Musikinstrument von 1789
Besuch bei der wiederentdeckten Orgel von Grafenried

07.05.2023 | Stand 15.09.2023, 0:10 Uhr
In der Orgelwerkstatt von Marek Vorlíček. −Foto: Bucher

Niemand weiß, wie lange sie schon in dem alten Schuppen im Klentscher Pfarrgarten lag, noch wer sie abgebaut oder gelagert hat. Nur eines kann man erkennen, dass derjenige es in aller Eile getan hat und dass es sich wahrscheinlich um eine alte Orgel handelt, weil neben den Brettern samt Ornamenten eine Kiste mit zahlreiche Orgelpfeifen aus Metall lagen. Nur durch Zufall hat man sie entdeckt, weil eben dieser Schuppen ein neues Dach gebraucht hat und ausgeräumt werden musste.

Mittlerweile weiß man, dass es sich um die Orgel aus Grafenried handelt und man ist dabei diese originalgetreu zu rekonstruieren, denn 70 Prozent des Orgelschrankes und 30 der Pfeifen sind, aufgrund des Retters noch vorhanden.

Diese freudige Nachricht von der Existenz der Grafenrieder Orgel hat der frühere Ortssprecher des Pfarrsprengels Grafenried, Hans Laubmeier, den Gottesdienstbesuchern am Samstagnachmittag mitgeteilt und die Freude unter den „Grafenrieder-Nachkommen“ war groß. Die Orgel, so Laubmeier, befinde sich derzeit in Třebenice bei Domažlice in einer „Orgelwerkstatt“. Dies bestätigte auch Pfarrer Johannes Nepomuk Bejcek aus Brünn, in dessen Besitz sich die Orgel befindet.

Nicht mehr an die Existenz der Orgel geglaubt

„Ich habe nicht mehr daran geglaubt, dass unsere Orgel noch existiert, geschweige denn wieder auftauchen wird“, freute sich Laubmeier. Zwar habe er gehört, als die Kirche in Wassersuppen renoviert wurde, dass man in einer Scheune in Klentsch eine Orgel gefunden habe, aber nach einem Gespräch mit dem örtlichen Pfarrer, habe der ihm mitgeteilt, dass sich dort keine Orgel befinde. Laubmeiers Hoffnung schwand, aber nicht sein Tatendrang. Nach einem Telefonat mit Zusana Langpaulova habe diese in Erfahrung gebracht, dass sich in der Orgelwerkstatt in Třebenice eine zu restaurierende Orgel befindet. Nun ist es amtlich: eben diese Orgel ist die von Grafenried. Also lud Laubmeier alle Interessierten ein, am Sonntagmorgen nach Tschechien zu fahren, um sich über die Restaurierungsarbeiten zu informieren.

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Marek Vorlíček hat in der Orgelwerkstatt die Besucher in Empfang genommen und sie in eine Lagerhalle geführt, in der 10 Orgeln standen und restauriert werden. Auf die Frage, welche denn die Grafenrieder sein müsste, konnte diese Hans Laubmeier auf Anhieb erkennen. Vorlíček, der nicht nur Orgelrestaurator sondern auch Musiker, Sänger, Chorleiter, Dirigent und Organist ist, erzählte die Geschichte der Orgel. Nachdem die Orgel aufgefunden wurde, habe ihn der Klentscher Pfarrer angerufen. Das sei vor 17 Jahren gewesen. Er habe die Orgel, beziehungsweise das, was von dieser noch übrig war angeschaut und sofort erkannt, dass es sich hier um ein einzigartiges Stück handele. Dann habe er zu recherchieren begonnen und im Archiv von Bischofteinitz ausführliche Dokumente gefunden, die die Orgel eindeutig der Grafenrieder Kirche zuordneten und typische Merkmale aufwies, die sie dem Orgelbaumeister Johann Nikolaus Gartner aus Tachau zuordnete. Also fuhr er nach Grafenried, um die Kirche, zu der die Orgel gehören musste, zu besichtigen. Dabei musste er aber feststellen, dass es hier keine Kirche mehr gab. Er hatte also eine Orgel bei sich in der Werkstatt, die keine Heimat mehr hatte. Vier Jahre später hat er sich an Pfarrer Bejcek aus Brünn gewandt, der bereits mehrere Orgeln „gerettet“ hat. „Das war ein Glückstag für die Orgel“, denn nach er Restaurierung der Orgel, werde diese im Musikkonservatorium in Brünn den Studenten zur Verfügung stehen, so Vorlíček.

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Dann hätten die Restaurierungsarbeiten begonnen. Da die Orgel über 300 Jahre in einer konstanten Feuchtigkeit gestanden habe, sei es wichtig, diesen Zustand auch in der Halle herzustellen, meinte Vorlíček. Das zur Restaurierung benötigte Holz müsse besondere Kriterien erfüllen: es müsse bei dieser Orgel Fichten- oder Tannenholz aus der Region sein, im Winter geschlagen und an der Luft getrocknet. Wie lange die Restaurierung der Grafenrieder Orgel dauere, richte sich nach den Förder- und Spendengeldern.

Als hervorragend bezeichnete es Vorlíček, dass gut 70 Prozent des Orgelgehäuses und der Verzierungen vorhanden seien. Fehlen würde die einmanualige Originalklaviatur, die aber anhand von Fotos rekonstruiert werden könne und der Blasebalg. Von den 200 Metall- und 102 Holzpfeifen, die eine Länge von 15 Zentimeter bis 2,60 Meter haben, sind 30 Prozent vorhanden. Um die fehlenden zu ersetzen, habe man die Zusammensetzung der Zinn-Blei-Legierung bestimmen müssen, denn diese sollen den Klang des Originals – eine Barockorgel – wiedergeben. Als 100-prozentige Bestätigung, dass es sich bei dieser Orgel um die von Orgelbauer Johann Nikolaus Gartner aus Tachau gefertigte Orgel handelt, war der Fund eines gefalteten Papierblattes im Hohlraum des Orgelschrankes, auf dem der Name des Orgelbauers und das Auftragsdatum stehen.

Glück im Unglück

Die Grafenrieder Orgel hatte Glück im Unglück: Sie ist in die Hände eines Detektivs gefallen, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat und mit seinen fünf Kollegen die Orgel wieder in ihren Originalzustand zurückversetzen wird. Kirchenmaler und Pfeifensetzer werden der Orgel ihr Aussehen aus dem Jahr 1789 zurückgeben.

Von der Pfarrei Grafenried wurde im März 1789 Orgelbaumeister Gartner aus Tachau der Auftrag erteilt, „in den allhiesigen Gottes Haus zu Grafenried bis Jacobi h.J. einen vollständigen Orgel samt seinen und des Bildhauers Arbeit, nebst Tischler, wie auch anderen neben Unkosten herzustellen worin acht Mutation samt den Pedal begriefen sind. Verrabgeornete Kauf Summa 125 Gulden.“ Aufgestellt wurde die Orgel dann im Jahr 1791. Sie wurde als Barockorgel gefertigt.

Die Umbauten

Die 1789in Auftrag gegebene Orgel wurde als Barockorgel für kleine Kirchen gebaut. Sie hatte ein Manual, ein Pedalregister, sechs Register, war aus Fichtenholz und die Höhe betrug ca. 4,20 Meter.

Im Laufe der Zeitwurde die Orgel vergrößert und zur Romantikorgel umgebaut. Sie wird jetzt als Barockorgel rekonstruiert.

− wbf