Technik
Museumssender könnte bis in Ukraine strahlen

Der Rundfunk-Mittelwellensender aus München Ismaning ist im Rundfunkmuseums zu sehen.

14.03.2022 | Stand 15.09.2023, 6:55 Uhr
Ein Teil des großen Mittelwellensenders aus München-Ismaning im Eingangsbereich des Rundfunkmuseums ist in Betrieb. Der Rest ist eingelagert im Museumsdepot. −Foto: Daniel Paul

Die tragischen Ereignisse in der Ukraine veranlassten die ARD bei verschiedenen Rundfunkanstalten, unter anderem auch beim BR, zu einer Nachfrage, ob noch irgendwo ein leistungsstarker Mittelwellensender verfügbar wäre und wenn ja, ob man diesen in Betrieb nehmen könnte, um die Menschen in Russland und der Ukraine mit neutraler und seriöser Berichterstattung aus Deutschland zu versorgen.

Dabei fiel auch der Name des Rundfunkmuseums Cham. Die Mittelwelle war jahrzehntelang ein beliebter Übertragungsweg, um das Medium Radio zum Zuhörer zu bringen. Der Hauptvorteil der Mittelwelle ist die immense Reichweite von nur einem Senderstandort aus. So konnte das Programm des Mittelwellensenders München Ismaning auf 801 kHz fast in ganz Europa gehört werden. Im Jahr 2015 jedoch wurden in Deutschland im Zuge der Digitalisierung des Rundfunks die letzten Mittel- und Langwellensender abgebaut, zuletzt auch der in Ismaning. Viele kritische Stimmen warnten damals davor, diese einzigartige und preiswerte Kommunikationsmöglichkeit ganz aufzugeben. Dabei könnte nahezu jedes Radiogerät, das heute in den heimischen vier Wänden steht oder in Autos und Lkw eingebaut ist, noch die Mittelwelle empfangen.

Auch der legendäre Mittelwellen-Großsender Ismaning des BR wäre nach seinem Abbau Opfer der Schrottpresse geworden, wenn nicht eine Gruppe von Idealisten des Chamer Rundfunkmuseums ihn gerettet hätten. In einer einmaligen Aktion wurden im Frühjahr 2016 sämtliche schwergewichtigen Apparaturen vom Erdinger Moos nach Cham geholt und, was keiner für möglich gehalten hatte, wieder in Betrieb gesetzt. Täglich wird mit einer geringen, behördlich lizenzierten Leistung von zwei Watt das Museumsprogramm von 14 bis 22 Uhr übertragen. Empfangen werden kann das Programm fast im gesamten Landkreis Cham. Eine Besonderheit der Mittelwelle seien Überreichweiten durch Reflexionen in der Ionosphäre, weshalb laufend Empfangsberichte von weit entfernten Radioamateuren, bis aus Schweden und Finnland eingehen.

Der Ismaninger Sender, der zuletzt mit 100 Kilowatt strahlte, ist komplett vorhanden und könnte mit etwas Aufwand weitgehend wieder in Betrieb genommen werden. Es ist alles funktionstüchtig, die Teile sind komplett im Depot eingelagert. Bereits mit zehn Kilowatt, also dem 2.000-fachen der jetzigen Leistung könnte eine Reichweite von tausend bis zweitausend Kilometer erreicht werden, was allerdings einen fast 100 Meter hohen Antennenmast erfordern würde. Der relativ kleine Mast auf dem Dach des Museumsgebäudes ist für derartige Leistungen nicht ausgelegt. Es gäbe aber eventuell eine Möglichkeit auf dem Mast des BR-Senders Dillberg bei Neumarkt i. d. Opf.

Die Museumsleute bringen die Hoffnung zum Ausdruck, dass der Krieg in der Ukraine, verbunden mit unendlichem Leid der Bevölkerung und der gezielten Ausschaltung unabhängiger Medien bald endet und eine ähnliche Situation in Europa nie wieder eintritt. Dennoch sollte die Politik überlegen, ob man nicht für alle Fälle eine einzigartige Kommunikationsmöglichkeit wie die Mittelwelle oder auch die Kurz- oder Langwelle bereithält. Der Aufwand dafür ist minimal. (fdp)