Geschichte
Bruck oder Roding – das war die hier Frage

Bei der Gemeindegebietsreform 1971 rangen die Neubäuer um ihre Selbstständigkeit. Es kam sogar zu einer Stichwahl.

02.02.2022 | Stand 15.09.2023, 21:40 Uhr
Neubäu am See hat sich seit der Eingemeindung nach Roding zu einem attraktiven Fremdenverkehrsort gemausert. −Foto: Josef Kerscher

Die Bürgerversammlung in Neubäu im April 1971 brachte keine Mehrheit für die eine oder andere Richtung. Das schwere Los, die Entscheidung, oblag anschließend dem Gemeinderat. Die Neubäuer Bürger trafen sich im Gasthaus Haberl zu einer turbulenten Sitzung, wie dem Bericht vom 9. April 1971 im Bayerwald-Echo zu entnehmen ist.

Der Redakteur fand kritische Worte für das aus seiner Sicht demokratisch propagierte Eingemeindungsverfahren der Bayerischen Staatsregierung. Zwar, so schrieb er, sei die Bevölkerung längst soweit einsichtig, dass sich ihre Gemeinde nicht werde halten können; es wurden Kontakte zu Bruck und Roding, vielleicht auch zu Walderbach aufgenommen, und die Dinge hätten sich übers Jahr sicher zu einem guten Ende entwickelt, meinte der Redakteur. Mit dem Druckmittel des Geldentzugs zwinge der Staat nun aber plötzlich zu einem „freiwilligen“ überstürzten Handeln.

Nach der Bürgerversammlung, deren zwei Abstimmungen weder für Bruck noch für Roding eine klare Mehrheit brachten, war der Gemeinderat nicht zu beneiden, zumal im April 1971 noch nicht klar war, wie die künftigen Landkreise aussehen würden.

Die Landkreisreform wurde erst ein Jahr später durchgeführt. Zu dem Zeitpunkt war auch ein Großlandkreis Roding-Neunburg im Gespräch. Auch war unklar, ob Walderbach als Gemeinde auf lange Sicht bestehen bleibt. Landrat Ernst Girmindl sagte unter anderem: „Der Campingplatz Neubäu hat sich einen Ruf erworben, der weit über die Grenzen des Landkreises hinausreicht, und ich bin mir sicher, dass jeder Bürger ein Interesse daran haben wird, den finanziellen Anreiz, der noch 265 000 Mark zusätzliche Schlüsselzuweisungen beträgt, auszuschöpfen.“

Geheime Abstimmung

„Tua ma uns um, dass ma des Geld krieagn, und aus ist“, meinte ein Neubäuer. Die geheime Abstimmung brachte für Bruck 23, für Roding 21, für Walderbach eine Stimme, 18 hatten sich für die Selbstständigkeit Neubäus ausgesprochen. Da der Gemeinderat mit dieser „Entscheidungshilfe“ wenig anfangen konnte, wurde eine Stichwahl zwischen Bruck und Roding durchgeführt. Demonstrativ verweigerten wohl diejenigen, die für die Selbstständigkeit eingetreten waren, nun die Annahme eines Stimmzettels. Sie wollten sich der demokratischen Mehrheit von 45 Stimmen, die für einen raschen Anschluss stimmten, nicht beugen. So kam auch bei der zweiten Abstimmung ein Ergebnis zustande (22 für Bruck, 21 für Roding), das dem Gemeinderat nicht weiterhalf.

Die zunächst angesetzte Gemeinderatssitzung wurde vertagt. Das Gremium mit Vize-Bürgermeister Peter Lohr traf sich am 30. April zur entscheidenden Sitzung. Mit 6:3 Stimmen votierte der Gemeinderat für eine Eingemeindung nach Roding, nachdem vorher Kommunalpolitiker Brucks und Rodings in Neubäu waren und Neubäu Angebote und Zusicherungen machten. Wichtige Gründe sollen gewesen sein, dass viele Neubäuer in Roding arbeiteten und hier einkauften. Nach Roding sind es zehn, nach Bruck neun Kilometer. Auch dass sich Fronau für Roding entschied, erleichterte die Entscheidung für Roding.

Mitte Juni 1971 stellte der Gemeinderat noch den Haushalt 1971 auf, auch der Haushalt des Schulverbands Neubäu wurde noch erstellt. Neubäu hatte damals 44 Schüler, Fronau 47 und Haus zehn. Bevor der letzte Bürgermeister Neubäus, Norbert Fuchs, seine Gemeinde der Stadt Roding übergab, ernannte der Gemeinderat Landrat Girmindl und Kreisbaumeister Preis zu Ehrenbürgern von Neubäu. Damit wurden die Verdienste Girmindls und Preis‘ bei der Einrichtung des Campingplatzes und der Entwicklung zum Fremdenverkehrsort gewürdigt. Der ADAC baute auf dem Gelände später 50 Ferienbungalows.

Seefest nach der Eingemeindung

Die Eingemeindung Neubäus wurde im September 1971 mit einem Seefest gefeiert. Bei der Wahl des Rodinger Stadtrats nach der Gebietsreform kandierten drei Neubäuer, Peter Lohr auf Platz zwölf der CSU-Liste, Johann Zwicknagel auf Platz neun der Freien Arbeitnehmerschaft und Walter Großmann auf Platz vier der SPD-Liste. Keiner schaffte es. Peter Lohr hatte zwar Neubäu (413 Stimmen) und Fronau (281) hinter sich, fand aber in Strahlfeld zu wenig Unterstützung (103).

Bürgermeister Norbert Fuchs kandidierte nicht, unterstützte aber Ludolf Stuiber bei der Bürgermeisterwahl. Lohr wurde in einer Bürgerversammlung mit 47 von 63 Stimmen zum Ortssprecher Neubäus gewählt. (rjm)