und eng. Vor allem aber beeindruckend. Im Keller herrschen konstant zwölf Grad – ideal, um Champagner reifen zu lassen und zu lagern. Und so birgt das Labyrinth auch einen Schatz. Die Kellermeister bewahren dort einzelne Flaschen ihrer Jahrgänge auf. Das älteste Exemplar ist Jahrgang 1959.

Auch darin befindet sich ein Cuvée, also eine Mischung, der für Champagner zugelassenen Rebsorten. In der Regel werden Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay verwendet. Die Weinbauern sagen, Pinot Noir gestaltet den Körper des Champagners, Pinot Meunier macht ihn fruchtig und Chardonnay schenkt ihm seine Finesse. Doch egal, welche Traube gepresst wird, die strengen Regeln und Qualitätsmaßstäbe des Anbaus gelten für alle. Ein Höchstertrag pro Hektar beispielsweise, was dazu führt, dass nur die hochwertigsten Weintrauben ausgewählt werden. Oder sorgfältige Handlese.

Deswegen muss in Trélou-sur-Marne, wo Anna und Franck Météyer ihr Weingut haben, auch die ganze Familie ran.

Traditionsreich heißt nicht altbacken

Während Franck Météyer ständig mit dem Kopf bei seinen Produkten zu sein scheint, ist es seine Frau Anna, die das über 150 Jahre alte Familienunternehmen präsentiert. Im Repertoire: Ein Picknick in den Weinbergen, wo – ganz nebenbei – dann auch Fotos für Instagram entstehen. Traditionsreich heißt in der Champagne nicht zwangsläufig altbacken. Und doch geht es auch bei den Météyers in den Keller, wo die Flaschen lagern. Anbauen, lesen, pressen, gären, rütteln, abschlämmen und zu guter Letzt die geheimnisvolle Dosage, bei der jeder Hersteller sein ganz eigenes Rezept hat für die Flüssigkeit, die er wieder in die Flasche gibt, wenn die Hefe beim Abschlämmen entnommen wurde.

Wieder draußen aus dem Keller und oben in den Weinbergen hat man einen guten Blick auf die Fahrradwege im Tal. Der Eurovelo 3 beispielsweise ist einer von ihnen. Er ist Teil der Pilgerroute von Norwegen bis Santiago de Compostela in Spanien und führt entlang der Windungen des Flusses Oise in der Thiérache. Dieses Gebiet war im Achtzigjährigen Krieg ein umkämpftes Stück Land entlang der belgischen Grenze. Ganze Dörfer zogen sich in die befestigten Kirchen zurück, um sich selbst, ihr Hab und Gut und auch die Tiere vor durchziehenden Soldatengruppen zu schützen. Die karge Landschaft, die von diesen „Wehrkirchen“ durchbrochen wird, ist einzigartig, mystisch und schon alleine eine Reise in die Aisne wert.

Eine ganz andere Kategorie Gotteshaus ist die Kathedrale von Laon. Sie entstand ab 1155 in nur knapp 80 Jahren, gehört zu den ersten frühgotischen Kathedralen Frankreichs und ist noch älter als Notre-Dame in Paris.

Savoir-vivre mit frischen Ideen der Weinbauern



Ihre stolze Silhouette auf dem sogenannten „gekrönten Berg“ ist weit über die umliegende Ebene zu sehen. Dort angekommen schmiegt sich Gasse an Gasse zu einer einzigartigen Altstadt mit über 80 denkmalgeschützten Gebäuden. Auch unterirdisch ist einiges geboten. Die „Geheimnisse unter der Stadt“, die sich in Kellergängen der Zitadelle verbergen, werden bei einer multimedialen Führung gelüftet.

54 Kilometer weiter südlich hat auch Weinbauer Eric Lévêque-Dehan viel herzuzeigen – wenn es ihm auch eher um puren Weintourismus geht. Er hat mit einem Quiz nicht nur eine unterhaltsame Möglichkeit geschaffen, Wissen zu vermitteln. Er hat sich auch einen alten Bully gekauft. Mit dem schippert er seine Gäste von einem schönen Fleckchen rund um Barzy-Sur-Marne, dem Ort, in dem seine Weinkellerei Lévêque-Dehan 1887 gegründet wurde, zum anderen. An jedem Haltepunkt gibt’s ein neues volles Glas Champagner und Anekdoten. Den Fokus auf den edlen Tropfen im Glas. Den Blick über die Ainse schweifend. Das dürfte es ein, dieses Savoir-vivre.




INFORMATIONEN

Die Aisne ist ein Bezirk im Nordosten Frankreichs. Laon, der Hauptort dieses Départements ist vom Pariser Flughafen Charles de Gaulle etwa eineinhalb Autofahrstunden entfernt.

ÜBERNACHTEN
•Hotel Le Domaine des Lumières in Aisonville-et-Bernoville, Infos unter www.domainedeslumieres.com
•Hotel Le Golf de l’Ailette in Chamouille, Info: www.ailette.fr/fr/hotel-spa-golf-reims

•Hotel Ile de France in Château-Thierry, Infos unter www.hotel-iledefrance.com

WEINKELLEREIEN

•Météyer in Trélou-sur-Marne, Infos unter www.champagne-meteyer.com

•Lévêque-Dehan in Barzy-Sur-Marne, Info: www.champagne-leveque-dehan.fr

•Pannier in Château-Thierry, Info: www.champagnepannier.com

AUSFLUGSTIPPS

Familistère von Guise: In dem Dorf entstand im 19. Jahrhundert ein „Versailles für Arbeiter“: Das Familisterium Godin gilt als erster sozialer Wohnungsbau der Moderne. Ein Epos dieses Gesellschaftsmodells in einem intakt gebliebenen Stadtkomplex mit außergewöhnlich komfortablen Wohnungen, Info: www.familistere.com.

Laon: eine verwinkelte und verwunschene Stadt aus dem Mittelalter im Schatten eines Meisterwerks der Frühgotik – Notre-Dame de Laon.

Garten von Hélène: Die Hausherrin verrät die Geheimnisse oftmals in Vergessenheit geratener Naturheilkräuter. Infos unter lejardindhelene.blogspot.com.

Château de Condé: das „Schloss der Prinzen“ an der Straße des Champagners, www.chateaudeconde.fr.

Fahrradtour: den EuroVelo3-Radweg entdecken, Infos unter www.eurocyclo.eu.

SONSTIGES
Ein Vorurteil bestätigt sich leider: Ohne Französischkenntnisse wird’s schwer – so höflich und zuvorkommend die Menschen in der Gegend auch sind.

www.jaimelaisne.com

tourisme-paysdelaon.com


Redakteurin Andrea Deyerl recherchierte mit Unterstützung von Atout France, der französischen Tourismus-Zentrale in Aisne.