Cham
Als die Bauern zu Gegnern wurden

Dr. Maximilian Wacker referierte bei der neuen Ortsgruppe Cham des Historischen Vereins in Cham über die Revolution 1918/19.

03.12.2018 | Stand 16.09.2023, 5:53 Uhr
Holder Hierl

Dr. Maximilian Wacker hat seine Heimatregion als Beispiel genommen, um die Revolution in Bayern darzustellen. Foto: Holder Hierl

Ein „Arbeiter- und Bauernstaat“, wie sich die DDR später nannte, bildete sich in Bayern nach der Revolution 1918/19 nicht, obwohl sich zunächst auch die Bauern auf die Seite der aufständischen Soldaten und Arbeiter geschlagen hatten. Doch die Zwänge der Nachkriegszeit konnten die Hoffnungen der Bauern nach eigenständigem Wirtschaften nicht erfüllen, so dass sie sich gegen die neuen Räte stellten. Diese Entwicklung zeigte Dr. Maximilian Wacker aus Bad Kötzting bei einem Referat bei der neuen Ortsgruppe Cham des Historischen Vereins Regensburg und Oberpfalz im „Randsberger Hof“ auf, bei dem er die durchaus gegebene Revolution in Ostbayern beleuchtete. Die Geschehnisse während der Revolutionswochen in Bayern und besonders in unserer Gegend sind relativ wenig bekannt. Ob diese Revolution, die von einem Berliner Sozialdemokraten ausgegangen ist, früher lieber verschwiegen wurde, wie einige Gäste in der Diskussion vermuteten, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass diese paar Monate Bayern grundlegend verändert haben, wurde ja die Monarchie gestürzt und Soldaten- und Arbeiterräte bildeten eine Regierung, die einiges auf den Weg brachte, wie das Frauenwahlrecht oder die freie Wahl der Eltern für oder gegen Religionsunterricht für ihre Kinder. Da sie aber ungeübt in der Verwaltung waren, arbeiteten die Räte meistens mit der bestehenden zusammen.

Dass die Entwicklung in München in ungeahnter Schnelligkeit ganz Bayern erfasste und auch in den Landkreis Cham gelangte, machte Dr. Wacker an der allgemeinen Kriegsmüdigkeit in der gesamten Bevölkerung fest, wobei die einzelnen Gruppen durchaus unterschiedliche Gründe für ihre Unterstützung des Umsturzes hatten. In allen Schichten erkannte man, dass eine Weiterführung des Krieges nur sinnlose Opfer und Tod bringt. Die Soldaten wollen nicht mehr in von vornherein verlorene Schlachten geführt werden, die Arbeiter hatten kaum was zu essen und die Not in den Städten war groß, die Bauern hatten zwar Nahrung, mussten aber einmal ihre Söhne und auch die Knechte als Soldaten hergeben, die zur Bewirtschaftung der Felder fehlten, zum andern wurden sie zu Zwangsabgaben von Nahrungsmitteln verpflichtet.

Diese Kriegssituation führte Johann Gruber den Zuhörern zu Beginn mit zwei kurzen Textbeiträgen aus dem Roman „Im Westen nichts Neues“ und einem Gedicht von Georg Trakl vor Augen, bevor Dr. Maximilian Wacker darauf verwies, dass er seine Dissertation über die „Die Revolution 1918/19 in der Oberpfalz“ geschrieben habe und dass es der Soldatenrat Cham sogar auf die Titelseite seiner Arbeit geschafft habe. Der Beginn der Revolution gehe auf den Führer der USPD (Unabhängige Sozialistische Partei Deutschlands) Kurt Eisner zurück, der in München die Republik, bzw. den Freistaat Bayern ausgerufen habe. König Ludwig III. von Bayern sei geflüchtet, trotzdem sei die Revolution in München wie in ganz Bayern relativ ruhig verlaufen.

Die Ausgangslage für einen Umsturz war günstig. Seit 1914 sei ein wirtschaftlicher Niedergang zu verzeichnen gewesen, seit Herbst 1918 galt der Krieg als verloren. Österreich kapitulierte und dadurch gelangte der Krieg direkt an die Grenzen Bayerns, München musste zwei Luftangriffe erleiden. Da forderte Eisner den Sturz der Regierung und einen Friedensschluss. Auch Ostbayern war direkt betroffen, da die bayerischen Truppen einmal an den Brenner verlegt wurden, aber auch an die bayerisch-böhmische Grenze, da man befürchtete, ein unabhängiges Böhmen könnte sich mit den Siegermächten verbünden.

Die meisten Bayern wollten daher einen sofortigen Frieden, auch die vom Krieg erschöpfte Landbevölkerung, so Wacker. Dementsprechend groß sei die Erleichterung gewesen, als die bayerische Regierung abgesetzt wurde. Die Soldaten wurden entlassen und konnten heimkehren. Ostbayern war damals ländlich-konservativ eingestellt. Trotzdem bildete sich am 9. 11. 1918 in Cham ein Arbeiter- und Soldatenrat, der jedoch gegen den Willen der Führung in München auch konservative Mitglieder aufnahm. „Mit den Sowjets in Moskau haben die wenig zu tun haben wollen.“ Hauptziel des Rates war, Ruhe und Ordnung herzustellen und die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicherzustellen. Die Bauern sollten daher weiter ihre Waren in die Stadt bringen.

Die treibende Kraft beim Chamer Soldatenrat sei Johannes Veeser gewesen, ein Nürnberger, der in Cham stationiert gewesen war und als Städter politisch wesentlich gebildeter war als die hiesige Bevölkerung. Zudem war er ein begnadeter Redner, der „den Bezirk Cham für die SPD erschloss“. So wurden in dieser Zeit etliche SPD-Ortsverbände gegründet, etwa in Chammünster oder Arnschwang. In Ränkam stellten sich „die roten Arbeiter“ gegen Pfarrer und Ortsführung, schlossen sich andererseits gegen den Rat aus München mit der örtlichen SuKK zusammen.

Trotz des wachsenden Zuspruchs der SPD dominierte weiter die konservative Bayerische Volkspartei die Wahlen, unterstützt vor allem vom Bayerischen Bauernbund., der sich aber auch gegen den Klerus stellte. Die Räte, in ihrem Bestreben nach Nahrungsversorgung der Bevölkerung, verlangten weiter von den Bauern Abgaben. Dadurch fühlten sich die Landwirte kontrolliert und gegängelt und gerieten so in Gegnerschaft zu den Räten und die Arbeiterschaft. Im November kamen neue Truppen nach Cham, die ohne Disziplin waren und etwa in Furth im Wald wild um sich schossen. Der Chamer Soldatenrat schloss diese Soldaten daraufhin aus, er war ja bestrebt, das Leben im Bezirk Cham in geregelte Bahnen zu lenken. Doch auf diese Weise entledigte er sich auch seiner Machtbasis.

Nachdem in München Eisner im Februar 1919 einem Attentat zum Opfer gefallen war, geriet die bayerische Regierung in eine Krise. Trotzdem wurde am 17. März vom Parlament eine neue Regierung unter dem Mehrheitssozialdemokraten Johann Hoffmann gewählt. Doch der Zentralrat der bayerischen Republik rief am 7. April eine Räterepublik aus, die immer mehr unter den Einfluss von KPD-Führern gelangte. Die Regierung Hoffmann musste nach Bamberg ausweichen, von wo aus sie mit Hilfe von Freikorps und später Einheiten des Reichsheeres die Räterepublik militärisch besiegte.

Mit der Niederlage der Rätebewegung in München Anfang Mai bekamen auch im Bezirk Cham die Gegner der Räte Aufwind. In Cham bildete sich eine Einwohnerwehr, die sich jedoch nicht gegen die Räte durchsetzen konnte, da diese die vorher durchgeführten Umwälzungen wieder zurücknahmen. Doch bei den Gemeindewahlen am 15. Juni 1919 war es vorbei mit den Räten und es gab wieder gewählte Gemeinderäte und Bürgermeister.

In der Diskussion nach seinem Vortrag meinte Dr. Wacker, dass man Kurt Eisner durchaus auch kritisch sehen müsse: Zwar habe er die Revolution friedlich durchgeführt, doch bei der Regierungsarbeit sei er wenig produktiv gewesen. Wenn etwas bewegt wurde, dann auf Initiative der SPD, wie etwa die Festlegung des Wahltermins für die Gemeindewahlen. Auch der Antisemitismus war bei den Revolutionären verbreitet. Die Revolution in Bayern sei wohl vor allem deswegen gescheitert, weil alle Gruppen zwar endlich frieden wollten, aber jede andere Erwartungen an die Zeit danach hatte. Die Arbeiter wollten einen Aufschwung der Wirtschaft für sichere Arbeitsplätze und ein ruhiges, geregeltes Leben, die Bauern hofften auf einen freien Handel mit ihren Produkten, bei dem sie selber den Preis bestimmen durften, und keine Zwangsabgaben mehr. Die Soldaten waren vielfach durch den Krieg aus der Bahn geworfen und sehnten sich nach einem Heim.

Zum Schluss las Johann Gruber noch zwei Texte zu Erlebnissen im Krieg, ehe Florian Gruber vom Historischen Verein dem Referenten für die Vorstellung der interessanten Revolutionsgeschichte in Ostbayern mit einem Präsent dankte. Übrigens: Die Doktorarbeit von Dr. Maximilian Wacker ist unter dem Titel „Die Revolution 1918/19 in der Oberpfalz“ als Buch im Regensburger Pustet-Verlag erschienen. (chi)