Fotografie
Im Krieg überwand er seine Ängste

Chams Bahnhof war für Thomas Dworzak das Tor in die Freiheit. Sein Kollege Olaf Unverzart hielt den Kontakt zu seiner Heimat.

18.09.2019 | Stand 16.09.2023, 5:25 Uhr
Elisabeth Angenvoort

Mit Bildern zum Thema „Heimat“ lassen sich viele Rahmen füllen. Die Künstler Olaf Unverzart (links) und Thomas Dworzak stellen derzeit im Cordonhaus aus. Mit im Bild: Galeristin Anjalie Chaubal. Foto: Elisabeth Angenvoort

In vielen Sprachen ist das Wort „Heimat“ verbunden mit „Vaterland“ und damit ein strapazierter und zunehmend eindimensional instrumentalisierter Begriff. Das im englischen Sprachraum gebräuchliche „Home“ assoziiert noch am ehesten ein Gefühl von „Daheim- oder Zuhause-Sein“, darin waren sich die Künstler Thomas Dworzak und Olaf Unverzart einig, als es darum ging, den passenden Titel zur gemeinsamen Ausstellung mit Bildern zu ihrem jeweiligen Verständnis von Heimat zu finden.

In der Welt heimatlos

Was denn „Heimat“ nun eigentlich sei, für jemanden, der „Kosmopolit“ zu sein scheint wie Dworzak; und warum die Welt rund um (Wald)München für Unverzart die Bedeutung eines „Daheim-Seins“ hat, das wollten wir wissen und haben bei den Künstlern nachgefragt. Es sei für ihn eine Herausforderung gewesen, als er 2018 für das internationale Projekt „Magnum home“ den Auftrag erhielt, seine Heimat zu fotografieren, sagt Dworzak. War doch sein ganzes Leben bis dahin geprägt durch die Ablehnung seiner Heimat und der gleichzeitigen Suche danach.

Er habe „vielleicht den extremsten Gegensatz zu Cham“ gewollt, indem er nicht nur der „unerträglichen provinziellen Enge“, sondern auch der scheinbaren Ruhe zu entkommen versuchte. Diese Ruhe, in den 80er Jahren unterschwellig empfunden als „Ruhe vor dem Sturm“, habe eine ebenso tiefe wie abstrakte Angst in ihm ausgelöst, „vor den Russen, die uns irgendwann überrollen könnten“.

„Geruch nach Osteuropa“

An den Geruch seiner ersten eigenen Wohnung in der Hauptstadt jenes Landes, das Teil seiner Heimat werden sollte, erinnert er sich noch heute. Er nahm die „Herausforderung“ an und folgte in den nächsten Jahren dem Krieg, um seine Ängste zu überwinden, wie er rückblickend sagt, und um „den Leuten das Frühstück zu verderben“ mit seinen Bildern, die den Krieg schonungslos von seiner hässlichsten Seite zeigen.

„Ich habe vielleicht den extremsten Gegensatz zu Cham gewollt, indem ich nicht nur der unerträglichen provinziellen Enge, sondern auch der scheinbaren Ruhe zu entkommen versuchte.“Thomas Dworzak

Heute ist er der Überzeugung, dass „zu viel Krieg dumm macht“. Und er ist sich nicht sicher, ob er noch das Recht dazu hätte, Menschen „in solchen Situationen zu stören, um daraus ein Buch zu machen“. Dworzak verbrachte viel Zeit mit anderen Kriegsfotografen aus 40 Nationen in Afghanistan; viele der damals entstandenen Freundschaften bestehen bis heute, bedeuten ihm auch ein Stück „Zuhause“.

Im Grunde, sagt er, schaffe er sich immer wieder „kleine überschaubare Heimaten“, und fühle sich so gesehen weniger als ein Weltenbürger, als vielmehr in gewisser Weise „provinziell geblieben“. Vielleicht, meint Ernst Dworzak, habe sich der Heimatbegriff seines Sohnes Thomas in letzter Zeit etwas verändert: „Dahingehend, dass er wieder öfter nach Cham kommt als früher“.

Heimat als Anker

Anders als, um nicht zu sagen gegenteilig zu Dworzak, begab sich Unverzart seit Beginn seiner Laufbahn als Fotograf mit dem Thema „Heimat“ in künstlerische Auseinandersetzung. Er habe früh verstanden, dass es gut sei, sich fotografisch mit Motiven zu beschäftigen, die man kennt, sagt er. Das ist bis heute so geblieben.

Betrachtet man das großformatige Bild, das in der aktuellen Ausstellung zu sehen ist, kann man in etwa nachvollziehen, was Unverzart damit meint. Es sind aber auch Orte und Szenen, die ihn „neu zurückholen“. Er sucht mit seiner Kamera oft die Berge, weil sie zum ihm „passen“, wie er selbst sagt, und so viel Ungleiches in sich vereinen; weil die Landschaft dort oft unerwartet kippt von „lieblich zu schroff“.

„Bestimmte Orte bedeuten mir viel und sind in der Erinnerung verankert.“Olaf Unverzart

Unverzarts Bücher gewähren Einblicke in diese Widersprüchlichkeit, die durchaus verstörend sein kann. Und doch hat er zugleich die Kindheitserinnerungen an seine Oma anhand einfacher Gegenstände aus ihrer Küche festgehalten, als Widerspiegelung dessen, was für ihn „daheim sein“ vor allem bedeutet: ein Gefühl von Geborgenheit und Angekommen-Sein, „als Teil einer Familie... Mit der Möglichkeit, zu schauen, und einem Verständnis für die Umgebung“. Heimat ist ihm „Background“ und Zufluchtsort, an den man im Falle eines „Scheiterns“ jederzeit zurückkehren kann. Heimat, das bedeutet: Die Möglichkeit zu haben, so zu sein wie man ist.

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