Landkreis.
Die lächerlichen Geschichten faszinieren Hobbyforscher

Die Summe seiner Recherchen zu den „Hirschauer Stückl’n“ hat Horst Kräker in einem Buch veröffentlicht.

22.07.2009 | Stand 22.07.2009, 0:00 Uhr

Von Michaela Fichtner

Wer schmunzelt nicht darüber, wenn jemand etwas völlig verkehrt macht? Wer klopft sich nicht auch mal auf die Schenkel, wenn er von einem Schwank oder einem Streich hört? Und wenn dann mal etwas Lächerliches, Abenteuerliches oder Kurioses passiert, kommentiert das gar mancher in unserer Region mit: „ein echtes Hirschauer Stückl!“.

Genau diese „Hirschauer Stückl’n“ bestimmen seit Jahren das Leben von Horst Kräker aus Hirschau. Er hat nun, wenige Tage vor der Premiere des neuen Festspiels „s’Braufieber“, sein Buch veröffentlicht: „Hirschauer Stückl’n im Lale-Komplex“ heißt das Werk und es ist die Summe Jahre langer Recherchen über den Hintergrund dieser Schwänke bzw. deren Entstehung im rheinischen Raum.

Die Leidenschaft begann – natürlich – mit einem Hirschauer Stückl: So sagten nämlich manche Leute, als 1989 die alte Kapelle von Urspring ins Museumsdorf Perschen abtransportiert und dort wieder aufgebaut wurde. Kräkers Interesse an der Heimatgeschichte war geweckt. Ein zeitintensives Hobby, denn forschen konnte der Hirschauer nur an den Wochenenden.

Und doch hat er nicht nachgelassen. Im Gegenteil: Als er ab Oktober 1998 für ein Jahr in Tschechien arbeitete, besuchte er die Orte, die im Bezug zu den Hirschauer Stückl’n standen. Vor allem wollte er dabei die These überprüfen, die Geschichten wären in Böhmen entstanden.

Diese weitverbreitete Meinung aber teilt der Hobbyforscher nicht. Er sieht den Ursprung der Schwänke im rheinischen Raum. So hat ihn sein Interesse an der Heimatgeschichte auch dorthin geführt. Er besuchte Speyer, wo Schriftsteller Johann Fischer, der Autor des „Lale-Buches“, als Advokat gearbeitet hatte, und er sprach mit Walter Fuchs, einem der besten Kenner der Ortenburger Geschichte. Ebenso hilfreich waren für ihn die Verbindungen ins sächsische Schildau, jenen Ort, dem die weltbekannten Schildbürgerstreiche zugeschrieben werden. Und diese haben viel mit den Hirschauer Stückl’n gemeinsam! So sprach der Hobbyforscher beispielsweise mit Dr. Hartmut Ross aus Sachsen-Anhalt, einem der besten Kenner der anhaltinischen Geschichte.

Längst hatte sich auch die Kaolinstadt dieser Schwänke entsonnen: Es gibt seit Jahren regelmäßige Kontakte zwischen Hirschau und Schildau, ein Festspielverein wurde gegründet und bereits zwei Mal wurden Festspiele – „Hirschauer Stückl“ (2005) und „Die Steingutfabrik“ (2007) – aufgeführt. Bis zur dritten Festspielsaison, die am kommenden Freitag beginnt, wollte Kräker sein Buch fertig stellen. Dass dadurch aus dem Ruhestand ab 2007 durch Reisen, weitere Gespräche und Forschungen ein „Unruhestand“ wurde, versteht sich.

Und so beschreibt Kräker nun in seinem Werk, wie der 1547 geborene Johann Fischart zu den Schwänken, den „Hirschauer Stückl’n“ kam: Im Grunde war Anton von Ortenburg, Studienkollege in Tübingen, der Auslöser. Die beiden Studenten dürften sich in jenen Jahren des öfteren amüsiert und dabei ihre privaten Anekdoten zum Besten gegeben haben, sagt Kräker. Anton von Ortenburg musste so manches heitere Stückl aus den vielen Lehensgebieten des Geschlechts kennen. Und dieses war groß, war doch den Ortenburgern 1209 die Pfalzgrafenwürde von Bayern, das zweitwichtigste Amt im Herzogtum, verliehen worden.

Im 16. Jahrhundert begann auch Fischart zu forschen, vor allem über die Verbindungen zwischen Kurpfalz und Oberer Pfalz. Durch das Studium der Oberpfälzer Geschichte und deren Geschlechter stieß er dann über die Ortenburger auf die Sulzbacher. Dieses Geschlecht starb im 13. Jahrhundert aus, die drei Töchter heirateten in andere ein, Elisabeth beispielsweise in das der Ortenburger.

Da verhärteten sich aber die Grenzen im Sulzbacher Besitz – auch die Grenze zwischen Hirschau und Schnaittenbach. Eine Folge war, dass sich unterschiedliche Interessenslagen heraus bildeten. Und eben die üblichen Neckereien zwischen einzelnen Orten. Daraus entstanden die „Hirschauer Stückl’n“, schlussfolgert Kräker.

Diese Schwänke, die Anton von Ortenburg erzählte, verarbeitete Fischart später in seinem „Lalebuch“. Den Inhalt verlegte er aber in die Zeit, als Hirschau 1353 durch Karl IV. zu Böhmen kam, um seine Karriere als Amtmann nicht zu gefährden und um mit seinem Buch nicht auf den Index zu kommen. Der Inhalt des „Lalebuches“ richtet sich gegen die Überhöhung des Ständewesens des aufstrebenden Bürgertums. Nach Johann Fischarts Tod vollendete sein Schwiegervater Bernhard Hertzog das Manuskript, 1597 wurde es gedruckt.