Reise-Reportage
Wandern in Westschweden: Zwischen Fika-Tradition und Märchenwäldern

13.10.2023 | Stand 13.10.2023, 19:00 Uhr

Beeindruckend und schön anzusehen sind die Tafelberge im Platåbergens Geopark, durch den der Biosfärleden-Wanderweg führt.

Versteckte Seen, satte grüne Wälder, Tafelberge – vielseitiger könnte die Landschaft Westschwedens kaum sein. Zahlreiche Wanderwege laden dazu ein, die Region zu erkunden: zu Fuß und mit dem Zug.

Die Wege führen durch satte grüne Landschaften an kleinen Ortschaften mit gepflegten Blumengärten und den kupferroten Holzhäusern mit den weißen Fensterumrandungen vorbei. Kilometerlang lässt es sich hier durch die Idylle streifen. Mitten in Göteborg beginnt der Wanderweg Gotaleden. Er erstreckt sich über 71 Kilometer, die in neun Abschnitte gegliedert sind und endet in der Stadt Alingsås.

Entlang des Flusses Säveån erstreckt sich der dunkelgrüne Laubwald. „Die Landschaft erinnert mich an England“, erzählt Nicke Sundström, während er auf dem schmalen Pfad des Gotaleden durch den dichten Wald stapft. Seit 1999 ist Sundström selbstständig und bietet Wander-Pakete auf der ganzen Welt an, unter anderem in Nepal, Alaska und Jordanien. Mittlerweile kennt er die Region um Göteborg wie seine Westentasche. „Ich komme ja ursprünglich aus der Nähe von Stockholm, lebe ab nun schon seit 15 Jahren mit meiner Familie hier in einem kleinen Dorf.“

Ausschlaggebend dafür war die Landschaft hier. „Ich mag es, in der Natur zu sein, hier gibt es viel Wald, viele Seen und Flüsse. Es ist wie ein Nationalpark“, schwärmt er zurecht. Der 56-Jährige ist leidenschaftlicher Wanderer, Mountainbiker und Trail-Runner. „Außerdem liebe ich es, Pilze zu sammeln, davon gibt es hier jede Menge.“ Die Seen laden im Winter auch zum Schwimmen ein „und im Winter kann man wunderbar Schlittschuhlaufen.“

Industriellen Überbleibseln begegnen

Was für ihn den Gotaleden-Wanderweg so besonders macht, sind neben der schönen Landschaft auch die alten Überbleibsel der damaligen Industrialisierung. „Immer wieder kommt man durch alte Ortschaften und an ehemaligen Mühlen vorbei, die mit Hydropower betrieben worden sind.“ In den Ortschaften locken Gasthäuser, Hotels und Restaurants die Wanderer zum Ausruhen und Verweilen ein. „Wir wollen, dass die Besucher ihr Wandererlebnis mit Komfort und Genuss verbinden können.“ Und brauchen die Beine eine kleine Erholungspause, kann auf den Zug ausgewichen werden. „Die Bahnlinie führt entlang des Wanderweges, sodass man jederzeit darauf zurückgreifen kann“, erklärt er.

Die Landschaft ist vielseitig. „Neben der Flussregion mit den dichten Laubwäldern gibt es auch Abschnitte mit Kiefernwäldern und Regionen, in denen alte Schlösser und Burgen bestaunt werden können. Hier treffen Kultur und Natur aufeinander“, betont er.

Um 10 Uhr morgens und 15 Uhr nachmittags ist Fika-Zeit

Am Ende des Gotaleden wartet die Stadt Alingsås mit ihren bunten Häusern und zahlreichen Blumendekorationen. Sie ist die Hauptstadt der Fika-Tradition, weiß Gunilla Davidsson. Die 49-Jährige arbeitet für das westschwedische Tourismusbüro und möchte vor allem die Fika-Tradition den Besuchern näher bringen. Diese Kaffeehaustradition ist in der schwedischen Kultur fest verankert, um zehn Uhr morgens und um 15 Uhr nachmittags ist Fika-Zeit, auch in den Büros. „In Alingsås geht die Geschichte zurück auf das Jahr 1733, als der erste Bäcker die Lizenz des Königs bekam, Brot für die einfache Bevölkerung zu backen und es zu verkaufen.“ Das war für die Menschen damals eine große Erleichterung, da die industrielle Revolution ihnen viel abverlangte – die Fika-Tradition war geboren. Das Wort selbst entstand aber erst um 1910. „Es ist vermutlich eine Umkehrung der Silben des Wortes ‚Kaffi’, des altschwedischen Begriffes für Kaffee“, erklärt Gunilla Davidsson.

Mit dem Zug geht es weiter nach Lugnås, einem kleinen Ort nordöstlich von Göteborg und in der Nähe von Mariestad. Dort endet der Biosfärleden-Wanderweg. Er führt über 140 Kilometer entlang der Südküste des Sees Vänern, dem größten Schwedens, zwischen Mariestad und dem Schloss Läckö. Der Biosfärleden ist nicht nur aufgrund seiner vielseitigen Landschaft besonders, sondern auch, weil er sich im Platåbergens Geopark, der dazu 2010 durch die UNESCO ernannt wurde, befindet. Die abgeschliffenen Felsplatten, Tafelberge genannt, sind nicht nur eindrucksvoll anzusehen, sie zeugen auch von Jahrtausend alter Geschichte. Sie sind Ablagerungen aus Eiszeiten.

Mühlsteine aus Schweden gingen in alle Welt

Bekannt in Lugnås ist die Mühlsteinmine, die heute besucht werden kann. Hier wurden im 12. Jahrhundert Mühlsteine aus dem Lugnåsberg, einem kleinen Tafelberg, geschlagen, die dann im 19. Jahrhundert weltweit exportiert wurden.

Von Lugnås aus erreicht man in wenigen Minuten Hällekis. Von dort nach Trolmen kann man einen der schönsten Abschnitte des Biosfärleden bewandern, weiß Carolina Hellström. Die heute 33-Jährige kommt gebürtig aus Lidköping, einer Stadt direkt an der Südküste des Sees Vänern, den die Schweden wegen seiner Größe von 5650 Quadratkilometern auch als Meer bezeichnen. Mit 19 Jahren ging sie für ein Jahr nach Australien, zurück in Schweden studierte sie Tourismus. Danach lebte sie für einige Jahre in Norwegen, um dort im Tourismusbereich zu arbeiten. „Irgendwann wollte ich nach Hause.“ Nun lebt sie seit sechs Jahren wieder in ihrer Heimat und kümmert sich als „Tourism Developer“ um die Entwicklung neuer Wander- und Radwege und um die Instandhaltung bisheriger Pfade. „Wir wollen den Leuten zeigen, was unsere Region landschaftlich und kulturell zu bieten hat.“

Vielfältige Natur genießen

Am Biosfärleden schätzt sie seine vielfältige Natur, die sich von der des Gotaleden in kleinen Punkten unterscheidet. Die Wälder sind heller, weniger dicht und besonders beeindruckend ist der Pfad entlang der Seeküste. „Auf diesem Weg sieht man sehr viel von Schwedens Flora und Fauna. Mal ist man weit oben und kann alles überblicken, dann geht es wieder sehr tief nach unten in den Wald hinein“, erklärt Carolina Hellström. Auch hier verläuft die Bahnlinie in unmittelbarer Nähe. „Nur in den letzten Abschnitten müsste man mit dem Bus fahren.“ Oder eben laufen, denn so kann man Westschwedens Charme am besten erleben und genießen.


INFORMATIONEN

Die Stadt Göteborg ist der perfekte Ausgangspunkt wenn es darum geht, Westschweden und dessen Natur zu entdecken. Mitten in der Stadt beginnt der Gotaleden-Wanderweg, der über 71 Kilometer bis nach Alingsås führt. Nicht weit davon entfernt kann man den Geopark rund um Schwedens größten See, den Vänern, erkunden. Dort verläuft auch der Biosfärleden-Wanderweg, der sich über 150 Kilometer vor allem in der Region um den See herum erstreckt.

ANREISEN

Mit dem Flugzeug von München nach Göteborg. Die Flugdauer beträgt etwa eine Stunde und 50 Minuten. Vom Flughafen fährt ein Shuttlebus in einer halben Stunde ins Stadtzentrum. Von Göteborg lässt sich Westschweden zu Fuß, mit dem Rad und mit dem Zug erkunden. Die Bahnlinien führen entlang der Wanderwege.

ÜBERNACHTEN

Luxus im Stadtzentrum bietet das historische Hotel Royal in Göteborg, das älteste Hotel der Stadt.

Direkt am Bahnhof und zentrumsnah lädt das Grand Hotel Alingsås mit seiner Extravaganz zum Verweilen ein. Es wurde renoviert, hat aber seinen Charme behalten.

Raus aus der Stadt und aufs Land: Das Lugnåsberget Ekohotell überzeugt durch seinen einfachen, ländlichen Charme und bietet viel Platz für Reisegruppen.

Im Zentrum von Lidköping, einer Stadt direkt am See Vänern, liegt das historische Stadthotellet Lidköping.

www.visitsweden.de

www.vastsverige.com/de/


Redakteurin Laura Stewart wanderte auf Einladung von „Visit Schweden“ und dem Tourismusbüro Westschweden durch die faszinierend vielseitige schwedische Landschaft.